if
To
Demokratisches Wochenblatt.
No. 6.
1868.
Das Blatt erscheint jeden Sonnabend. Abonnementspreis vierteljährlich bei allen deutschen Postanstalten sowie hier am Plage einschließlich Bringerlohn 12½ Ngr.; einzelne Nummern 1 Ngr. Abonnements für Leipzig nehmen entgegen die Herren M. Dolge am Markt, n C. Reichert Hainstraße 27, G. Hofmann Brühl 40, C. Dehler Neumarkt 6, G. Richter Peterssteinweg 7, Leipziger Consumverein Universitätsnstraße und die Expedition d. Blattes C. W. Vollrath Windmühlenstr. 14. Für Dresden Filialexpedition F. W. Grellmann Wallstraße 10.
10
Da die Nr. 2 des demokratischen Wochenblattes" ganz, und die Nr. 3 und 4 beinahe vergriffen sind, bitten wir Diejenigen unsrer Freunde, die im Besitz mehrerer Eremplare dieser Nummern, namentlich der Nr. 2 find, dieselben an die Erpedition zu schicken, damit wir in Stand gesetzt werden, wenigstens die Nachbestellungen eder Post vollständig auszuführen. Die Expedition d. dem. W.
rig
Jnbalt: Politische Uebersicht.
-
-
Politische Uebersicht.
Für uns das bedeutendste Ereigniß der Woche ist die Wä h- lerversammlung, welche am 30. Jan. im zweiten Berliner Wahlbezirk statt hatte. Wir bringen weiter unten einen ausführlichen Bericht über diefelbe. Die große Wichtigkeit der Rundgebung liegt darin, daß die politisch gebildetste und ein flußreichste Wählerschaft Preußens den Bruch mit dem Scheinkonstitutionalismus vollzogen und dem Preußischen Abgeordnetenhaus aus Anlaß der Nothstandsfrage ein unwiderrufliches Mißtrauensvotum ertheilt hat, das auch die Fort schrittspartei mit trifft! Denn auch die Fort schrittspartei hat nichts zu Gunsten der nothleidenden Ost preußen gethan, und sogar auf den Versuch, etwas zu thun, verzichtet. Da hilft die Ausrede nichts, man wäre ja doch in der Minorität geblieben. Hier gilt das Sprichwort: Mitgegangen, mitgefangen. Minoritäten, die nicht den Muth selbstständigen Borgehne haben, sprechen sich das Recht der Gristenz ab.")
Mit Bezug auf die Rede Jacoby's haben wir vorläufig zweierlei zu bemerken. Erstens scheint sie uns den Gegensaß zwischen Fortschrittspartei und Bolkspartei, das ist Demokratie, nicht genug hervorzuheben. Und ferner können wir dem Redner nicht beistimmen, wenn er die„ Niederlage" der PreuBiſchen Demokratie vorwiegend dem Mangel an Treue den eignen Grundsägen gegenüber" zuschreibt. Abgesehen davon, daß nicht die Preußische Demokratie", die ja leider noch nicht als selbstständige Bartei" aufgetreten ist, sondern blos jener tonfuſe Parteibrei genannt„ Fortschrittspartei" eine Niederlage
sche Reichstag in Wien zur Milderung des Rothstandes 10 Millionen Als vor 4 Jahren in Ungarn Mißwachs war, votirte der deutBerufs, der seine bungernden Bürger der Privatwohlthätigkeit überläßt!
erlitten hat, müssen wir doch die abgefallenen" Mitglieder der Fortschrittspartei" gegen den gemachten Vorwurf in Schuß nehmen. So weit diese Partei bewußte Grundsäße hat, verfolgt fie die Klaffenzwecke der Bourgeoise. Die Bour geoisie aber, so liberal" fie dem Adel, der Bureaukratie, dem Militarismus gegenüber sein mag, ist ihrem innersten Wesen noch überall reaktionär dem Barletariat, dem Bolk gegenüber. Wie sie in Frankreich aus Furcht vor den Arbeitern sich der verhaßten Diktatur Bonaparte's in die Arme warf, so in Preußen aus Furcht vor den demokratischen Maffen der Diktatur Bismarc's. Graf Bismarck beurtheilte die liberale Bourgeoisie von vornherein sehr richtig, indem er kurz nach seinem Eintritt in das Ministerium die Aeußerung that: Mit den Fortschrittlern werde ich leicht fertig werden, denn sie fürchten die Revolution mehr als sie mich hassen!" Die wenigen Mitglieder der Fortschrittspartei", auf welche dieses Wort keine Anwendung findet, sind eben bloß irrhümlicher Weise in die„ Fortschrittspartei" hineingerathen.
"
-
Mit 254 gegen 113 Stimmen hat das Preußische Abgeordnetenhaus die Zahlung der 25 Mill. Thlr. an die.entseßten" Fürsten von Hannover und Nassau bewilligt. Das Ganze war bloß eine jener in Preußen üblichen konstitutionellen Spiegelfechtereien, sintemalen die Regierung das Geld schon gegeben hatte. Bei diesem Anlaß enthüllte sich so recht deutlich die Verwirrung in den Köpfen der Preußischen Fortschrittspartei. Welch' wunderliches Sammelsurium von demokratischen Kraftphrasen und offiziösem Annexions- und Loyali. tätsdusel in den Reden der Waldeck, Löwe, Schulze, Ziegler u. f. f.! Kein Zweifel, vom demokratischen Gesichtspunkt aus ist gegen die Absezung der Fürsten nicht das Geringste einzuwenden, wohl aber sehr viel dagegen, daß sie von einem andren mäch tigeren und absoluten Fürsten im Interesse einer freiheitsfeind lichen Bolitik abgesetzt worden sind. Doch was ereifern wir uns? Wir haben es ja bloß mit Seiner Majestät des Königs
von Preußen loyaler Oppofition zu thun.
Graf Bismard hatte die schwierige Aufgabe, einen Aft der Revolution von Oben zu vertheidigen, ohne sich mit dem legitimistischen Gewissen des Königs in allzu schroffen Wider
spruch zu verwickeln, und er löste sie herzlich schlecht nach dem