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BUNTE WELT

Nr. 19

Unterhaltungsbeilage

Die Treue des Herrn Schrader

Es hat sich alles so zugetragen, wie ich es hier aufſchreibe, und ich will auch nicht eine Silbe hinzufügen, damit mich keiner einen Lüg­ner heißen kann.

Es ist der Hieronymus Schrader in unsere Kleine Stadt gekommen und kam in Begleitung einer Frauensperson, die viele für seine Nichte gehalten haben, während etliche gar meinten, sie könne auch seine Entelin sein. Tatsache ist gewe­sen, daß selbige Frauensperson, Hilda geheißen, rechtmäßig angetraute Gattin des erwähnten Hieronymus Schrader gewesen, wie solches aus den eingesehenen Papieren hervorgegangen ist. Beſagte Hilda Schrader glich einem Bild: dieſes belannten italienischen Malers, dieſes gewissen Tizian  ; so daß man wohl zu erkennen bermag. daß sie neben Hieronymus Schrader, der ausge­wachſen war, der außer seinen schönen Augen überhaupt keine Sonderheiten aufzuweisen hatte, daß ſie neben dieſem als Entelin erscheinen

mußte.

Von Johannes Foerster

denn? Wann ist sie weggegangen? Sie spricht: Vor zivei Stunden. Vor zwei Stunden, wieder­hole ich und laufe hinauf in ihr Zimmer. Das Zimmer ist leer, sie hat ihren Koffer gepact und ist fort.

Herr Ratsschreiber! Eagen Sie doch selbst, sie kann doch nicht fortgegangen sein. Das tann sie doch nicht tun. Da möchte das alles umsonst sein, mein Buch und alles, was ich dente. Sehen Sie, und das kann doch nicht sein. Ich habe es ihr doch gesagt!"

Ich habe ihn nicht mehr ansehen können, ich habe den brennenden Blick dieses Menschen nicht ausgehalten. Also hat er gesprochen: Sie glauben es also auch. Sie war doch so schön. Sie war unwirklich schön. Ich habe Angst um sie gehabt! Das ist nicht möglich! Das kann doch nicht sein. Sie ist nicht eine, die wegläuft. Sie stiehlt sich nicht weg. So eine ist sie nicht. Warum soll jie gegangen sein? Ich bin keine Schönheit, Herr, das weiß ich am besten. Aber wenn sie das getan hätte, dann müßte ich etwas tun, damit sie wieder treu ist. Was, mein Herr? Das ist mein Geheimnis!"

Am 14. Juli 17.., das war genau ein halbes Jahr nach ihrem Einzug in die Stadt, geschah es, daß Hieronymus feststellen mußte, daß seine Frau verschwunden war. Ich kann Ich habe versucht, ihm auseinanderzusetzen, mich genau an den Tag erinnern. Es war sofern mir solches zu sagen verlaubt sei, daß ein paar Tage gar arg schwül gewesen. Am der Altersunterschied wahrscheinlich nicht gut Wittag des 14. Juli begann sich der Himmel getan hätte, daß hier Dinge der Natur eine plößlich zu umziehen. Wir saßen auf der Rais- Rolle spielten, über die wir keine Gewalt hät stube und unsere Federn trakten   gar langsam ten. Bomit ich sagen tvollte, daß die Frau Hilda über das Papier, da entlud sich ein Donner- wohl schuldig sein könne, aber doch eben mit wetter über unserer Stadt, wie es wenige er- Einschränkung. lebt haben. Es war stockdunkel, so daß wir ge­

zivungen waren, die Federn niederzulegen. Die Blize erhellten das Zimmer unaufhörlich. Der Donner fnatterte ununterbrochen. Zu dieser Stunde, da kein Mensch es wagen würde, eine Laus auf die Straße zu sehen, wurde plötzlich die Tür aufgerissen. Ich vermeinte fürs erste, daß selbes der Sturm getan habe. Beim Auf­leuchten des Blizes sah ich, und mit mir meine beiden Herren Kollega  , die es bezeugen können, daß die Tür von dem besagten Hieronymus Schrader aufgetan worden war. Und sah der­felbe aus, wie ein Gespenst. Das weiße Haar flebte an seiner Stirn, sein Gesicht war naß, wie seine Meidung.

Sein Mund zitterte, als er zu sprechen be= gann: Herr Ratsschreiber! Meine Frau!"

Er strich mit der Hand durch die Luft, als wäre Schrader schüttelte dazu den Kopf: Nein!" damit alles, was ihn in seinen Anschauungen behindern tönnte, beseitigt.

Das Gewitter hatte unter dem nachgelassen, der Regenguß aufgehört. Vor mir stand der alte Herr und starrte an die Wand und hatte die ganze Welt vergessen. Ich wollte ihn gerade befragen, was er also in dieser Angelegenheit zu unternehmen gedächte, als sich die Tür auf­tat, die von des jungen Ratsherrn Niemeiers Wohnung zu uns herüberführt, und der Nate­herr in Begleitung einer Dame eintrat, die ich mit großem Schrecken als die Hilda Schrader erkennen mußte.

Als sie den Mann in unserer Stube er kannten, blieben sie wie angewurzelt stehen. Beide waren in Reisekleidung, und der Ertra­vostivagen, der sie fortbringen sollte, ist auch schon unten gestanden.

Das war ein Hilfeschrei. Dabei sahen mich die Augen des Unglücklichen an, daß ich meinte, er müsse in mich schauen, als müsse er erkennen, was ich dachte: Also davongelaufen, Hieronymus Schrader hat die beiden an­wie schon lange zu vermuten war. Er trat dicht gesehen und wiederholt gejagt: Nein! Das ist an mich heran: ,, Herr Ratsschreiber! Ich kenne nicht denkbar." Schließlich hat es die Hilda feinen Menschen in der Stadt, als fie. Deshalb Schrader nicht mehr ausgehalien, sie ist zu dem Tomme ich zu Ihnen. Ich weiß ja nicht mehr, Unglücklichen getreten und hat also gesprochen: was ich tun soll. Hilda war heute früh beim Es ist ja denkbar!" ,, Nein, das ist es nicht! Frühstück noch im Haus. Ich ging dann in mein Du hast die Treue vergessen." ,, Treue? Ich Arbeitszimmer. Wissen Sie, ich schreibe ein bin doch ein Mensch!" Du hast die Treue Buch über die Treue. Daß die Treue etwas Un- vergessen. Ein Mensch muß treu sein!" Hier bedingtes ist, verstehen Sie. Es wird Mittag. hat der Alte schon geschrien. Du hast mich Die Magd tommt und sagt: Die Frau ist nicht gehalten, wie man ein fostbares Tier bält. im Hause. Bann soll ich zu Tisch geben? Ich Man gibt ihm das beste Futter. Man schützt frage: Die Frau, nicht zu Haus? Wo ist sie es vor jedem Luftzug. Man hüllt es in warme

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Decken. Ich bin doch kein kostbares Tier, ich bin doch ein Mensch!" hat die Frau ausgerufen, und sie war von einer wilden Verzweiflung ges packt. Der Alte hat halsstarrig den Kopf ge= schüttelt: Ich habe dich nicht gekauft. Du bist freiwillig zu mir gekommen. Du hast gesagt, daß du bei mir bleiben wolltest. Da formte sich mir das, was ich fühlte. In diesem schönen Menschen ist die Treue! Ich will an die Treue glauben! Du! Hörst du?" Hieronymus hat die Frau an den Handgelenken gepadt, als tönne er so sein Ideal halten. Der Ratsherr Niemeier wollte dem unwürdigen Zuſtand ein Ende Diese Worte haben den Alten zu einem grellen machen: Ich werde Ihnen Genugtuung geben."

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Lachen veranlaßt: Genugtuung? Die können Sie mir geben. Sie werden sie erhalten!" Die Frau hat entsezt aufgeschrien: Nicht mit Piſto­Ten!" Doch mit Piſtolen", hat ihr Mann raſch gesprochen. Ich habe mich höchlichst verwun dert, daß ein so fluger Mensch wie der Herr Schrader so leichtsinnig sein Leben aufs Spiel feben könne. Schließlich wird mit einem Duell weder etwas geklärt, noch einem Menschen ges holfen, es sei denn, daß ihm vom Leben gehol­fen wird.

Die Hilda Schrader hat aber ganz genau geivußt, daß ihr Mann ein vorzüglicher Meister­ſchüße war. Sie hat gebeten und gefleht, er hat ihr nur geantivortet: Wir beide werden uns später sprechen."

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Es ist also am folgenden Tage geschehen, hat laſſen müſſen. daß der junge Ratsherr Niemeier sein Leben

Bwei Stunden danach ist besagter, des öfteren erivähnter Hieronymus Schrader ge­fommen. Er trug einen Anzug aus feinstem Tuch mit kostbaren Spizen besetzt. Schreiben Sie, Herr Ratsschreiber! Ich, Hieronymus Schrader, habe am 15. Juli 17., nachdem ich in einem Duell den Ratsherrn Niemeier ge­tötet habe, mit einem Dolch meine Ehefrau um­gebracht, um sie solchermaßen zur Treue zu ver­halten." Hierauf hat er ein wildes Gelächter angeſtimmt, daß wir sofort einen Wachmann herbeigerufen haben, da wir erkannten, daß dies ser alte Herr den Verstand verloren hatte. Als er überwältigt wurde, hat er geschrien: Und mein Buch über die Treue, ist das nichts? Ist das nichts, daß sie mein Buch über die Treue zerstört hat?"

Nachschrift des Historienschreibers: Es hätte sich diese ganze Geschichte durchaus unblu­tig lösen lassen, wie denn überhaupt eine spä= tere Zeit, sagen wir um 19.., nur noch unblus tige Lösungen finden wird, da die Menschheit unaufhaltsam vorwärts schreitet und sodann eine solche hohe Lebensauijajjung haben wird, daß derartige Dinge unmöglich gemacht sind. Wer gibt einem die Ebre und die Treue wieder, wenn man Menschen tötet?

Am 3. August 17..

Name unleserlich. Natsschreiber.