Aus Deutsch Desterreich.

Wien , den 6. Juli.

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der österreichischen Coupons von Staatswegen die gesamm­ten Staatspapiere im vollen Steigen begriffen sind, dürfte durch die gestern bekannt gewordene Militärreducirung feine Einbuße erleiden, wenn man auch nicht sanguinisch ge­nug ist, das Gegentheil zu behaupten. Immerhin ist die Mas senbeurlaubung von 20 Mann per Compagnie macht circa 36,000 Mann ohne daß heuer noch eine Recrutirung statt­gefunden hätte, eine finanziell und volkswirthschaftlich bedeu­tende Thatsache und bei dem Mangel an Erntekräften ein dop­pelter Gewinn. Wie lange in maßgebenden Kreisen noch die chinesische Mauer für die einzig gesunde Militärorganisation das Milizwesen bestehen wird, wer fann dies wissen? Ge­rade hier in Desterreich haben wir schon die wunderbarsten Dinge erlebt.

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Aus England.

London , den 6. Juli.

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Der hiesige deutsche Arbeiterbildungsverein und der fran­

Es gab einst eine Zeit, da Herzen und Geister aufhorch ten, wenn Rom sprach. Diese Zeit liegt zum Heile der Mensch­heit hinter uns. Rom sprach wieder, ganz so hart und wider­baarig wie immer, aber die Wirkung von damals fehlt. Die päpstliche Allocution hat in der österreichischen Bevölke tung nicht mehr als eine leichte, oberflächliche Wellenbewegung bervorgerufen. Und selbst diese Bewegung ist nur die Aeuße­rung der Entrüstung über die Keckheit einer Macht, die sich außerhalb der Landesgrenzen befindet, und nichts mehr und nichts weniger thut, als einen ganzen Band von Gesezen als nicht bindend für die katholische Bevölkerung erflärt. Es frägt sich nicht, ob oder wie gut diese verdammten Kinder unserer gefeßgebenden Körperschaften sind; sie sind aber vollgültige Landesgesetze geworden und beanspruchen von jedem Bürger gleiche Achtung. Man könnte dieß den ersten Grundsay der offentlichen Moral nennen. Was thut nun aber der Papst und feine Helfershelfer, die hochwürdigen" Bischöfe? Sie ver­dammen die Geseze, fordern zur Nichtachtung derselben alle zösische Zweig der Internationalen Arbeiterassoziation feierten Katholiken des Landes auf, sie sind Berleugner der öffentlichen Moral Gemeinderath der Stadt Wien ist in seiner Eigenschaft als Vertretung des größten Municipiums den übrigen Körperschaf dächtnißfeier jener Bluttaufe der modernen Arbeiterbewegung ten mit zwei geharnischten Resolutionen gegen die ungerecht­fertigte Einmischung der römischen Curie in hiesige Landesan zahlreich von Franzosen und Engländern besucht. Bradlaugh gelegenheiten vorausgegangen, und täglich mehren sich die Broteste aus Stadt und Land. Am meisten erfreulich in dieser Fahne des Herrn Felix Pyat , die das heutige Regime als den Hinsicht muß der Verlauf des sechsten Arbeitertages be­zeichnet werden. Volle 4000 Menschen waren versammelt, um einstimmig den Protest gegen die Allocution und den bekann ten Hirtenbrief zu fassen und, in dieser Frage ein Ministerium unterstüßend, das noch lange nicht den angebornen Rechten jedes Menschenfindes gerecht werden will oder fann, mit dem Rufe auseinanderzugehen: Es lebe die Freiheit! Es lebe das Mi­

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mas sie immer waren Der

sind unmoralisch.

vorigen Montag den Jahrestag der Pariser Juni- Insur­reftion von 1848, durch eine öffentliche Versammlung. Jahrelang überließen die erilirten Franzosen die alljährige Ge­

dem Deutschen Arbeiterverein. Die leßte Versammlung war

und Mrs. Law sprachen. Die

reinen Republikaner " unter der

Grund alles Unheils, nicht als den Ausfluß der bestehenden Verhältnisse betrachten, benutzten die Gelegenheit, die Pflicht der Auflehnung gegen den Tyrannen zu proflamiren. Die

Arbeiterbewegung erscheint diesen Herren zu vulgär, und das

Studium der ökonomischen Verhältnisse viel zu beschwerlich, als daß sie sich mit der sozialen Frage beschäftigen, mit den sozial- demokratisch gesinnten Arbeitern gemeinsame Sache machen

nisterium!" Liegt in diesem Rufe Gefühl für's besser werden sollten. Sie sind wie die Bourbonen, sie lernen nichts und

T

müssen, oder ist das österreichisch- deutsche Naivetät?

vor kurzem fein Morgenroth aufdämmern lassen wollten, auf

Daß der Kampf gegen die dunklen Nachtschatten, die bis

er ganzen Innsbrucker constitutionellen Vereins." Derselbe kauft eine

Linie entbrannt ist, beweist auch das Vorgehen des

vergessen nichts. Tod dem Tyrannen" ist ihr erstes und letztes Wort.

Das Oberhaus hat Gladstone's Bill, in Betreff der iri­schen Staatskirche, mit 192 gegen 97 Stimmen ver­worfen. Wäre derselbe Vorschlag vor zwei Jahren von einem

Buchdruckerei und ist im Begriff ein Blatt zu begründen, das radikalen Bürger gemacht worden, kaum ein Dußend von den in dem Lande der Glaubenseinheit das Licht der Glaubens­gleichberechtigung und jeder wahren Freiheit predigen soll.

Andere tyroler freifinnige Vereine, die an verschiedenen

97 erblichen Gesetzgebern würde dafür gestimmt haben, aber die Berhältnisse drängen wir maschiren mit Dampf. Das Oberhaus ist seit Jahren als ein Hinderniß des nationalen

Orten fid) langsam organisiren, dürften dieses brave Unterneh- Fortschritts betrachtet worden: je halsstarriger es sich wider­men unterstüßen und man kann hoffen, daß durch diese ,, Ver- sezt, desto leichter wird seine Abschaffung. Die alten Chartisten faffungscolonien", wie die Schwarzen diese Vereine nennen,

der

I tyroler Urwald zu glücklich bebauten fruchtbringenden Fel­

Dern

umgewandelt werden wird.

Der Reichsrath wurde endlich nach sechszehnmonatli­

nennen es The House of Incurables das Haus der Unheil­sein Auftreten in neuerer Zeit hat seine Würde nicht

baren

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gehoben.

Die Arbeiterfrage ist, wie die Engländer sagen, the

dem Beisammensein bis zum September vertagt. 82 Gesege all absorbing topic- das Thema, welches alles Andere

O durch ihn berathen und beschlossen worden, unter denen

find die

Staatsgrundgesetze im Gegensatz zu unserm nördlichen

Rachbar

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überwiegt oder wie das Wort eigentlich sagt, Alles auf­saugt, in sich aufnimmt. Die ängstlichen Bemühungen der

Gesetze sind jedenfalls von dem freiesten Geist beseelt, der noch je kussion unter dem Vorsitze des Bischofs von London , sind die auf österreichischem Boden mit Aussicht auf Dauer einem Ge- deutlichsten Beweise. Sie führen zu nichts, verrathen aber

Tege

Leben

gegeben, und in ihnen vor allem müssen wir die

Grundlagen einer freien Entwickelung unserer staatlichen und

Besellschaftlichen Verhältnisse erblicken. Wer dies vor der

das Bewußtsein der Unsicherheit der bestehenden Zustände. Die vertagte Diskussion endete in der Wahl eines Comites von aristokratischen Philantropen, welche die gemachten Vorschläge

Sand in etwas anderem sieht, dürfte entweder seine Zeit erwägen und einer späteren Versammlung Bericht erstatten nicht verstehen oder in Utopien arbeiten; beides gleich schlecht. sollen. Dieser Diskussion folgte auf dem Fuße ein it, so

Die

merkwürdige Erscheinung, daß nach dem Beschneiden

( Schwindel). Die nationale Assoziation zur scen, daß Graf