BUNTE WELT

Nr. 32

Guido Reif:

Unterhaltungsbeilage

Das Mädchen Jeanne

Es ist ein Zufall, daß Jeanne denselben Namen führt wie jenes Mädchen, das zur Nationalheldin Frankreichs wurde. Es ist ein Bufall...

Jeanne d'Arc zog mit einem starken Heer durch das französische Land. Der Marich mag nicht bequem getvesen sein. Das Mädchen Jeanne fährt in einem überfüllten Zug, zwischen Weihnachten und Neujahr, mitten unter zu­friedenen Bürgern, deren Sorgen mit jenen um das tägliche Brot erschöpft sind, in einem bolzabteil dritter Klasse, auf ihrem Platz ein­gefeilt, müde und hungrig dem Ziel zu, das der Anfang sein soll.

1937

ein verschneites Frankreich . Vielleicht erzählt dern auch hier, wo das Wort schweigt, wo eine ihr einer der Mitreisenden, als ihr Blid über irrsinnig gewordene Zeit den Irrjinn eines die öde Landschaft gleitet, daß dort drüben, Brudermordes um der Menschlichkeit willen weit hinter den Bergen, Rouen liegt. Biel - zur Sensation der Epoche macht. Keine Kirche der Belt wird Jeanne heilig leicht plappert gerade ein Kind im Waggon von sprechen. Kein berühmter Dichter unserer Tage der Heiligen Johanna, als die schwere Ma­wird über sie ein Wert schreiben, das- Jahr- schine des Zuges, der Jeanne immer weiter von zehnte oder Jahrhunderte später dieselbe zu Hause wegträgt, über die Weichen des Begeisterung bei der Jugend auslösen wird, Bahnhofs von St. Denis poltert. wie zu jener Zeit, zu der es geschrieben wurde, das die Alten an die revolutionären Gedanken erinnern wird, die zu ihrer Jugendzeit in ihrer Brust lebten, um allerdings mit der Jugend zu vergehen und weniger radikalen und auf­regenden Anschauungen Platz zu machen. Kein geistvoller Dichter fünftiger Tage wird sich mit dem Problem der Jeanne von 1937 befassen, die Dinge und Verhältnisse aufdeden, die sie zur Heldin machten und seinen Geist an sie und ihre Umgebung verschivenden. Dazu ist die Jeanne unserer Tage zu gradlinig, dazu fehlt ibr zu sehr das Mythische, das erst die Inspi­ration gibt und jene Basis schafft, auf der Es werden nicht viele Worte gewechselt. Heldinnen vom Schlag der Jeanne d'Arc sich Jeanne steht vor Offizieren der Miliz und er­zu behaupten vermögen. Wer nur auf seine sucht, ins Heer der Kämpfenden eingereiht zu Stimme hört, ter zwiſchen sich und die Um- werden. Unkompliziert wie Jeanne sind die welt nichts stellt als einen klaren Blick, der Menschen, zu denen sie kommt. Man hört ihre eignet sich schlecht zum Dramenhelden. Die Bitte und bewilligt sie. Man begrüßt die Sechs­Seanne von 1937 tut nur dies. Sie ist daher undzwanzigjährige, die jene Stimme, auf die weder befähigt, den Ihren den Glauben an sie hört, nicht nur im Kreise ihrer Freunde Uebernatürliches begreiflich zu machen, noch vermag sie Hühner zum Eierlegen zu bewegen oder Pagen deshalb in Verzückung geraten zu Lassen, weil sie imstande ist, Gott um einen günstigen Wind zu bitten, der die friegerischen Geſchehniſſe ganz beträchtlich zu beeinfluſſen

Jede Fahrt hat ein Ende, so auch diese. Jeannes Ziel ist die spanisch- französische Grenze. Und diese liegt vor ihr.

und Bekannten gelten lassen will, nicht nur in den sicheren vier Wänden ihres Heims, son­

Jeanne ist kein Mädchen mehr. In ihren Händen liegt ein Gewehr. Sie fämpft Schulter an Schulter mit Männern, sie ist nicht nur mutig wie diese, sie übertrifft manchen von ihnen. Weißt du, was dich hier erwartet?" fragt sie jemand. Alles oder nicht?", antwor­iet sie. Und zu Hause," fragt ein anderer, wartet dort niemand auf dich? Vielleicht. Doch ist's dort nicht so dringend." Propeller= lärm ertönt. Zwei Flugzeuge werden sichtbar. Bomben frepieren, unweit, mit dumpfem Knall. Noch stehen die Männer wie gelähmt. Jeanne hat das Gewehr emporgerissen. Der Lauf ist in das schneegraue All gerichtet. Jest naht die erste Maschine. Jeanne schießt- einmal, noch einmal ruhig, sicher, als spien die Vögel über ihr nicht Tod und Verderben aus. Die Männer neben ihr greifen ebenfalls zu den Waffen. Geschüße heulen auf. Hundert Meter vor Jeanne schlägt eine Bombe ein. Behn Schritt weiter vorn greift sich ein Mann an den Hals. Er kann den Blutstrahl, der her­vorquillt, nicht eindämmen. Jeanne schießt; ruhig, sicher, als spien die Vögel über ihr nicht Tod und Verderben aus Es ist Nacht. Leiſe Stimmen sind im Grabengang zu hören. Ein Offizier kommt. ,, Freiwillige!" Viele mel­den sich. Unter ihnen ist Jeanne. Verwunderte Blicke sind auf sie gerichtet. ,, Du bleib", sagt sie zu einem Alten. Du hast Frau und Kind. Ich bin allein." Der Offizier schaut sie an.

lädelt.

berling. Much find die friegetijden Das ewige Lied Die Menschheit wird bei jenen

vermag. Geschehnisse unserer Tage faum von Gott zu beeinflussen. Ein Wechsel des Windes, noch so innig erbeten. wird kein Flugzeug abhalten, seinen Kurs zu verfolgen, wird keine Granate abhalten, ihre Bahn zu ziehen, denn Motore und Flugkrafi sind stärker als manches Element.

Jeanne d'Arc stellte sich und ihre innere Stimme in den Dienst einer Strone. Sie stellte sich in den Dienst eines starken Heeres, denn ..Gott ist mit den starken Bataillonen". Ihre Aufgabe war, für Gott zu fämpfen und seinem Willen zum Sieg zu berhelfen, ein Bemühen, das ibre Zeit nicht verstand und sie just durch die Diener Gottes auf den Scheiterhaufen bringen ließ. Die Jeanne von 1937 steht auch in den Reiben der starken Bataillone. Doch deren Stärke liegt mehr im Glauben an die Gerechtigkeit ihrer Sache, im Glauben an sich selbst, als in dem an die Stärke ihrer Waffen. Sie fämpft für feine Krone, sie fämpft aber füs ienes Gefeß, das auch Gottes Geseb iſt: für Menschlichkeit, für jene primitive Forde­rung. für die schon vor 2000 Jahren ein Mensch gekreuzigi worden ist.

Um Wirklichkeit werden zu lassen, was seit Jahrtausenden Wirklichkeit sein sollte, verläßt Jeanne, knapp nach dem Weihnachtsfest des Sabres 1936, ihre Heimat, eine Kleine Ge meinde in der Nähe von Gent . Sie fährt durch

Durch die Waldesnacht strich der Sommerwind, füßte und foste sacht Wangen und Glieder.

Naunte von Lieb und Lust, Jugend und erstem Glüd, und in der jungen Brust hallte es wieder.

Erde war wunderweit, Du warst ihr schönstes Kind. Ströme von Lust und Leib stürzten hernieder.

Hoben und hoch empor, rissen und erdenwärts, fangen im Jubelchor trunkene Lieder.

Bald war zu End' Dein Lauf durch diese Erdenwelt. Nimmermehr wachst Du anf aus Deinen Träumen. Doch wenn der Nachtwind zieht über den Wald, das Feld, flingt noch das alte Lieb leis in den Bäumen.

Martin Grill.

Bataillonen sein, die an sich und ihre Berufung glauben gelernt und diesen Glauben zu ber teidigen berstanden haben. Die Nacht vers schlingt die Kundschafter. Die Nacht vergeht, Der Morgen graut. Vier zogen aus. Einer fommt zurüd. Einer? Eine! Jeanne. Sie hat erfundet, was man wissen wollte. Drei haben den Weg mit dem Leben bezahlt. Jeanne blu­tet. Lächelnd wehrt sie ab. Es ist nichts, nur ein Fleischschuß."

Kaum zehn Tage später ist Jeanne wieder in der vordersten Linie. Die Wunde ist geheilt. Jeanne ist nicht mehr einfacher Soldat. Sie befehligt wohl keine Armee, sie bat wohl feine Erscheinungen, die ihr den Weg zum Biel weisen. Sie befebligt aber einen Zug bass fischer Miliz. Das Ziel weist ihr nach wie vor die Führung.

Tage vergehen. Wochen...

Entscheidungen fallen beute nicht so schnell wie vor Jahrhunderten. Insbesondere Entschei dungen nicht, die eine Welt aus den Fugen zu beben droben. Manche Schlacht ist geschlagen worden. Manche wird noch geschlagen werden. Ein Sieg, eine Niederlage ist nicht entschei dend. Sie sind nur Etappen. Entscheiden wird die Zeit...

Erbittert wird um die Stellungen von Emboria gefämpft. Alle Machimittel werden eingesebi, um sie zu Fall zu bringen. Gegen