BUNTE WELT

Nr. 16

Oskar Baum :

Unterhaltungsbeilage

Der Fall Makanski

,, Sie werden sehen, daß es ein Unrecht war, sich vor der Wahrheit zu fürchten", sagte der kleine Mann so treuherzig, als ob er es wirklich meine. Auch wir hier sind wie alle Menschen sofort zu überzeugen, wenn wir erst einmal die Aufrichtigkeit merken. Und welch ein beseligendes Gefühl wird es für Sie sein, tvenn Sie nichts mehr zu verheimlichen haben."

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Sie lachte ihm ins Gesicht. Sie werde es auch vor dem Richter beschwören, sagte sie beruhigt; das würde ihm gar nichts helfen.

1937

mit dem Geständnis der wahren Sachlage um Fortgehen im Hause niemandem begegnete, be­den Betrag für ihre Rettung gebeten hätte, achtete er nicht. Was hätte es ihn bekümmern hätte man ihr ihn vielleicht nicht verweigert, sollen? Dann, bei der Rückkunft, als er schon ihn zumindest als Vorschuß gewähren können. das geschlossene Haustor aufsperren mußte, Nun aber das müsse sie einsehen tonnte es ihm noch weniger auffallen. Er kam habe sie das selbst unmöglich gemacht. Das fähe mit einem flaren und, wie er glaubte, sehr ia wie ein Schuldbekenntnis aus. flugen Feldzugsplan heim, aber als er die Küche betrat, fand er das Mädchen leblos auf dem Fußboden neben dem Herd liegen. Er ftürzte ans Telephon und rief die Rettungs­station an. Er dachte natürlich nur an einen Krankheitszustand, eine Ohnmacht oder derglei­chen und war froh, sie auf diese Weise wenig­ftens aus dem Hause zu bekommen. Aber als die Leute mit dem Wagen kamen, rührten sie sie nicht an. Sie verständigten die Polizei. Das Mädchen war tot. Mit den bloßen Händen er würgt. Die ungläubige Verwunderung Mas fanstis, als er das hörte, entlastete ihn nicht. Er war der einzige, der als Täter in Bes tracht fam.

Das grelle Licht der Tischlampe fiel auf die Hände des Untersuchungsrichters. Die Uhr hinter ihm an der Wand tiďte lauter in den Er war von Natur nicht jähzornig, aber Bausen des Gesprächs. Josef Makansti, Dispo - nun schrie er sie so wild an, daß sie erschrocken nent der Handels- und Verkehrsbank, in dem zwei Schritte zurückwich und stürzte davon. Er mun merkwürdig tveit hinter ihm liegenden lief eine Stunde ratlos in den eistalten Stra­Leben, saß leicht vornübergeneigt und machte ben umher, sich zu fassen und zu überlegen, den Eindruck, als ob er angestrengt nachdächte. was in solcher Lage zu tun fei. Daß er beim Aber es ging alles durch ihn hindurch, was et hörte, als sei er ein Hohlraum. Es verließ ihn wieder. Er konnte es nicht halten. Die Wahr­

heit hatte er schon geſagt, einige Male; Die Autodafé

glaubte man ihm nicht. Nun forderte dieser Mann, der es offenbar ehrlich meinte, er solle irgend etivas anderes sagen, das man ihm glau­ben fönnte. Und dann würde alles gut sein.

ernit

Makanſki gehörte zu den Menschen, die auch das Peinlichste und Heikelste unbefangen sagen können, wenn es sich als notwendig er­weist. So hatte er denn erzählt, daß seine Frau, mit der er schon eine Reihe von Jahren ver­heiratet war, ihn sehr verwundert abwehrte, wenn er zärtlich oder gar feurig wie vor der Hochzeit oder in den ersten Ehemonaten wer­den wollte. Wenn sie sich nicht nachsichtig über­wand, zeigte sie offen, daß es ihr deplaciert erscheine. Kühle, gewohnte Umarmungen fand sie diesem Stadium der Ehebeziehungen ange­messen. Gemeinsam die Sorgen tragen, den Wohlstand erhalten und mehren, kurz und abgeklärt als Freunde das Leben teilen, war nun ihre natürliche Bestimmung. Da gab es an jenem Abend, als er aus dem Büro heim­Tam, plöblich eine Katastrophe. Die Frau war fort. Auf einem Bettel standen nur die Worte: ,, Die Katti ist guter Hoffnung." Katti, das war das Dienstmädchen, ein hübsches, junges Ding, dessen ungewöhnliche Tüchtigkeit und übereifrige Zuvorkommenheit ihm längst ein wenig unheim­lich gewesen war. Er ging in die Küche hinaus. Dort saß das Mädchen und weinte. Sie blieb auch ihm gegenüber bei der Behauptung, er sei der Vater des Kindes, das sie erwarte. Ganz ruhig und gelassen sah sie ihm dabei in die Augen.

Ja, aber Er schüttelte, zunächst noch eiwas belustigt, den Kopf. Auch sie lächelte. Was könne ihm denn so viel daran liegen? meinte sie. Er brauche nur das Geld herzugeben, damit sie das Kind loswerden könne und alles sei wieder in Ordnung. Sie könne sich das Geld auf andere Weise nicht beschaffen. Ihm aber mache doch ein solcher Betrag nichts aus!

Vergebens versuchte er ihr zu erklären, daß sie durch diese Finte, die ihr vielleicht ihr Geliebter eingegeben habe, sein Leben, seine Ehe zerstören fönne. Wenn sie seine Frau oder ihn

1536:

Zündet an

die lodernden Flammen auf dem Platz von Badajoz , bringt die Keher

aus dem Turme

vor die Kirch' von Badajoz . König Philipp steht als Säule

auf dem Erker von Badajoz . König Philipp

will euch segnen,

hört's, ihr Bürger von Badajoz . Seht die Freiheit

dort verrauchen

auf dem Platz von Badajozl 1936:

Zündet an

die lodernden Flammen auf dem Platz von Badajoz . Legt zu Haufen

tote Proleten

vor der Kirch' von Badajoz . Mammons Sendlinge find gekommen,

hört's, ihr Toten von Badajoz . König Philipp

läßt euch segnen,

hört's, ihr Henker von Badajoz . König Philipp

ist auferstanden, hallt's durch die Straßen von Badajoz . König Philipp

wütet im Norden,

hört's, ihr Toten von Badajoz .

Kämpft, ihr Menschen

auf der Erde,

kämpft um euer Badajoz . Sorgt, daß nie mehr Menschen brennen

auf dem Play von Badajoz !

Karl Johanne 8. ( Aus einer Gedichtsammlung Spanten").

Das weiße Licht der Tischlampe fiel auf die gepflegten, ettvas plumpen Hände des Untersuchungsrichterz. Die Wanduhr hinter ihm tidte unerträglich laut. Er war fein guter Mensch, aber vielleicht ein guter Untersuchungs­richter. Er hielt es nicht für zweckmäßig, Ma­fansti zu berichten, daß man endlich den Liehs haber des Mädchens ausfindig gemacht hatte, einen wegen feiner Gewalttätigkeit berüchtigten Fleischergesellen und daß die vorgefundenen schmußigen Fingerabdrücke an verschiedenen Gegenständen in der Küche zumindest dessen Anwesenheit an diesem Abend äußerst wahrs scheinlich machten.

Nun?" fragte der Richter, als die Pause fich allzu lange hinzog und Makanski immer noch stumm, bornübergeneigt dasaß, und kein Zeichen des Interesses von sich gab. ,, Sie müs­sen doch zugeben, daß Ihre Frau irgendwelche Anhaltspunkte für ihren Verdacht gehabt haben. muß, wenn sie der Bezichtigung des Mädchen sogleich vollen Glauben schenkte, ohne nur über­haupt Ihre Verteidigung abzutvarten.".

Ueber Makanstis Gesicht ging ein Aufleuch ten der Befreiung. Er begann ettvas zu faffen. Was ihn so sehr niedergedrückt hatte, war das quälend Sinnlose an dem ganzen Fall gewesen Tollpatschig hatte ein blöder Zufall sein Leben, das in ruhigem, ernſten Streben nicht ohne Opfer und Mühen aufgebaute, zerstampft. Der irrsinnig grinsende Stumpffinn des Ge­schehens war ihm unerträglich gewesen und hatte alle seine Willenskraft gelähmt. Jegt wurde plötzlich doch so etwas wie ein uriächlicher Zusammenhang, wie eine Schuld erkennbar. Nicht die Schuld eines Menschen, aber die Schuld eines Begriffs, eines sittlichen Erzie Gungsergebnisses, einer gesellschaftlich verein­barten Vorspiegelung. Warum hatte seine Frau dem Mädchen geglaubt? Weil seine fnabenbafie Sehnsucht nach Verliebtheit, sein Zärtlichkeits­verlangen noch ganz so da war wie ehedem, als sie es noch erwiderte. Sie fühlte sich betrogen und in ihrer tiefsten Seele beleidigt, als fre bachte, daß er es einer anderen zuivende, obs