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alles anders. Schleswig- Holstein sei annektirt, natürlich nach dem Selbstbestimmungsrecht gar nicht gefragt worden; die Reichsverfassung? ein zerrissener Feßen. Die Grundrechte gehören bekanntlich nicht in das Ressort des Grafen Bismarck, und die Herren Braun und Gon­sorten konnten sich nicht entschließen. für ihre Einführung in die Ver­fassung des Nordbundes zu stimmen. Sogar die österreichischen Schmerzenskinder" seien von ibrem eigenen Schüßenfeſtvater schmäh= lich im Stich gelassen worden. Wo seien die Herren 1866 gewesen, die Bismarck niederschmettern" wollten? Das ,, Hochverräthchen" höre sich wohl sehr gemütlich von der Tribüne an, wenn nur das Correctionshaus nicht wäre und man dort nicht Gigarren wickeln müßte, wie es ihm ( Redner) passirt( große Heiterkeit). Er habe geglaubt, diese Herren würden sich nach 1866 ins Privatleben" zurückziehen, so zu sagen in ihr stilles Kämmerlein. Nichts da, man thue, als wenn in Deutschland Nichts passirt sei. Früher hätten sie Schleswig- Holstein meerumschlungen " gesungen, heute schiebe man nur eine neue Walze in die Drehorgel ein und da gebe es ruhig weiter: " Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben". Jene Partei wechselte tommt die Freiheit von selbst, jene mit hochobrigkeitlicher Bewilligung" ihr Programm wie ein Hemd. Jeßt heiße es: Erst die Einbeit, dann von Herrn v. Bismarck patentirte Freiheit, von der manchmal auch Herr Braun gesprochen. Diese Gharakterlosigkeit sei es gewesen, die die Spaltung in der Fortschrittspartei verursacht. Er sage: Erst die Freiheit, dann die Einheit. Es falle ihm da die bekannte Anekdote vom Rathhausbau in Krähwinkel ein, wo man ein schönes, massives, prächtiges Haus hingestellt, aber die Fenster vergessen und fich damit zu helfen gesucht habe, das man das Sonnenlicht in Säcken aufgefangen und hineingetragen; allein es wollte nicht hell werden, das der Fall; er sei weiter nichts, als eine luft- und lichtlose Kaserne, das Grab jeder Freiheit, und alles Flickwerk werde nichts helfen( Bravo ). Bismarck habe es nicht gewagt, die Mainlinie zu überschreiten, und an uns sei es, die Rechte des freien Staatsbürgerthums, die wir noch aus dem Schiffbruch gerettet, zu wahren und uns nicht zu Vasallen diesen Nordbund. Das Zellparlament, als dessen Candidaten Redner don Preußen herabzuwürdigen. Darum keinen freiwilligen Eintritt in Hrn. Fabrik. Stuttmann von Rüsselsheim vorschlägt, habe in Politik gar nichts zu reden, es solle blos neue Steuern bewilligen. Hiergegen let Herr Stuttmann. Was seine Stellung zur deutschen Frage betreffe, durch Freiheit zur Einheit. Darum Hand an den Beutel des Volkes, daß ihm seine Pfennige nicht für preußische Kasernen ab= gelucht werden( Beifall).

so welle er

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den Fehdehandschuh vor die Füße zu werfen. In seiner Rede, in welcher er die Fahrlässigkeit des britischen Parlaments in Bezug auf Irland scharf kritisirte und die gegenwärtige Krise mit glühenden Farben schilderte, erklärte er, Jrland habe eine fiebenhundertjährige Rechnung mit England; diese müsse ins Reine gebracht und die Schuld Englands getilgt werden; schon im Jahre 1845 hätte eine Parlaments- Kommission die irischen Bauernzustände untersucht und berichtet, daß es die Pflicht des Parlaments sei, Maßregeln zu treffen, welche den Bauern Ersag für die von ihnen gemachten Bodenverbesserungen sicherten; bis heute sei noch nichts geschehen; die irische Kirche,( näm­lich die protestantische) als Staatskirche müsse aufhören zu existiren u. s. w. Launiges Geschick, das den Enkel eines von Christen verfolgten Juden zwingt die Kirche gegen einen Schotten, die Bigottesten aller Christen, zu vertheidigen! Disraeli drückte seine Verwunderung darüber aus, daß gerade in dem Augenblick, wo er Premier- Minister geworden, die an Irland begangenen siebenhunderjährigen Ungerechtigkeiten ihren Höhepunkt erreicht haben sollten, und daß man von ihm und seinen Kollegen eine peremptorische Lösung der Frage verlange. Er zählte die Hauptbegebenheiten der jüngsten Zeit auf und fragte: ,, wer war während dieser Zeit einer der einflußreichsten Minister? Herr Gladstone, der über die Leiden des irischen Bolks jeder Zeit mäuschenstill war!" Er beschuldigte Glad­stone, die Krise zum Vortheil seiner Partei ausbeuten zu wollen, und sagte, fünfundzwanzig Jahre lang habe Gladstone über die Macht der Krone verfügt und habe nie irgend etwas für Jr­land gethan als Reden gehalten, Reden zu Gunsten der irischen Staatskirche. Er behauptete, daß wenn die Staatsmacht von der Religion geschieden werde, die Regierung zur einfachen Polizei herabfinte, daß die Regierung nichts vermöge ohne die thatsächliche Mitwirkung der Klerisci. Er bestritt die moralische Kompetenz des gegenwärtigen Parlaments, eine solche Frage zu entscheiden, ohne durch eine Neuwahl an das Volk zu appel­liren, die Oppositionspartei habe nie ein Wort darüber ver­lauten lassen, die Frage sei nie ernstlich vor die Oeffentlichkeit gebracht worden.

Herr Stuttmann entwickelt nun sein Programm, das er, falls

In unserm Zeitalter gehen Meinungsänderungen und Ueberzeugungen rasch und plöglich vor sich, davon hat Disraeli und seine Partei in der letzten Session ein schlagendes Bei­spiel geliefert. Klassen und Nationen nehmen es nicht immer so genau mit den Motiven, welche Staatsmänner bewegen, zeitgemäße Abänderungen durchzusetzen. Wenn die irischen Katholiken die protestantische Staatskirche los werden können, so werden sie sich darum nicht fümmern, ob Gladstone ihre Ab­schaffung aus reinem Patriotismus oder aus Parteineid betreibt, ebenso wenig wie sich der Seidenweber darum kümmert, ob die Seidenraupe für ihn oder für die Fortpflanzung ihres Ge­

ibn eine Wahl ins Zollparlament berufe, auch dort vertreten würde. Er bekennt sich als ein Anhänger des Freihandels und ein Feind der indirekten Steuern, weil sie namentlich eine ungerechte Belastung der armeren Klaffe in sich schließen. Der norddeutsche Bund trage das Zeichen des Militärabsolutismus an der Stirn. Er erinnere an den bekannten 225- Thalerfag, die vielzulange Präsenzzeit, das Recht des Bundesfeldberrn, Festungen auzulegen, den Belagerungszustand zu ver hängen, die Verfügung über die Militärmacht, die den Fürsten der einzelnen Staaten nur noch zu Polizeizwecken zur Benugung ge­blieben. Versicherte man Seitens jener Partei noch so sehr, daß man nur die Herstellung eines Bundesstaats wolle, so handle es sich doch halb das Bild von Kay und Maus bier seine richtige Anwendung. Siemand lege fich freiwillig den Strick um den Hals, daher keinen Eintritt in den absoluten Militärstaat. Auf jedes Vorgeben des Junker­tbums, jeden Zeitungsprozeß bei uns, fomme in Preußen ein Dußend folcher Fälle. Welches Geschrei habe man erhoben, als das Drgan der Fortschrittspartet wegen Beleidigung des Ministerpräsidenten verurtheilt schlechts spinnt. worden, allein sei nicht jüngst Redakteur Trabert von Kassel in Ketten nach Berlin abgeführt worden? Redner schließt seinen öfter durch Bei­fallebezeugungen unterbrochenen Vortrag mit Hinweis darauf, daß ein

nur um

Einführung des nackten Militärabsolutismus und finde deß­

Mit dem Appell an das Bolf" läßt sich Disraeli eine Lücke offen und vereitelt seinen Gegnern die Aussicht, in der Er kann seine

unbedingter Gintritt Süddeutschlands in den Nordbund ohne freiheit Kürze die Ministerbänke wieder zu bescßen.

liche Gonsequenzen

nur zur starren Centralisation, zur Gründung eines

Großpreußenthums führen werde.

( Schluß folgt.)

Aus England.

London , den 23. März.

Die irische Debatte wurde zu feiner parlamentarischen Entscheidung geführt. Der Antragsteller erklärte sich zufrieden mit der Discussion, welche seine Motive heraufbeschworen, und 10g feinen Antrag zurück.

Politik je nach dem Resultat der Wahl einrichten. Ueberdice ist es noch sehr zweifelhaft, ob die zum großen Theil aus Aristokraten bestehende liberale Partei die plögliche Ueberzeugung ihres anerkannten Führers gut heißt.

Eine Partei, die nicht liberal genug war, die Russell- Glad= stone'sche Reformbill durchzuführen, wird gewiß großen Anstand nehmen, die Staatskirche in irgend einem Zweig anzutasten. die Staatskirche ist ein sicherer Zufluchtsort für jüngere Söhne und Günstlinge der Aristokratie. Schon in den zwanziger Jahren betrugen die Einkünfte der englischen Staatskirche mehr als 12,000,000 Bfd. St., eine Summe, von welcher Stein

Der Debatte, feinem alten Gegner, dem neuen Premier- Minister, in seiner Geographie sagt, daß sie die Einkünfte der Priester­