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Beilage zum Demokratischen Wochenblatt No. 3.

Die Schneiderei in London oder der Kampf des großen Oberherrschaft auf dem Weltmarkt. Wie sehr die industri­

und des kleinen Kapitals.

Bon J. G. Eccarius. ( Fortseßung.)

The evo

Die französische Revolution von 1789 und ihre Ergän­zung von 1793, von der englischen Aristokratie noch heute als ein Aft der Ruchlosigkeit betrachtet, eröffnete durch ihre Kon­sequenzen eine direkte Quelle des Gewinns für die Aristokratie und Bourgeoisie Englands. Der große fromme General- Aus­beuter John Bull , der sich von Kopf bis zu Fuß über die gottlosen Thaten der ersten französischen Revolution entrüstet, streicht noch immer ruhig seinen Gewinn ein, ohne auch nur im mindesten anzuerkennen, was diese verhaßte Revolution für ihn gethan hat.

England fing im Jahre 1793 offenen Krieg mit der französischen Republik an, um die ,, Böbelherrschaft" in Paris zu Boden zu schlagen und den legitimen Fürsten wieder einzuseßen. Die Macht eines revolutionären Volkes belehrte England eines anderen, aber indem sich der Krieg in die Länge zog, eröffnete er der englischen Aristokratie ein Feld, worauf Ehre, Ge­halt und Pension zu erwerben war. Der Finanzbour­geoisie eröffnete er ein neues Feld der Spekulation.

Die Vergrößerung der Armee erforderte eine bedeutende Bermehrung der Offiziere, wobei die Söhne der Aristokratie immer den Vorzug hatten. Die Kosten der Armee verdoppel­ten sich während der ersten drei Jahre dreimal, die jährlichen Ausgaben für die Armee stiegen während der Dauer des Kriegs von nicht ganz zwei Millionen auf 14,883,264 Pfd. Sterling, ausschließlich der Artillerie Munition. Außer dieser Goldgrube, deren Ausbeutung jedoch etwas unbequem und lebensgefähr lich war, wurde der englischen Aristokratie eine andere direkt aufgezwungen, deren Ausbeutung nur die Mühe machte, Pfundstücke in Empfang zu nehmen, also die Empfänger in

ihrer

gewohnten Bärenhäuterei durchaus nicht störte.

Schon seit 1776 war der Kornertrag Englands nicht mehr für den eigenen Bedarf hinreichend. Die Kontinental sperre unter Napoleon schnitt auf einmal alle europäischen Zufuhren ab, erzeugte Theuerung und Hungersnoth in England.

Die

Folge war, daß der Bodenpreis außerordentlich stieg und neue Ländereien in Bebauung gesezt werden mußten. So Iwurde das Einkommen der Aristokratie, die Grundrente, felburch des Kriegs schien sie diese Mehreinnahme durch die Einführung der Korn­gefeße verewigen zu wollen.

Die Finanzbourgeoisie machte nicht minder gute Geschäfte. Die Gesammtsumme der Anleihen, welche von 1793 bis 1815 unter ziemlich schlechten Bedingungen für die Re­gierung kontrahirt wurden, betrug nicht weniger als 631 Mil­lionen Pfd. Sterl.

Um die erhöhten Preise der Lebensmittel und die ver­mehrten Staatsausgaben zu bestreiten, war es vor allen Din gen nöthig, die Produktivkräfte, den Handel zu vermehren und zu erweitern. Kein Staat kann seine Ausgaben dauernd ver­mehren, ohne die Produktion in gleichem Maaße zu vermehren. Die Staatsausgaben Englands vermehrten fich aber nicht ein­fach, sie verdoppelten, verdreifachten und vervierfachten sich bis zur Beendigung des Kriegs. Derselbe Krieg, der diese Mehr­ausgaben verursacht hatte, bot auch zugleich das Heilmittel. Durch die Siege der englischen Flotte eroberte England nebst einer Anzahl Kolonien die Herrschaft auf dem Meere und die

elle Bourgeoisie diese Siege auszubeuten wußte, beweist die Ausfuhr von brittischen Fabrikwaaren, die von 1793 bis 1815 von 19,676,685 auf 60,683,894 Pfd. Sterl. stieg.

Leicht erworbene Reichthümer haben stets Lurus und Schwelgerei im Gefolge. Die Landaristokratie vor allen ist dafür bekannt, daß sie ihre Revenüen immer noch schneller verpraßt, als sie einkommen. Wer erwägt, daß Kleidungsstücke Hauptlurusartikel, und Haupt- und Residenzstädte Centralpunkte des Lurus und der Schwelgerei find, wem ferner bekannt ist, mit welcher Geschicklichkeit kleine Geschäftsleute in großen Städten ihre verschwenderischen Kunden über's Ohr zu hauen wissen, der wird leicht begreifen, wie diese Umgestaltung der Dinge ein wahres Kalifornien für die Londoner Schneider und wie Stulz ein Millionair werden konnte.

Von Alters her war es in London Gebrauch und gesez­lich garantirt, daß die Schneiderarbeiter bei öffentlicher Landes­trauer doppelten Lohn erhielten*). Während der Dauer des Kriegs hatten sie durch Arbeitseinstellungen ihren Lohn auf 6 Schillinge per Tag erhöht. Dies gab bei öffentlicher Trauer einen Wochenlohn von 3 Pfd. 12 Sh. oder 24 Thlr. preußisch. Die Meister büßten dabei nichts ein, indem sie ihrerseits wieder Extrapreise von den Kunden erhielten. Im Jahre 1830, als Georg IV. starb, verweigerten sie den doppelten Lohn und hingen Zettel an die Fenster mit der Aufschrift: Keine Extrapreise für Trauerkleider. Nur wenige Meister folgten dem altherkömmlichen Gebrauch; die Arbeiter stellten die Arbeit ein, aber Mangel an Geld auf der einen und die Zufuhr der Provinzen auf der andern Seite nöthigten sie nach wenigen Wochen nachzugeben, und der alte Gebrauch war für immer abgeschafft. Um diese Zeit fing die Zufuhr von Arbei­tern schon an größer zu werden als die Nachfrage. Die Ar­

beiter von verschiedenen Geschäften fingen an eine Art Ver­einigung mit einander zu bilden, die den Zweck hatte, entweder in Zeiten der Arbeitslosigkeit oder bei Gelegenheit der Arbeits­einstellungen sich gegenseitig zu unterstüßen. Im Jahre 1834 legten 20,000 Schneider die Arbeit nieder und verlangten zu­nächst eine Reduktion der Arbeitszeit von 2 Stunden per Tag, wodurch den Arbeitslosen Beschäftigung gegeben werden sollte. Da die bisherige Arbeitszeit auf 12 Stunden per Tag festge segt war, fonnten nach dieser Reduktion auf je 200 zwanzig mehr beschäftigt werden. Die zweite Forderung war, daß der rden, dieſer g bisher gebräuchliche Lohn, 6 Sh . Per Tag, nach wie vor bleibe, mit der Bedingung, dem Meister solle nicht das Recht zustehen, von dieser Summe irgend einen Abzug zu machen, wenn der Arbeiter das vom Meister als einen Tag Arbeit be­stimmte Quantum nicht vollenden konnte. Das Recht des Fortschickens sollte dem Meister bleiben.

Diese Forderungen waren in der That neu. Bisher hatten die Arbeitseinstellungen nur Erhöhung der Preise zum Zweck gehabt, und obgleich diese Forderungen eine Preiser­höhung enthielten, so war doch ihr Hauptzweck: die Zufuhr mit der Nachfrage auszugleichen, ohne das Einkommen des Individuums zu reduziren. Die Schneider hatten die Arbeit ohne Vorwissen ihrer Verbündeten eingestellt. Um sich aber der Bourgeoisie gegenüber keine Blößen zu geben, erkannten die übrigen Arbeiter das Geschehene an und gaben Unterstüßung. Die meisten Arbeiter betrachteten die Sache der Schneider als

*) Die Ursache war, daß die Schneiderei gewöhnlich eine Zeit lang in's Stocken gerieth, sobald die Trauerkleider verfertigt waren.