BUNTE WELT

Nr. 24

Wera Inber :

Unterhaltungsbeilage

Die elektrische Birne

Unser Moskau ist groß und reich, aber auch| Augen. Seine Beine werden schwächer und der die Ordnung hier ist groß und dadurch wird junge lustige Mond schneidet ihm Gesichter wie einem das Leben hier unmöglich. Dafür eine alte Here. spricht schon die Tatsache, daß an den Bahn­höfen überhaupt und am Brianstibahnhof ins­besondere eine Kontrolle beim Ausgang steht und verlangt, die Fahrkarten vorzuzeigen.

,, Es ist nicht mehr so weit", redet fich Georg S. ein. Jeßt bin ich schon zwei Haus nummern vorübergegangen. Ich kaufe mir dann Brot und Zigaretten und leg mich bei ihm Keine leichte Sache, ein blinder Passagier irgendwo nieder." Allmählich nähert er sich der zu sein! Ganze Kilometer lang herumstehen in langerſehnten Hausnummer. Die Beine Ge­den Korridoren und in den Toiletten der Züge, orgs aber benehmen sich empörend! Sie sabotie­sich ein gleichgültig- freies Aussehen geben, währen einfach und plöblich bleiben sie überhaupt rend man in Wirklichkeit ein blinder Passagier steden, stoßen an irgend einen in Begleitung ist das alles hat man nun hinter sich. Die einer Dame vorübergehenden Bürger und brin­ersehnte Stadt schwimmt einem entgegen: Auf gen ihn zum Fallen. der einen Seite der Sonnenuntergang, auf der ,, Erlauben Sie!" schreit der Bürger, indem anderen der Mond und dazwischen der Früher fich von der Erde erhebt. Sie wollen wahr­ling. Sogar die letzte Kontrolle hat man endlich ſcheinlich in der Zeitung unter der Rubrik: Bo­hinter sich. Daz anständige Publikum, das mit für man sie beſtraft' figurieren? Bitte, Genoffe den Fahrkarten, reißt im Gedränge den blinden Baffant, Zeuge dieser empörenden Aufführung Passagier mit sich und trägt ihn bis auf dem zu sein!" Bahnsteig hinaus.

In der Tasche hat man keinen Heller, im Magen fein Krümchen, im Gedächtnis die Adresse eines Mannes, der einem zweiundzivan zig Rubel schuldet, ein Betrag, der groß genug ist, um damit ein neues Leben beginnen zu

können.

Der blinde Passagier ist ziemlich auffällig. Seine Hosen glänzen wie Seide, das Hemd ist Töcherig wie Spizen und der Hut, der ist über baupt nicht da. Der Mann hat ganz glattes Haar, in welchen so ettvas wie Frechheit liegt. Ein Gewerkschaftsbüchel besißt er nicht, aber auf dem ersten Blatt seines Notizbuches kann man fein Pseudonym ,, Georg S." eingetragen finden. Seinen wirklichen Namen weiß niemand, es sei

denn die Behörde, die ihn so lange und so gut

betvacht eingesperrt hielt.

Der Genosse Passant tritt dicht an Georg S. heran und sagt ruhig: Schau, daß du wei­terkommst!" Und fich an den Bürger mit der Dame wendend, stellt er fest: ,, Hat feine Augen! Sicher hat man ihm das Geld in der Elektrischen und tvadelt er!" weggestohlen bor lauter Kummer

1937

,, Ist Morkownikow zu Hause?" fragt Ges org S., kaum das Zittern seiner Stimme be= herrschend. Kann man den Morkownikow sehen? Sollte er schon im Bett liegen, macht nichts, weden Sie ihn nur!"

Aus der Türspalte kommt dumpf und zus sammengepreßt die Antwort: ,, Er liegt nicht, er sitzt... in der GPU ..." Und die Tür schnallt zu.

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Auf der ruhigen, hellen Stiege bleibt Ges org S. allein. Er vergißt ganz sein Verspre­chen, Kinder zu lieben und fremdes Eigentum zu achten. Jetzt sucht er eifrig mit den Augen, was er denn stehlen könnte. Er muß gleich Brot haben, an Zigaretten ist nicht mehr zu denken,- Brot muß er aber haben... Gerade vor seinen Augen über einer der Türen brennt eine elet­trische Lampe. Georgs Augen werden unruhig. Die Birne ist nicht durch ein Metallnek geschütt und es würde ihm keine große Mühe kosten, sie einfach herauszudrehen, um sie gleich in der Nähe in einer dunklen Krambude gegen das Nötigste, was der Magen verlangt, umzu­tauschen.

Georg S. macht einen Schritt in der Rich­tung zur Birne- aber plötzlich bemerkt er über der Lampe eine fühle Aufschrift, von der es ihm aber ganz heiß wird: Die Birne iſt angelötet..."

Georg S. läßt man laufen. Er weiß es selbst nicht, wie er bis zur entsprechenden Hausnummer gelangt. Die Hausstiege ist hell beleuchtet und ihre Stufen sind wirkliche Stu- Band. Er hat eine so freie, nachläſſige Miene, Georg S. lehnt mit dem Rüden an der fen, die zum Erdenglück führen. Da ist die Woh- als ob er auf sein geliebtes Mädchen warte, nung schon, hier die Türe, hinter der ihm der oder aber, ale hätte er sich nur daran zu er Freund und zwveiundzwanzig Rubel erivarten. innern, in welcher Schublade seines Schreiba Georg S. drückt auf die Glocke. Er läutet nichttisches er ſeine Brieftasche vergeſſen hat. ein- und nicht zweimal,

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er läutet andau­

ernd. Gleich wie der Taube hört er sich selbst nicht. Endlich vernimmt er Geräusche von Schritten hinter der Tür. Die Tür öffnet sich, nur an der vorhängenden Kette und in der Tür­öffnung sind nur ein Auge und eine Nase zu sehen.

Nun ist er frei. Die Hände in den Hosen­taschen, betrachtet er die Welt mit unruhigen grünen Augen. Während er die Boulevards durchstreift, füßt der junge Mond durch das Laub seinen glatten, rötlichen Kopf. Georg S., E die Augen zusammenkneifend, schaut nach dem Mond und denkt: Ich übernachte bei ihm. Ab morgen beginnt ein neues Leben. Ich werde mich

in Stüde reißen, aber Arbeit muß ich finden.

Ich fann vieles. Ich fann elektrisches Licht ein­führen, kann Fabrikarbeiterlieder machen, kann eine Beitung umbrechen und kann auch Waffeln backen. Aber was ich auch beginnen sollte, ich will es tadellos machen. Ich werde von nun an ehrlich sein. Ich werde gut sein zu den Kindern und streng zu den Frauen und nicht umgefehrt, wie ich es bis jetzt getan habe. Ich will ein schönes Leben führen und so wird mich zu meinem Tode der Komchos wie ein würdiges Mitglied der Gesellschaft beerdigen Taſſen und auf meinem Grabe werden Krokusse wachsen, die für das Vieh zwar giftig, aber dem Auge angenehm find.

S. gebt immer weiter und weiter und unterhält sich selbst. Aber der Ring der Gärten nimmt kein Ende und allmählich, vor Müdig­feit und Hunger, schwimmen ihm Ringe vor den

Der Tod

des jungen Mädchens

Ihre verfrühten Kinderbrüste regte Kein Atem mehr und in dem steilen Kiffen Lag ihr Gesicht. Ein seltsam reifes Wissen Spielt um den Mund, der sich nicht mehr

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bewegte.

und in den hochgezog'nen Brauen lag Ein schmerzlich Staunen und ein Nichtbegreifen. Auf ihrer unvollkomm'nen, noch nicht reifen Gewölbten Stirne spiegelt sich der Tag. und ihre schmalen Kinderhände runden starr auf der Decke. Etwas ungeſchickt um einen weißen Rosenstrauch gefügt- So liegt fie da in peinvoll langen Stunden. und viele Blumen bringt man ihr und weint und kann nicht faſſen, daß die Sonne scheint-

Juge Faller Breinersdorf.

Er sieht so harmlos aus, daß die Leute, die

die Stiege hinaufgehen, ihn einfach nicht bes merken und unbekümmert ihre Gespräche weis terführen.

Und diese Gespräche sind verschiedenartig: ,, Die Fische taugen heuer gar nichts". meint besorgt die eine Frau zu der anderen. ,, sie sind bitter und der Roggen zerfällt wie Naphthalin. Ich kaufe sie nicht einmal mehr."

Bot... fällt hinter ihnen die Tür zu. ,, Die Birne ist angelötet", denkt Georg S. ,, Das Ballett ist eine unproletarische Kunst", sagt ein Junge in Kappe zu zwei Mäd­chen; die eine ist rothaarig, die andere schwarz­haarig... Was habe ich davon, daß die Beine sich meisterhaft bewegen, wenn ich darin doch keine Seele finde!"

,, Es gibt keine Seele", anttvoriet zart die Rote. ,, Es gibt nur ein Herz."

3ok... fällt die Tür zu. ,, Die Birne ist doch angelötet", denkt Georg S.

Von unten herauf ertönt plöblich eine Eifersuchtsszene. Georg S. fann die Gesichter nicht sehen, er hört nur die Stimmen.

Die Frau ist heftig, der Mann schüchtern. ..Ich habe alles gesehen", verschluckt sich die Frau Gestern haben Sie der Mar­jujjja ein Briefchen in Gladkows 3ement" Hius eingelegt. Worüber konnten Sie ihr schreiben,

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