Krieges nahm es Besitz von Ostpreußen   und zwang die Be­wohner den Unterthanencid zu leisten. Die Kaiserin Elisabeth ließ sogar Geld prägen, auf dem sie als Königin von Preußen bezeichnet wurde. Preußens Herrschaft über die Mündungen der Weichsel   und des Niemen ist ein Dorn in Rußlands   Fleisch. hauptsächlich, weil sie die deutsche   Nationalität Kurlands und Livlands   in ihrem Widerstande gegen alle Versuche der Ver­ruffung fräfrigt. Es darf nämlich nicht vergessen werden, daß auch Kurland   und Livland   zum Gebiet des deutschen Or­dens gehörten und sie noch durch manches Band aus jener Zeit mit Ost- und Westpreußen   verknüpft sind. Rußland   fühlt deßhalb, daß es, nachdem es einen Theil des Ordensgebietes an sich gerissen hat, früher oder später den Rest in seine Ge­walt bringen muß und daß bis dahin sein gegenwärtiger Be­fiß nicht gesichert ist. Der Grenzverschluß, welcher fast einer Belagerung gleich kommt, bezweckt, die tünftige Annerion anzubahnen.

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sich gefallen lassen muß. Ja es hat sich sogar gegen Rußland  verpflichten müssen, die russischen Deserteure auszuliefern. Ohne dies wäre es für Rußland   unmöglich, seine Grenzen zu schüßen, da sonst seine Grenzposten fortwährend desertiren wür­den. Preußen versieht also für Rußland Polizei­dienste, um den Grenzcordon aufrecht zu erhalten. Diese unglückliche Lage ist einfach die Folge der Vergrößerung in Deutschland  . Dieselbe Tendenz bestimmt die innere Politik der preußischen Regierung. Die östlichen Provinzen des König­reichs sind lange vernachlässigt worden, während sich die Thätigkeit der Regierung auf die des Innern und des Westens beschränkte, deren sie zur Unterstüßung ihres Einflusses auf die deutschen   Kleinstaaten bedurfte. Die östlichen Provinzen wur­den sowohl in Bezug auf die soziale Entwickelung wie auf die Verbindungsmittel in den Hintergrund geschoben und da­durch die schlimme Wirkung der russischen Grenzsperre noch fühlbarer gemacht. Die Schutzöllnerei des Zollvereins muß ebenfalls in Anschlag gebracht werden. Der Zollverein wurde nur ins Leben gerufen, um dem Westen und Süden Deutsch­ lands   zu dienen und steht den Interessen der deutschen   Ostsee­provinzen, die nur wenige Fabriken und keine Bergwerfe besißen, feindlich entgegen. Der dadurch herbeigeführte hohe Preis des Eisens war für diese Provinzen ein Verlust, der durch nichts ausgeglichen wurde und die Verbesserung der Bodenkultur wesentlich hemmte. Alle diese Ursachen wir­fen nun zusammen, und Alle haben denselben Ursprung: Preußens Trachten, sich zu vergrößern.

Es ist auffällig, daß ein Staat wie Preußen fortwäh rend das unfreundliche Benehmen, ja die offene Feindseligkeit Rußlands   erträgt. Man hätte vielmehr vermuthen sollen, daß er Rußland   zwingen würde, den entgegengesezten Weg einzu schlagen. Preußen hat unbestreitbar das Recht dazu auf seiner Seite; denn in den Wiener   Verträgen von 1815 wurde aus­drücklich festgesetzt, daß die Handelsbeziehungen der verschiede nen Theile Polens   stets unbeschränkt bleiben, und kein Zoll 10 Procent übersteigen sollte. Preußen hat aber gestattet, daß diese Abmachungen unbeachtet blieben, so wie es zufrieden war und noch ist, daß das Königreich Polen eine russische  Provinz wurde ein Arrangement, welches eben so sehr gegen seine eigenen Interessen wie gegen die Bestimmungen des Wiener   Vertrags läuft. Die außerordentliche Rücksicht, welche Preußen dadurch gegen Rußland   an den Tag legt, er­scheint im ersten Augenblick als Feigheit oder Blindheit, aber in Wirklichkeit bildet sie einen Grundsaß der Politik, welche Preußen seit Friedrich dem Großen befolgt hat. Bon jener Zeit an hat Preußen ununterbrochen nach der eig­nen Vergrößerung in Deutschland   getrachtet. Es hat nicht einmal Gewicht darauf gelegt, ein Theil Deutschlands   zu sein, sondern gestrebt, eine unabhängige europäische   Macht zu sein, um auf diese Weise die vollständige Oberherrschaft über Deutschland   zu erringen. Diese Absicht gab natürlich zu fortwährender Feindseligkeit gegen Desterreich Beranlassung, und auf diese Weise wurde die Freundschaft Rußlands  , wie schon Friedrich der Große   erkannte, eine un­umgängliche Nothwendigkeit für Preußen. Nach dem siebenjäh­rigen Kriege verband sich Preußen zum ersten Male mit Ruß­ land  . Die Folge davon war die erste Theilung Polens  . Es war allerdings für Preußen von Vortheil, auf diese Weise die natürlichen Grenzen seiner Baltischen Provinzen zu sichern, aber es gereichte zu seinem großen Nachtheile, die Macht Ruß­ lands   zu verstärken und diesen Staat sich zum nähern Nach­bar zu machen. Nach der zweiten und dritten Theilung Po­ lens   wurden Rußland   und Preußen unmittelbare Nachbarn, Die Geschwornengerichts- Entwürfe der sächsischen Regie­

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und nachdem Rußland   durch den Wiener Vertrag das ganze Großherzogthum Warschau   erworben hatte- wofür Preußen die Schuld zum großen Theil selbst trifft wurde die Nach­barschaft noch gefährlicher. Der ganze Osten der preußischen Monarchie ist gegenwärtig in einer Länge von 180 geogra­phischen Meilen von Rußland   flankirt, ohne daß die Grenze natürliche Bertheidigungsmittel böte. Die Grenze liegt überall offen. Preußen kann in Deutschland   keine Aenderungen ohne die Erlaubniß Rußlands   vornehmen, und diese kann nur durch die äußerste Zuvorkommenheit gegen jene Macht erkauft wer­den. Das ist die Ursache, weshalb Breußen die Grenzsperre

Preußen würde wohlhabend genug sein, wenn es der Wohlfahrt seiner Ostseeprovinzen die Mittel zugewendet hätte, die es für seine Eroberungen in Deutschland   verausgabt hat. Es würde dann in Schlesien   vor zwanzig Jahren keine solche Hungersnoth geherrscht haben, wie sie jeßt in Ostpreußen  wüthet. Deutschlands   Frieden wäre nicht gestört worden und das Zusammenwirken seiner Glieder würde es ohne Ueber­spannung seiner Kräfte in Stand gesetzt haben, sich gegen jeden Feind zu behaupten und auf diese Weise den Frieden Europas   zu sichern. Wenn Preußen danach lechzte, seinen kriegerischen Charakter zu erhalten und blutige Lorbeeren zu gewinnen, so würden ihm seine östlichen Grenzen dazu Ge­legenheit geboten haben, und es hätte mit Erfolg die Waffen, die es gegen Desterreich wandte, gegen Rußland   richten fön­nen. Preußen würde dadurch nicht nur seinen eigenen Inter­essen gedient, sondern auch dem ganzen Westen Europas   eine Wohlthat erwiesen haben. Es wäre dies der beste Weg ge­wesen, seine deutsche   Mission" zu erfüllen. Die Hungers­noth in Ostpreußen   folgt naturgemäß auf Preußens friege­rische Triumphe von 1866. Denn die Hauptursache des Un­glücks liegt glüds liegt wie selbst preußische Zeitungen und Red­ner auf dem preußischen Landtage erklärt haben- nicht in Naturereignissen, sondern in den politischen Zuständen.

rung.

( In der legten demokratischen Parteiversammlung zu Dresden   bildeten diese Entwürfe den Anlaß zu einer lebhaften

Diskussion, an welche der nachstehende, für die letzte Nummer leider zu spät eingetroffene Artikel zum Theil anknüpft).

Keiner von den, dem gegenwärtigen Landtage von der Regierung zugewiesenen Gesetzgebungsarbeiten dürfte durch ihren bloßen Titel in liberalen Kreisen eine so sympathische Aufnahme gesichert gewesen sein, als der projectirten Einfüh­rung der Geschwornengerichte. Geschickte Notizen in den