Beilage zum Demokratischen Wochenblatt Nr. 15.
Wien , den 30. März. Täglich wird der Föderalismus mehr zum Weckruf der neuen Zeit. Wir haben das unerwartete Schauspiel er= lebt, daß in einem Lande, dessen ganze Vergangenheit auf andere Bahnen hinzulenken schien, dessen Reaktion fast sprüch= wörtlich geworden war, daß in Spanien der söderalistische Gedanke aus dem Boden gezaubert plötzlich dasteht als eine Macht, mit der ernstlich zu rechten ist. In Deutschland kämpft ein großer Theil der Demokratie für diese Idee und selbst hier in Desterreich beginnt das Verständniß derselben herauf zudämmern, obwohl ihr hier mehr als irgendwo fast unüberwindliche Hindernisse im Wege stehen. Ein namhafter Theil der französischen Arbeiter, die Mutualisten, haben erst vor Kurzem eine Zeitschrift„ Le Fédéraliste" gegründet. Kurz, überall dringt die Idee in weitere Kreise, die Bahn vorzeich nend, welche die Demokratie verfolgt.
Andererseits ist nicht zu leugnen, daß dieser Idee gerade in den Reihen der Demokratie eine mächtige Partei entgegen ſteht und mit aller Straft gegen sie aufämpft, bei uns in Deutschland 2 große Fraktionen der Arbeiterpartei, in Frank reich die Jakobiner, die Communisten, sowie ein ziemlicher Theil der Sozialisten, insbesondere die Anhänger Louis Blanc's . Woher diese merkwürdige Erscheinung?
der an sich echt föderalistische Gedanke späterhin Schiffbruch leidet. Fichte fagt in seinen Fragmenten: ,, Wenn nun z. B. Desterreich oder Preußen Deutschland eroberte, warum gäbe dies nur Desterreicher, Preußen, keine Deutsche ?" Wirklich, es ist eine sehr wichtige Frage. Die Thatsache, daß durch eine solche Eroberung kein Deutschland , sondern ein Preußen, ein Desterreich geschaffen würde, gibt Fichte selbst unbedingt zu, wie schon aus der Form der Fragestellung hervorgeht. Lassalle stimmt ihm bei, er hält die Frage für so wichtig, daß er diese Worte Fichte's auch an einem anderen Orte, im Julian Schmidt " citirt, um Fichte vom Vorwurf des Kleindeutschen, des Gothaers zu rechtfertigen. Beide, weder Fichte noch Lassalle beantworten die Frage eingehend, sie begnügen sich mit der einfachen Constatirung dieser Thatsache. Die genaue Antwort, welche sie sich selbst geben mußten, ist einfach und klar. Der deutsche Geist ist das Gesammtresultat einer Summe von einzelnen geistigen Strömungen, von denen jede ihren bestimmten Boden, ihre historische Vergangenheit, kurz ihre durch eine Menge verschiedener Verhältnisse bedingten Eigenthümlichkeiten hat. In ihrer harmonischen Zusammenwirkung aus Nord und Süd, aus Ost und West ersteht der deutsche Geist, der in seiner fertigen Gestalt sich wieder wesentlich vom Volksgeist in Frankreich , England u. s. w. unterscheidet. Wird nun Ein Theil unseres Vaterlandes Herr über den anderen, so ist ein harmonisches Zusammenwirken der einzelnen Kräfte unmöglich, das Gleichgewicht ist zerrissen, eine Kraft macht die andere zum Sklaven und absorbirt sie. Das unausbleibliche Ende ist also, daß der deutsche Geist als.
In der deutschen Arbeiterpartei, die den Föderalismus bekämpft und die Centralisation anstrebt, ist es insbeson= dere der Allg. deutsche Arbeiterverein, der das Prinzip der Centralisation geradezu als ein Dogma aufstellt und mit gro- solcher untergehen und an seine Stelle der viel engere und hem Eifer verficht. Wir übergehen die psychologischen Mo- beschränktere geistige Inhalt dieses oder jenes Voltsmente der Entstehung dieses Glaubensbekenntnisses. Die( Hazz- stammes treten muß. Wenn der Süddeutsche z. B. sich gegen feldt'schen)„ ,, Lassalleaner" beschäftigen sich weniger mit dieser die preußische Vergewaltigung auflehnt, so vertheidigt er nicht Frage; sie leben ausschließlich von der Nahrung, die ihnen bloß seinen Hof und Heerd und den Rest eigener Freiheit, der L'assalle selbst gegeben und halten es für unnöthig die Ideen ihm geblieben, sondern er vertheidigt mit sich selbst zugleich desselben weiterzuentwickeln und die großen Fragen der Gegen das heiligste, was der Patriot schüßen kann, den deutschen wart, deren täglich neue auftauchen, an denselben zu messen. Geist, das Gesammteigenthum des deutschen Volkes, die Anstatt kräftig im Strom zu schwimmen, sitzen sie ruhig in Deutschheit, wie Fichte sagt. Süddeutschland ist in der einer Badewanne, kindlich tobend und plätschernd. Es genügt glücklichen Lage, daß bei ihm der Selbsterhaltungstrieb mit zu wissen, daß Lassalle einiges gegen den Föderalismus ge= schrieben, um auch zu wissen, daß sie eingefleischte Centralisten hierin liegt die geheime Ursache, warum es diesem doch kleinen
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dem Interesse des nationalen Gedankens zusammenfällt, und Bruchtheil des deutschen Volkes möglich ist, sich gegen Preußen zu wehren.
In der That! Lassalle selbst hat bei jeder Gelegenheit den Föderalismus angegriffen, ja sogar eine besondere Schrift Ein kurzer Rückblick auf das eben Gesagte zeigt, wie echt gegen denselben geschrieben. Es ist jener Brief in den„ De föderalistisch dieser Gedanke Fichte's ist, er enthält gleichsam mokratischen Studien", welcher„ Fichte's politisches Vermächtin nuce*) das ganze föderalistische Programm. Anstatt sich i" betitelt ist. Beide Barteien können sich mit Recht für gegenseitig zu drücken und zu unterdrücken, wie es bisher auf ihre Anschauungen auf eine große Autorität berufen. Ver- der Welt Sitte war, geht die revolutionäre Bewegung dahin, juchen wir es, mit dem Meister selbst zu rechten; wir haben jedem einzelnen Gliede des Ganzen die Möglichkeit zu erringen, Vortheil, der Frage prinzipiell auf den Leib zu gehen, statt sich selbständig und frei zu erziehen und im harmonischen Zuleicht zu beweisen, daß Lassalle's Angriffe nie dem Föderalis- welche für die schwachen Kräfte des Einzelnen unnahbar ist. die einzelnen Anschauungen jener zu bekämpfen. Es ist zwar sammenwirken mit allen Anderen eine Höheſtufe zu erreichen,
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sich gelten, sondern nur jener oberflächlichen Auf- Weiter aber! Fichte spricht nun von dem Drängen und fassung desselben, wie sie bei vielen angeblichen Demokraten Beben, welches den Nationalkörper durchzieht, um dem geistigen zu Hause ist. Da aber Lassalle das Wort Föderalismus nie gemeinsamen Inhalt auch die äußere entsprechende Form, die für sich in Anspruch genommen, da er es nie als Weckruf für Einheit, zu erzwingen und kommt, rathlos hin und hersufeine Agitation gebraucht hat, so scheint doch eine gewisse prin- chend und immer Berge von Hindernissen sehend, endlich zum zipielle Abneigung gegen denselben auf dem Grunde seiner Ausweg. Er ruft:„ Also her einen 3wing herrn zur Seele geschlummert zu haben. Denn bei der wahrhaft fun- Deutschheit!"„ Wer es sei – mache sich unser König( der damentalen Bedeutung des Föderalismus, muß ihm jede be- preußische) das Verdienst. Nach seinem Tode ein Senat, wußte sozial- demokratische Bewegung einen hochwichtigen, vielleicht den ersten Platz einräumen. Wir greifen im Folgenden einen einzelnen Punkt heraus, um zu zeigen, wie bei Lassalle
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*) Lateinisch: in der Nußschaale, kurz zusammengefaßt.