Demokratisches Wochenblatt.
Organ der deutschen Volkspartei und des Verbands deutscher Arbeitervereine.
No. 17.
Leipzig, den 24. April.
1869.
Das Blatt erscheint jeden Sonnabend. Abonnementspreis vierteljährlich bei allen deutschen Postanstalten sowie hier am Blaze einschließlich Bringerlohn 12% Ngr.; einzelne Nummern 1 Ngr. Abonnements für Leipzig nehmen entgegen die Herren G. Hofmann, Brühl 40, G. Richter, Peterssteinweg 7, Leipziger Consumverein, Universitätsstraße, und die Expedition d. Blattes in der Wohnung des Herrn A. Bebel, Petersstraße 18. Für Dresden Filialexpedition( interimistisch) M. Hendel, Wallstraße 10. Agent in London für England, Indien , China , Japan , Australien , Südamerika c. die deutsche Buchhandlung von Franz Thimm, 24 Brook Street, Grosvenor Square, London . Agent für London : A. Duenjing, Foreign Bookseller, Librarian and Newsagent, 8, Little Newport Street, Leicester Square, W. C.
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Inhalt: Politische Uebersicht. Die Internationale Arbeiter Assoziation . Eine Bartholomäusnacht der Bourgeoisie. Aus England. Vororts- und Arbeiter- Angelegenheiten. Genf , Berlin , Wien , Nürnberg Mittweida , Lengenfeld , Glauchau , Waldenburg , Neudörfel, Geyer, Crimmitschau . Briefkasten.
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Beilage: Aus Desterreich. Bücherschau. Anzeigen.
Politische Uebersicht.
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In jüngster Zeit sprengten Berliner Soldschreiber ge= flissentlich aus, zwischen der preußischen und österreichi= schen Regierung habe eine Annäherung stattgefunden; und wer eine blühende Phantasie hatte, sah schon das politische Rühr stück sich abspielen, daß die von den Preußen aus Deutschland hinausgeworfenen Desterreicher diesen selbigen Preußen in überchristlicher Großmuth zu Hülfe eilen und sie davor bewahren würden, ihrerseits durch die Franzosen aus Deutschland hinaus geworfen zu werden. Natürlich waren die betreffenden Gerüchte nur blauer Dunst. Die preußische Regierung hat es allerdings und aus guten Gründen nicht an Versuchen fehlen lassen, die österreichische Regierung für eine Allianz zu gewinnen, und es sollen zu diesem Zweck gar wundersame Frauenintriguen angezettelt worden sein, allein die Antwort lautete unabänderlich: Non possumus!( Wir können nicht), und soeben sind im Auftrag der österreichischen Regierung im neusten Band des Generalstabs- Berichts über den Feldzug von 1866 Aktenstücke veröffentlicht und Andeutungen gemacht worden, so kompromittirend, so verletzend für Preußen, daß bloß noch ein Thor an eine Aussöhnung denken kann, so lang das Bismard'sche Preußen besteht.
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Aus den Aktenstücken heben wir folgende Note des Gra= fen Bismarck an den preußischen Gesandten in Paris , Grafen bon der Goltz, heraus. Sie trägt das Datum des 20. Juli 1866:
" Der König hat zu dem Waffenstillstande seine Genehmigung ertheilt. Barral, der ebenfalls hier ist, erbittet sich Instruktionen und Vollmacht von Florenz . Es ist zweifelhaft, ob diese so rasch eintreffen könen. Der König hat sich nur sehr schwer und aus Rücksicht auf den Kaiser Napoleon hierzu entschlossen, und zwar in der bestimmten Voraussetzung, daß für den Frieden ein bedeutender Territorial- Erwerb im Norden Deutschlands gesichert sei. Der König schlägt die Bedeutung eines norddeutschen Bundesstaates geringer au als nen, die ich allenfalls neben der Reform als Bedürfniß ansehe, weil sonst Sachsen , Hannover für ein intimes Verhältniß zu groß blieben. Der König bedauert, daß Eure Excellenz nicht an dieser Alternative des Programmes vom 9. nach dem Schlußsatze der Depesche bis auf Weiteres festgehalten haben. Er hat, wie ich zu Ihrer ganz intimen persönlichen Direktive mittheile, geäußert:„ Er werde lieber abdanten, als ohne bedeutenden Ländererwerb für Preußen zu= rüdtehren," und hat heute den Kronprinzen hierher gerufen. Ich bitte Eure Excellenz, auf diese Stimmung des Königs Rücksicht zu
nehmen.
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,, Noch bemerke ich, die französischen Punkte würden uns, vorausgesetzt eine Grenzregulirung mit Oesterreich, auch als Präliminarien für den Separatfrieden mit Sesterreich genügen, wenn Desterreich einen solchen schließen will sie genügen nicht für den Frieden mit unseren übrigen Gegnern, besonders in Süddeutschland ; ihnen müssen wir besondere Bedingungen machen, und die Mediation) des Kaisers, die sie nicht angenommen, bezieht sich nur auf Desterreich. Wenn auch wir Italien gegenüber frei würden durch Cession Venedigs , so können wir doch Italien nicht freilassen, bevor das im Trattate für uns stipulirte Aequivalent Vene tiens uns gewährt ist."
Mit Recht sagt die Zukunft": Die Veröffentlichung dieser Note wird dem Grafen Bismard unangenehmer sein, als ein halb Dußend Usedom 'scher Indiskretionen**). Der boshafteste und schlimmste Hieb wird aber der preußischen Politik am Schlusse des genannten Werks versetzt. Nachdem darauf hingewiesen, daß Preußen durch den Krieg des Jahres 1866 einen Gebietszuwachs von 1300 Quadratmeilen mit 3,170,632 Einwohnern erlangt hat, wird gesagt:
,, Gegenüber diesem plötzlichen und unverhältnißmäßigen Anwachsen der preußischen Macht fand nach glanbwürdigen, der kaiserlich österrei= chischen Regierung zugekommenen Nachrichten Frankreich schon damals Veranlassung, unter der Hand in Berlin die Frage der Wiederherstellung seiner Grenzen vom Jahre 1814 anzuregen. Es ward berichtet, daß die französische Diplomatie, als sie auf Zurückgabe von Landau , Saarlouis , vielleicht auch Luxemburgs hindeutete, einer peremptorischen***) Ablehnung nicht begegnete; auch scheint es, daß das preuBische Kabinet gegen eine Erweiterung der französischen Grenzen nach Beliegen hin noch weniger einzuwenden gehabt hätte. Eine nahe zukunft sah die luxemburg 'sche Berwicklung auftauchen, in deren Folge schen Bundessestung, deren Werke geschleift werden sollten, zurückzuPreußen genöthigt ward, seine Besatzung aus dieser ehemaligen deutziehen."
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Solche Enthüllungen pflegen einen praktischen Zweck zu haben. haben. Als die Usedom 'sche Note veröffentlicht ward, hatte der französische Kaiser nach dem nachträglichen Geständniß Bismarcs den Krieg gegen Preußen beschlossen, ein Beschluß, dessen Ausführung durch den ,, glücklichen Zufall" der spanischen Revolution verschoben wurde. Kein Wunder, daß sich an diese neuesten Enthüllungen allerlei ,, beunruhigende" Folgerung en knüpfen. So viel ist gewiß, wer Krieg mit Preußen will, muß es des nationalen Nimbus berauben, und den übrigen, ihm noch nicht feindlich gesinnten Staaten verdächtig machen. Beides thut die österreichische Regierungsschrift gründlicher, als je zuvor geschehen ist.
Der Berliner ,, Reichstag " sorgt fleißig für Matulatur. Am Freitag hatte wieder eine große Zungenschlacht statt, die den Käsehändlern der Hauptstadt des Intelligenzstaats das Einwickelpapier mit der Zeit wesentlich verbilligen wird. Es handelte sich um einen Antrag auf Einsetzung ,, verantwort
*) Vermittlung.**) Unbesonnenheiten, Ausplaudereien.***) Entschiedenen.