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Zeugniß von Freund und Feind. Unter anderen passirte ihm der unglückliche lapsus linguae( ein Ausgleiten der Zunge"), daß er die nun, die Beschlagnahme der Hannoverschen und Nassauischen Lande als Expropriation im Interesse Preußens ( sich korrigirend, fügte er und Deutschlands " hinzu) bezeichnete. Also einen Fürsten vom Thron jagen, heißt Expropriation ". Die Entschädigung ist der Willkühr der Verjager anheimge stellt. Wir danken für das Wort und werden es uns merfen.
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Nach Briefen aus Berlin , hätte Graf Bismarck wegen der Hannoverschen Legion" in Paris Anfragen gemacht. ( Siehe unter: Vermischtes).
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Während die Bismard'sche Schöpfung den Weg geht, welchen solche Schöpfungen gehen müssen, nimmt Herr von Beust con amore feine„ Revanche für Königsgräß." Jeder Schritt rückwärts für Preußen ist ein Schritt vorwärts für Desterreich; und der österreichische Premier hat es augenscheinlich darauf abgesehen, seinen Norddeutschen Nebenbuhler systematisch durch die Thatsachen zu perfifliren. Das parlamenta rische Regiment eingeführt, die Presse befreit, das Vereinsrecht hergestellt, die Armee dem Reichstag untergeordnet, die Art an das Concordat gelegt kein Wunder, daß preußische Blätter sich seufzend ,, Freiheit wie in Desterreich" wünschen.
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Die Süddeutschen rüsten zu den Wahlen für das Zollparlament. Nur nicht in Württemberg, wo die Volkspartei, welche die Mehrheit des Volks vertritt, bekanntlich die Wahlenthaltung beschlossen hat, so daß nur jämmerliche Minori tätswahlen zu Stand fommen können. Wenn aber auch dieser Beschluß in Belgien , Baden und Hessen- Darmstadt von der Demokratie mißbilligt wird, so ist doch auch hier die überwältigende Mehrheit der Einwohner entschieden gegen die von den Gothaern gepredigte Erweitrung" des Zollparlaments in ein Vollparlament" und will von dem Anschluß an Preußen aus guten Gründen nichts wissen.
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Aus Württemberg schreibt die demokratische Correspondenz etwas kleinlaut:„ Die Entscheidung in der Frage des Wehrgefeß es ist noch in der legten Minute anders ausgefallen, als es bis zur legten Minute erwartet und gehofft wurde. Das Wehrgesez ist nicht abgelehnt, eine kurze Präsenzzeit nicht angenommen, das Privilegium der einjährigen Freiwilligen nicht beseitigt, nur die zweijährige Präsenz ist gerettet und die bei loyaler Ausführung wichtige Bestimmung aufgenommen, daß tüchtige Jugendwehrmänner mit feche Monat entlassen werden müssen.
So ist denn im Bereiche der Hohenzollern durchweg Geſeß geworden, was im Reiche der Hohenzollern seit lange und für ewig als Lebensbedingung gilt. Eine große Hoffnung geht damit zu Grabe. Die Hoffnung war, es werde hier in Schwaben ein Loch gemacht werden in die militärische Verpreußung d. h. Berpestung Süddeutschlands , und dieses Loch wäre tödtlich gewesen für alles Großpreußenthum; der Entschluß eines deutschen Volksstammes, troß alledem und alledem nicht in die Berderbensbahn des Militarismus einzulenfen, vielmehr grade jest um so ernster den Bürgerstaat zu gründen, wäre fonitatirt worden, und wenn es in Württemberg mit dem Bolkeheer, mit dem Frei heer gehen mußte hundert gegen eins: selbst in Baden hätte das Eindruck gemacht. Das mit ist's vorbei, für jeßt vorbei; die Volkspartei hat nur eins retten können: die zweijährige Präsenzzeit; die dankt das Land der Volkspartei, und dankt's ihr hoffentlich durch die That."
Matthy, berüchtigt durch sein, an dem Demokraten Fickler, seinem Freund, ausgeübtes Polizeidienertalent, lange Jahre hindurch einer der thätigsten Agenten des Großpreußen
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thums, ist in Baden gestorben, Bluntschli lebt noch; und fann vielleicht einen zweiten Sonderbund begraben sehen.
Mittlerweile gährt es mehr und mehr in Frank reich . Der unterirdische Kampf" nähert sich immer drohender der Oberfläche; und die Debatten des geseßgebenden Körpers"( so benamset, weil er gleich dem preußischen Abgeordnetenhaus keine Gefeße zu geben, sondern bloß zu den Ukasen der Regierung Ja! zu sagen hat) über das Preßgesez bilden, ihrer revolutionären Heftigkeit einen Abglanz der revolutionären Volksstimmung. Dieses Preßgesetz ist drakonisch. Ruinirende Gelds und schwere Freiheitsstrafen für das ge= ringste Vergehen", aber immerhin wenigstens ein Geseß. Und so unerträglich sind die jeßigen Preßzustände, daß viele, sich für freifinnig haltende Zeitungsschreiber sogar dieses Gesetz als eine Erlösung aus der unberechenbaren Willkührherrschaft preißen!
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In dem Wahlkreis Lille hat der Regierungskandidat mit großer Mehrheit den Oppofitionskandidaten geschlagen. Das Triumphgeschrei der Anhänger des Kaisers über diesen Wahlfieg, der einzig und allein dem durch die Beamten und Pfaffen ausgeübten Druck, und der geschickten Zusammenlegung des Wahlbezirks( in der Stadt Lille blieb der Regierungskandidat in der Minderheit) zu verdanken ist, beweist besser, als hundert Leitartikel es vermöchten, wie wadlich und wurmstichig der Thron des Decembermanns ist.-
Aus dem konstitutionellen Musterstaat England nichts als Nachrichten von neuen Verhaftungen, neuen Fenierstreichen, neuen Preßverfolgungen, neuen Bankrouterklärungen des dortigen Lü gen- Barlamentarismus. Doch halt! Eine hätten wir fast vergeffen: ein in London entdecktes Komplot" gegen das Leben des Königs von Preußen, Ex ungue leonem. Wer erriethe da nicht gleich die Hand des genialen Stieber, der, schon berühmt durch seine Thätigkeit unter den schlesischen Webern und im Kölner ,, Kommunisten prozeß" und durch sein Märtyrerthum im Eichhoff'schen Prozeß, sich vor zwei Jahren durch seine bei der Neugeburt" Deutschlands , gemeinschaftlich mit Braß, Bauer, Bucher und anderen Ehrenmännern, geleisteten Hebammendienste die Unsterblichkeit und die Wiederanstellung erworben hat?
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Seit anderthalb Jahren spielt auf der Insel Kandia eine in Petersburg verfaßte Komödie, betitelt der Kretische Aufstand". Das Ding ist nachgerade langweilig geworden, und es freut uns deßhalb melden zu können, daß die legten Nachrichten aus Konstantinopel ( und diese heidnischen Türken haben den civilifirten Christen die Kunst des Lügens noch nicht abgelernt) den Schluß der Vorstellung anzeigen gerade nachdem ein griechisches Telegramm einige hundert Türken in einer erschrecklichen Mezelei( auf dem Papier ) vom Leben zum Tod befördert hatte.
Die russischen Intriguen sind damit allerdings feineswegs zu Ende. Erfahren wir doch aus glaubwürdiger Quelle von Wien , daß aus Rumänien , wo der russische Statthalter aus dem Haus Hohenzollern dem Namen nach herrscht, meh rere Tausend Bewaffnete in das Bulgarische Gebiet eingefallen seien. Aber so lange das übrige Europa ruhig bleibt, haben derlei Vorgänge nicht viel auf sich; und sollte es einmal zu einem ernstlichen Ausbruch fommen, nun, dann bietet Polen den Türken und Desterreichern eine prächtige Gelegenheit, den Spieß umzudrehen, und ihn den Russen und deren Bun desgenossen tief in die Flante zu stoßen. Man sagt, Graf Bismard habe die Gefahr, die ihm von dieser Seite droht, begriffen, und fürzlich Versuche gemacht, die polnische Emi gration für die preußisch- russischen Pläne zu gewinnen. Aber wir glauben das nicht, und zwar aus dem einfachen Grund,