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Max Barth:

Der tägliche Schwindel

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Wenn man den Gesamtumfaß der ameri­fanischen Rackets" der Organisationen, die durch Drohung oder Schwindel( cft nach sehr gescheit ausgedachten, komplizierten Systemen) dem Publikum das Geld aus der Taſche zie­ben mit einiger Vollständigkeit berechnen könnte, würde man wahrscheinlich finden, daß er einen sehr wesentlichen Bestandteil des ameri­tanischen Wirtschaftslebens ausmacht. Auf alle Fälle ist er so bedeutend, daß man schon vor einem Vierteljahrhundert es für nötig und ren­tabel gehalten hat, eine Organisation zu grün­den, die fich die Bekämpfung dieser Schwindel­gesellschaften zur Aufgabe gemacht hat. Ihr erstes Büro entstand in   Minneapolis. Heute gibt es in   USA und   Kanada im ganzen 53 folcher Stellen. Sie sind von den Gemeinden den aber zusammen einen Nationalverband. Sie eingerichtet, als kommunale Inſtitutionen, bil­haben ein Heer von Helfern und eine ausge­zeichnete Kartother der Schwindelunternehmun­tattoeht ein Geſchäft vorgeschlagen wird, dem er nicht ganz traut, braucht er nur das nächste dieser Büros anzurufen oder ihm zu schreiben. Es stellt dann, indem es sich mit der Zentrale in Verbindung feßt, fest, ob die Sache faul ist, sofern es nicht schon auf Grund seiner eigenen Kartothek Auskunft geben kann. Wird in einer Stadt eine neue Betrügergruppe oder eine neue Beirugsmethode festgestellt, so gehen die Informationen natürlich über die New Yorker Zentrale fofort an alle anderen Büros. Das ganze läuft unter der Bezeich nung Better Busineß Bureau", auf   deutsch: Besseres Geschäfts- Bureau", alſo Bureau, das einem rät, ein besseres Geschäft zu machen, als man vorhat. Was nur insofern stimmt, als das Büro einen zwar vor dem vorgeschlagenen schlechteren Geschäft warnt, aber feine Rat­schläge für andere Unternehmungen und keine Firmenempfehlungen gibt. Im Jahre 1935 haben 300.000 Menschen die Dienste des Büros in Anspruch genommen.

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Die Geschäftsleute haben den Nutzen die fer Einrichtung längst erkannt und holen in Zweifelsfällen beim B. B. B. Erkundigungen ein. Aber es gibt auch zahllose Rackets, die auf bescheidener Stufe aufgebaut sind oder doch scheinen als die großen Systeme, die Goldminen im Mond oder fruchtbarer Lände­reien in der Sandwüste oder Grassteppe an den Mann zu bringen trachten. Das sind die jenigen, die sich direkt an den Konsumenten, und zwar in der Hauptsache an die Hausfrau wenden. Wie in allen Ländern sind die meis sten Hausierer arme Teufel, die sich mühselig abschleppen, um einen fargen Taglohn zu ernten; aber in den Vereinigten   Staaten ist der Prozentsatz derer, die oft auf fremde Rech­nung die Hausiererei nur betreiben, um von Haus zu Haus in kleinen Beträgen große Sum= men zusammenzufraßen und dafür nichts oder Schund zu liefern, weit größer als anderswo. Vorkommen tut diese Sorte natürlich überall; und manche der   amerikanischen Trics werden von ihr auch in   Europa angewendet.

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Einer der verbreitetsten und einfachsten Trids ist der mit dem abwesenden Nachbar. An die Tür kommt ein Bote von der Firma Sound: jo, um ein Pafet abzuliefern, für das er 1 bis 10 Dollars zu bekommen hat. Leider ist der Nachbar oder die Nachbarin, für die es be­stimmt ist, gerade nicht zu Hause. Die heraus­geflingelte Hausfrau will natürlich dem oder der Anwesenden einen Gefallen tun; sie nimmt das Paket an und zahlt das Geld. Wenn der Nachbar nach Hause kommt, stellt sich heraus, daß er von niemand ein derartiges Patet er­wartet; man öffnet es und findet darin cine!

Büchse Haferfloden, eine Flasche Wasser oder einfach eine zuſammengefaltete Zeitung. Der Bote ist inzwischen fleißig seiner Arbeit nach gegangen, d. h. er hat von der nächsten Tele­vhonſtelle aus nach dem Telephonbuch die Leute in den Häusern der Straße, die er jeweilig be­arbeitet, angerufen und auf diese Weise festge­ftellt, wer nicht zu Hauſe iſt. Er arbeitet sich auf diese Weise brav durch die Kleine Stadt durch und fährt nach einigen Stunden auf Nimmerwiedersehen ab ,, um am nächsten Tag die nächste zu beadern.

Sehr beliebt auch in   Europa ist der möglichst heimlich durchgeführte Verkauf angeb­lich geschmuggelter oder gestohlener Waren. Jm Heinen benußen zum Beiſpiel die Pariser Postkartenverkäufer den Trick. Sie flüstern Karten, lassen das eingewickelte Baket für einen Ausländern zu, fie hätten pornographische Augenblick sehen, stecken es unter besorgtem Umherſchauen wieder ein und drängen den Fremden, sich rasch zu entſchließen, da die Po­lizei nichts merken dürfe. Wer kauft, findet dann ein paar miserabel gedruckte allegorische Bilder, auf denen eine Figur in langwallenden Ges wändern, aber mit nadten Beinen oder einer halbentblößten Bruſt zu sehen ist. Darunter steht: Benus" oder   Aphrodite oder Die Jugend" oder sonst was Poetisches.

Und selbst bei uns passiert es einem, daß man, ganz nach amerikanischem Muster, auf der Straße von einem Mann im Auto( oder, bescheidener, wie 23 bei meiner einzigen der artigen Prager Erfahrung der Fall war: bon einem Fußgänger) durch ein Pſt!" angerufen und flüsternd informiert wird, daß man, falls man schnell zugreift, ein gutes Geschäft machen kann. Geschmuggelt oder gestohlen das zieht bei vielen. Sie find bereit, den Verkäufer, der sich durch sein Geständnis in ihre Hand gibt, tüchtig auszunuben und ihm die goldene Uhr für einen Schandpreis abzunehmen. Der Mann hat ja teine Wahl: lieber wird er mit wenig zufrieden sein, als warten, bis ihn die Polizei faßt. In Wirklichkeit macht er auch bei dem Schandpreis noch ein gutes Geſchäft; denn die goldene Uhr ist billiges Zeug und keineswegs gestohlen, sondern gerade für die Dummen, die auf ihn hereinfallen, im Massenbetrieb herge­stellt. Besonders beliebt ist in   Amerika der Verkauf von Fuchspelzen aus dem nördlichen  Kanada, geschmuggelier" Ware natürlich. Die Pelze stammen in Wirklichkeit von Tibetläm= mern, deren wolliges Haar durch bestimmte Verfahren geglättet werden kann, so daß es wie Fuchs aussieht. Nach dem ersten Regen kräu­felt es sich munter, wie es das früher gewohnt war; mit dem Fuchs ist's aus.

Auf der Fahrt... Vorüberfahrend sieht man alle Dinge Ganz anders an und etwas ungewohnt- und manches ficht man, das sich gar nicht lohnt und doch ist es, als ob es etwas bringe. Es ist ganz anders so als wenn man ginge! Die Häuser scheinen dünn und unbewohnt Und irgendwo, von unser'm Blick verschont, Erkennt man eines nur mehr am Rauch­

geringe.

Dann kommen grüne Wiesen, braune Felder und hier und da dünkt uns das ganze älter, Dann wieder Kinderjung und unvollendet. In den Stationen trampshaftes Bewegen Und plötzlich, nebelgrau, ein dünner Regen Dann ist es so, als ob es niemals endet.

Inge Faller- Breinersdorf.

Auch nicht ganz fremd ist uns Europäern das Gutscheinsystem. Es wird besonders in der sozusagen Dauerwellenindustrie angewendet, und ist relativ harmlos, da es fich nur um fleine Beträge handelt, die der Hausfrau vers Toren gehen. Es ist rechtlich nicht einmal ein richtiger Schwindel. Ein Mann kommt und bietet einen Gutschein für 50 Cents an. Der Schein gibt der Käuferin den Anspruch, fich in dem und dem Geschäft einmal die Haare dauerwellen zu laſſen. Wenn sie mit dem Gute schein im Frifiersalon anlangt, erfährt sie, daß zwar die Arbeit, die Anlegung der Wellen, nichts weiter kostet, daß sie aber für die zu verwen denden Materialien- Del, Shampoon usw. 2 bis 5 Dollars zahlen muß. Hat sie sich Wellen machen lassen, so sind sie nicht viel oder nicht billiger gekommen, als wenn sie keinen Gutschein gehabt hätte. hat sie vor der Behandlung ges fragt, so tann loren, mit denen der Werber abgezogen iſt. beitt richten sie auf die Ausführung der Ar­und hat nur die 50 Cents ver Dieser Trid ist eigentlich nur eine falsche R flame. Die pfiffigen Friseure, die auf diese Weiſe Kundinnen, emloden wollen, geben ign meistens bald wieder auf, weil er das Publis fum wütend macht und ihnen schadet statt nüßt.

Viele dieser Schwindeleien gehen übers haupt nicht von denen aus, die sie ausführen, sondern von den Firmen, die eine Anzahl Ar­beitslose anwerben und auf Tour schiden. So bat eine sehr bekannte Aluminiumfirma ibre Verkäufer in folgendem Trick geschult: Der Mann flingelt an der Tür. Die Hausfrau öff net. Der Mann bietet ihr eine kostenlose Probe einer angeblich besonders guten Kaffezforte an und bittet sie, die Hand hinzuhalten. Er schüttet ihr in die hohle Hand aus einer kleinen Flasche ein häufchen gemahlenen Kaffee, bittet ie dann, die Flasche einen Moment zu halten. Die Frau nimmt in die andere Hand die Flasche, und da fie den Verkäufer nun nicht mehr aus rückhalten tann, tritt er schleunigst ins Haus und rennt sofort in die Küche. Wenn die Frau ihm nachtommt, beginnt er auf sie einzureden, und es ist ihr schwer, ihn loszuwerden, ohne etwas zu bestellen.

Eine Staubsaugerfirma verlangte von ihren Verkäufern, daß sie behaupteten, Ber­treter eines staatlichen Mottenvertilgungs­institutes zu sein, um in die Wohnung einges lassen zu werden, wo man sie nicht einfach durch Buschlagen der Tür loswerden konnte. Verleger hieß seine Verkäuferinnen, sich als Lehrerinnen auszugeben.

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Bei den erwähnten Firmen handelt es sich nicht etwa um Winkelunternehmungen, sondern um prominente Häuser. Die Unannehmlich feiten dieser Schwindelmethoden trägt natürlich der arme Teufel, der glaubt, aus dem Elend der Arbeitslosigkeit herauszukommen, indem er tagsaus und ein fich müde läuft, an Türen Klopft, Türen vor der Nase zugeschlagen be­kommt, sich von rabiaten Frauen beschimpfen läßt, da, wo man ihn anhört, nach endlosem Neden doch ohne Auftrag fortgefchickt wird nito. wird er gar beim Schwindel ertappt, kommi er unter Umständen für den angesehenen Herrn Firmeninhaber noch mit der Polizei in Ston flift. Diese bedauernswerten Menschen, die glaubten, durch ihre Kommission" auf einen grünen Zweig tommen zu können, halten dann auch meistens nicht lange aus: der Durchschnitt gibi es nach einem Monat auf, und an die Stelle der Ausscheidenden treten andere hoff­nungsvolle Notleidende, bis sie vier Wochen später gleichfalls die Sache und die Hoffnung

wenigstens diese Hoffnung an den Nagel hängen. Aber zum Glück für die Herren Firmenchefs baben die Vereinigten   Staaten immer noch zwölf Millionen Arbeitslose: Ersatz ist also einstweilen fein Mangel.

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