Zur polnischen Frage.

133

Man schreibt uns: Altenburg  , im April. Nur der echte, harte Stahl schlägt Funken am Steine. So giebt es auch im politischen Leben Fragen, deren Beantwortung als Prüf­tein gelten fann für Klarheit des Denkens und Entschieden heit des Charafters. Ein solcher Prüfstein der Gesinnung und des Charakters ist die in Ihrem Blatte so eingehend und in einer des Gegenstandes würdigen Weise behandelte Polen  . frage. Auf Grund langjähriger Erfahrung bin ich dahin gelangt, Niemand für einen flaren, entschiedenen und gesin­nungsfesten Demokraten zu erklären, so lange ich nicht seine Meinung über Polen   gehört. Gar oft lag ich im Streite mit vermeintlichen Gesinnungsgenossen. In allen Fragen scheinbar in bester Uebereinstimmung, geriethen wir an einan der, sobald auf Bolen die Rede fam; und die Zeit hat mich belehrt, daß Alle, die aus den mannigfachsten Gründen die Herstellung Polens   für ein Hirngespinnst erklärten, troß ihrer sonstigen radikalen Phrasen sich früher oder später als Gothaer und Nationalliberale, wenn nicht als Reaktionäre, entpuppten. Die Sache geht natürlich zu. Der dreifache Raubmord, der bon drei absoluten Herrschern an der sich selbst regierenden Ration der Polen   begangen wurde, gehört nun zu den älte­so daß er schon durch sein ehrenwerthes Alter im Stande ist, etwas bleichsüchtigen Naturen zu imponiren. Weiter läßt sich nicht verkennen, daß die Bolen, seit einem Jahrhundert ihrer staat­lichen Eristen; beraubt und zu wiederholten Malen in blutigem Berzweiflungskampfe zu Boden geworfen, auf feinem Gebiete des nationalen Lebens fortgeschritten find. Rußland und Preußen durften ihr blutendes Opfer nicht mehr athmen lassen. Konnte man die Polen   selbst nicht in Russen   und Preußen verwan deln, so mußte wenigstens das Land russisch und preußisch werden, d. h. man sorgte dafür, den großen Grundbesiß durch Confiskationen oder Chikanen in russische und preußische Hände zu bringen, bis das Volk verarmte. Ein deutscher Politiker nun, in dem ein fünftiger Staatemann" in embryonaler Eristenz vorhanden ist, ist viel zu praftisch", um seine demo­fratischen Grundsäge auf ein Bolt anwenden zu sollen, wel ches nicht mehr lebensfähig" ist und dem unabwendbaren Berhängniß einer verfommenen Race verfällt". Auch darüber

"

schem Geist" gegenüber ,, slavischer Barbarei", von dem ,, ehernen Tritte der Geschichte", die nicht nach Recht und Unrecht frage, von selbst verschuldetem Schicksal", und vergißt, daß sich solche Redensarten auf jedes in ungleichem Kampfe unterlegene Volk anwenden lassen, und z. B. vo: 60 Jahren von den Franzosen gegen uns mit größerem Rechte gewendet werden konnten. Nur wer flar und fonsequent denkt, vergißt nicht, daß die Forderungen des demokratischen Prinzips für Alle und überall dieselben sind, und daß es die erste Aufgabe freier Völker sein muß, das vom Absolutismus an der Menschheit, sei es an Völkern, sei es an Einzelnen, begangene Unrecht zu sühnen. Dazu muß man freilich ein demokratischer Prinzipienreiter" sein, wie die Volkszeitung" die Schwaben nennt, die nicht einmal Bildung genug besaßen, Bettelpreußen ins Zollparla­

ment zu wählen.

Besonders lehrreich war mir in dieser Beziehung ein Vor­gang im seligen Nationalverein. Es war bei Gelegenheit der großen Generalversammlung am 18. Oftbr. 1863, zur Zeit

des legten Polenaufstandes. Der Verein stand auf der Höhe seines Glanzes und hatte schon die preußischen Ministerporte­feuilles unter seine Ausschußmitglieder vertheilt; aber unter der gleißenden Oberfläche trat bereits der Geruch der Zerseßung zu Tage. Ich war von 22 Mitgliedern in Altenburg   beauf­tragt, folgende Erklärung" zu beantragen:

"

,, Angesichts der 50 jährigen Jubelfeier der siegreichen Erhe­bung des deutschen Volkes gegen den fremden Unterdrücker

und

in Erwägung, daß das erste, unveräußerliche und unver jährbare Grundrecht jeder Nation das Recht auf äußere Unabhängigkeit und Selbstständigkeit ist, ohne welche die innere Enfaltung nationalen Lebens unmöglich wird, in Erwägung ferner, daß die Polen   zum dritten Male seit den schmachvollen Theilungen ihres Landes( 1772, 1793 und 1794) einen heldenmüthigen Kampf der Ver­zweiflung zur Abwerfung des russischen Joches und zur Wiederherstellung ihrer nationalen Selbstständigkeit kämpfen; in Erwägung endlich, daß die Polen   in diesem Kampfe gegen die fremden Unterdrücker fein anderes Ziel verfolgen, als dasjenige, für dessen Erringung auch unsere Väter in den heiligen Kampf" zogen, zu welchem jede Nation in gleicher Lage berechtigt und verpflichtet ist,

bergessen diese Politifer nicht uns zu belehren, daß in Polen   erklärt der deutsche Nationalverein: zur Zeit der Republik   bis zur Theilung die Freiheit nur für

die Edelleute eristirte,

-

zur Zeit, als in Deutschland   das

daß in Bolen fast die ganze, unserer bäuerlichen entsprechende ganze Landvolt leibeigen war; nur davon sagen sie nichts, Landbevölkerung adlig war, die Nation sich also mit Recht ein Bolf von Ateligen nannte. Von der im J. 1791 vom Reichstage proklamirten vortrefflichen Verfassung, die ganz von demokratischem Geiste durchweht, ein fonstitutionell- monarchis sches Regiment nach dem Muster der ersten französischen   Ver

faffung herstellte,

-

fortigen Aufhebung durch preußische Intervention ,, zu Gunsten der garantirten polnischen Republik", wird in unseren Schulen

von dieser Verfassung und von ihrer so­

nichts erzählt.

Kurz und gut, man hört da viel von ,, deut­

1) Die Polen   sind zu dem gegenwärtig von ihnen geführten Kampfe vollständig berechtigt und haben durch ihre Aus­dauer und ihren Heldenmuth Anspruch auf die Sympa thieen aller freien Völker.

2) Das politische und materielle Interesse Deutschlands   wird durch die Wiederherstellung eines unabhängigen Polen­reichs nicht gefährdet, vorausgeseßt, daß die Polen  , in gerechter Würdigung der seit einem halben Jahrhundert einwirkenden Verhältnisse, auf die durch deutsche Sitte, Sprache und Cultur deutsch gewordenen Länderstriche feinen Anspruch erheben."

( Folgen 23 Unterschriften aus Altenburg  .) Der Geschäftsordnung gemäß übergab ich diesen Antrag am Vorabend einem mir bezeichneten Ausschußmitgliede. Am 18. vermißte ich zunächst bei Verlesung der Tagesordnung

apologie im Journal de Constantinople. Die baldige Ankunft einer meinen Antrag. In der ersten Pause zog ich beim Ausschuß circaffischen Deputation machte jedoch dem Spiel ein Ende. Die un­

Vaise grâce. Sämmtliche Papiere des Kriegsgerichts zu Aderbi, da

-

Erkundigungen ein, der Antrag war gesehen worden, aber nirgends zu finden. Auch wurde mir von Fries u. A. zu

gewechselten Schriftstücke wurden von der dortigen polnischen Emigras bringen. In der zweiten Pause, vor der Abendsißung, noch runter Banya's Selbstbekenntniß, ebenso die später zu Gonftantinopel verstehen gegeben, es werde schwer sein, den Antrag durchzu­tion nach London   geschickt, wo ein Auszug in der Free Press( Mai licht worden in der New York Tribune   vom 16. Juni 1858. 1858) erschien. Ausführlicher find diese Actenstücke von mir veröffent

mals eifriges Suchen nach meinem Antrage. Da endlich­es war bereits zu spät geworden, noch einen neuen Gegen