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Körper reißen konnte. Auf das Feld, neben den Bauern hatte sie sich gestellt, sie hatte nicht geſtöhnt und hatte sich geſchunden- wo für?, wofür? Dafür, daß jezt die andere auf dem Hofe saß? Jm Heu lag? Von jenem Gelde lebte, das fie in zwanzig Jahren ununterbrochener Qualen im Leib erst schaffen half? Denn Berthel war nicht mehr gesund geworden nach ihrer Heldentat. Der Tod nistete in ihr seit jenem Tag. Zwanzig Jahre lang überlistete sie ihn, teuchte sie nachts in die Nissen, unterdrüdte fie den lebenzermürbenden Jammer. Schweißbedeckt wachte fie morgens auf, zwanzig Jahre lang, und ging zu keinem Arzt und schleppte fich dahin. Und einmal wurde es ein wenig.besser, und einma! wurde haupt denn noch? Und dann starb sie dahin. Und die Leute jagten, es sei ein schöner Tod und ein erschütterndes Leben getvesen, aber wofür denn nur, wofür? Für die Annett, die im letzten Dufte dieses Sommers ruhte und diz doch fertig war mit allem, so fertig, daß sie nach einem Jahre Arbeit und in Mühjal heraufgeplagter Freude schon den Kopf verlor? War denn nicht auch Annette eines Bauern Kind, aufgewachsen auf dem Dorf? Hatte sie nicht auch Hoffnungen mitgebracht, sie aus ihrer düfteren Stadt?
Ein Windstoß wirbelte in das Heu, ein erster Vorreiter des nahen Unheils. Annett fuhr auf. Annett fah den Himmel. Die Wiese. Die Wiese Heu. Und Annett vergaß Traunt und Leben, Stimmen und Magen und Müdigkeit— Annett wurde in diesem Augenblick, was fie in einem Jahre und durch die Heirat mit bem Bauern nicht geworden war: Bäuerin.
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Sie lief zum Nachbarn, einen Wagen und ein Pferd zu leihen, denn mit einem Schlage übersah sie alles. Es war zu spät, ins Dorf zurück und auf den eigenen Hof- es war
zu spät——— nein, nein, fie war ja jung und voll gesunder Kraft! Und der Nachbar machte große Augen und ein dummes Geficht, aber er gab sogar seinen Buben her, als die Frau, heiß und fordernd, in hochgepeitschter Angst, in sein Gehöft gelaufen tam. Und die Annett spornte den Jungen und das Pferd und ſich ſelbſt in die vom Donner schon zergrollte Stille vor dem Sturme an. Die Dehmder flogen auf den Wagen, Annettes Arme schwangen auf und ab, fie glühte und fror, aber sie arbeitete, Nur rasch, nur rasch, ehe die WolKentvand näher kam und sich entladen mußte in unstillbarem Regenġuß. Nur rasch, nur rasch, und nun das Pferd noch angetrieben, und nun davon, davon, die Bäuerin Annett, die Beitsche schwingend, die Augen weit und glitzernd aufgetan. Und lauf und mach das Tor auf, Bubl Und schnell und schneller noch und endlich, knapp vor dem prasselnd Klatschenden Wolfenbruch mit allem guten, wunderbaren Heu im Schutz der Trockenheit!
Es dampfte das Pferd, und es lachte der Bub, und die Annett stand da wie nach einem großen Lauf, wie nach einem kühnen Sprung über den Abgrund. Sie war nicht selbst gefprungen, die Annett, fie toußte es, sie hatte ja im Heu gelegen und geschlafen. Das alte Bauernblut in ihr war es gewesen, heiß aufgeschäumt und tatbewußt im Augenblick der Gefahr.
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ieder mit ihr tanzen wollte, geradeso, als sei da etwas gutzumachen an Annett, und als das Dorle lächelte und die Frauen nicht gleich von etwas anderem redeten, wenn die Mühlenhofbäuerin zu ihnen trat, da wußte sie, daß ihrer einen Wiese Heu der Dank dafür gebührte, und fie lächelte, ganz still und ganz bescheiden und sehr, sehr felig in die berauschend sternenklare
Was fam es nun noch auf die Menschen an? Auf Mißgunst, Eifersucht und Klatsch? Sie hatte ihre Pflicht getan, endlich, ohne fich darum zu kümmern, war der darüber denten und jene dazu sagen würden. Eine Wiese Heu. darum zu kümmern, was der darüber denken das ja recht wenig sein. Für die Annett war es genug. Und als am Erntedanktag nach allem Dante, allem Glanze, aller Feier des Abends| Nacht...
Frieden
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eine Utopie?
Von Hella Rohm
J. F.
Es ist Menschenart, Dinge zu komplizieren.| mißgünstig, ohne doch zu beachten, wie oft wir Dann wenigstens, wenn sie zu einfach find, um selbst mit leisem Vorwurf an das Schidial nicht verstanden und durchschaut zu werden und sagen:„ Ja, der X. hat es weit gebracht, wenn man doch nicht an fie glauben will, viel warum habe ich nicht auch solches Glüd!" Auch mehr nicht glauben darf, solange man nicht be- wo es nicht so deutlich wird, in unserer Aners reit ist, von Grund aus umzulernen. Dazu ge- fennung des anderen steht schweigend der Verhört z. B. die Sage von der blutdürftigen Natur gleich; wir sind nicht auf uns selbst bezogen, des Menschen, der, im Kriege groß geworden, fondern auf den anderen, wir messen unsere des Krieges bedarf, um„ Urinstinkte" auszu- Leistung nicht an der eigenen, sondern an der toben, die stärker sein sollen als alle Bindungen, feinen, und selbst nicht an dieser, sondern an die als Schicksal hingestellte Weisheit, es müsse seinem Erfolg. Kriege geben, weil sie vorher waren.
Umdenken, als Trugbild erkennen, was man für unumstößlich gehalten, gehört allerdings zum schwersten, was man er leben kann. Es heißt, sich bankrott er klären, neu anfangen zu denken und zu sehen, oft noch als älterer Mensch. Einen alten Glauben aufgeben, den man für festgefügt gehalten, ist selbst da nicht immer leicht, wo der neue beglüdender ist; es gilt, Bekanntes eintauschen für Unbekanntes, heißt Wagnis, Mut, Neugeburt. und jede Geburt ist eine Erschütterung, ist von
Geburtswehen begleitet.
Müßige Frage, ob unter anderen Umständen Konkurrenzneid, damit auch Machtgelüfte und Herrschsucht der Menschen verschwinden würden; wir müssen rechnen mit. dem, was ist, nicht, was sein sollte oder könnte. Sicher ist, daß man auch mit dem heutigen Ehrgeiz anderes anfangen könnte, als sich in immer verfeinerten Mitteln überbieten, sich gegenseitig totzuschlagen. Sicher auch, daß ber= schiedene Regierungsformen den Machttrieb in verschiedenem Maße anregen, ihn in fruchtbare oder unfruchtbare Bahnen zu lenken fuchen. Sie züchten die Ideale, die sie brau Die Dinge komplizieren, heißt, fie anders chen, und sie müssen an fie glauben, um sie sehen, als sie wirklich find, weil man sie in die- züchten zu können; der Glaube, den Gläubige fem Falle nicht vertreten könnte. So, wenn man schaffen, ist am schwersten zu entlarven und etwa dahinter käme, daß noch so langes Ge- auszurotten. wohnheitsrecht einer schlechten Sache keine Dafeinsberechtigung gibt, oder daß die mensch liche Natur" gar keine Natur, sondern das Ergebnis einer beſtimmten geſellſchaftlichen IdeoLogie ift. Diese ihrerseits ist an die Verschleierung ihrer eigenen Voraussetzungen gebunden; fie kann nur bestehen, solange fie an sich glaubt und kann nur an sich glauben, solange fie fich nicht erkennt. So flammert sie sich an überlebte Ueberlieferungen und hält an ihnen fest, muß fie auch selbst daran zugrunde gehen. Uneindämmbare Urinstinkte mögen sich im Didicht der vorgeschichtlichen Wildnis gut ausgenommen haben; auf dem Asphalt der Großstädte, bei der Begleitmusik der Fabrikfirenen find fie unzeitgemäß.
Nun gibt es allerdings einen Umstand in unserem modernen Gesellschaftsleben, der die ſen„ Urinstinkt“, die Kampflust, das Streben nach Niederwerfung oder Ueberrennung des Nächsten nicht zur Ruhe kommen läßt, ihm immer neue Nahrung zuführt. Der ganze Aufbau unserer Arbeit, der Zuschnitt unseres Lebens beruht auf Konkurrenz, auf dem erhöhten Streben, nicht nur etwas zu sein, sondern mehr zu fein als der andere, ihm zuvorzukommen, ihn zu überstrahlen. Wer hat noch nicht gehört, wie Mütter ihre vorschulpflichtigen Kinder aneifern Und die Annett Tehnte fich, mit einem mit den Worten:„ Schäm dich, du kannſt dich Male schwach und, überwältigt von der raschen nicht allein anziehen, der ein halbes Jahr jünTat, an das zitternde Pferd und klopfte seinen gere Kurt kann es schon." Und später:„ Nimm Hals. Und ihr Herz schlug in jener erdennahen dir ein Beispiel an Liese oder Grete, die nur Seligkeit, in der schon tausend Jahre vorher einen Fehler in der Rechenaufgabe haben, und das Herz jeder Bäuerin schlug, die ihre Ernte du hast drei!" Wenn wir dann erwachsen sind, vor den Wettern glücklich eingebracht genau wundern wir uns, daß die Menschen einander so, wie es tausend Jahre nachher schlagen argwöhnisch beobachten, ob auch der andere nicht zuvorkommt; wir finden dies neidisch,"
wird..
Vor den Machttrieb aber haben die Götter
den Selbſterhaltungstrieb gesetzt. Machtlämpfe find möglich bis zu einer bestimmten Kulturftufe, auf der fie Selbstvernichtung werden, der Taumel eines Wahnsinns, der nur noch Pyrrhusfiege schaffen kann. Die Menschen sehend machen für das, was sie tun, heißt Friedenspropaganda treiben, heißt Abrüstung des Geistes, ohne die es niemals eine materielle geben, wird.
Nach 20 Jahren
Ende Mai traf in England der Sarg mit der Leiche von Mr. J. R. Matinson aus Man chester ein. Er kam zu Schiff aus dem Mittel meer .
Wenige Wochen zuvor hatte sich Mr. Mas inson mit seiner Frau auf die Hochzeitsreiſe begeben und wählte als Ziel u. a. auch Gallipoli, iene Halbinsel bei den Dardanellen, wo er während des Weltkrieges gekämpft hatte. Er war damals bei dem berühmten Landungs- und erlitt einen Herzschuß. manöver dabei Aber er lebte. Die Kugel fezte sich in einer Herzkammer unberrückbar fest, ohne dem Verwundeten ernstliche Schwierigkeiten zu bereiten.
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Doch jetzt, während der Fahrt nach Gallipoli, stellten sich plößlich starke Herzschmerzen ein. Während Makinson seiner Frau die Schlachtfelder erklärte, erlitt er plößlich einen Herzschlag und war tot. Wie die Obduktion des Loten ergab, hatte sich die Kugel gelöst und war nach über 20 Jahren dort zur Todesursache geworden, wo sie einſt auf ihn abge= feuert wurde.