zu ertheilen, und so ist denn in Seraing  , in dem gelobten Lande der ,, bürgerlichen Freiheit", in dem konstitutionellen Musterstaat Belgien  , ein neues Blutbad unter den Arbeitern angerichtet worden, das vom 9. bis zum 12. April währte.­

=

Am Freitag, den 2. April, hatte bei den Puddlern und Schürern in dem Eisenwerk der Gesellschaft Cockerill zu Se­ raing   eine Arbeitseinstellung begonnen. Hauptgrund derselben war, neben einer Lohnherabsetzung von über 20 Prozent und anderen Verkürzungen, daß die Prinzipale willkürlich und unversehens von den Arbeitern verlangten, statt der bisherigen 8 Mal, täglich 9 Mal zu heizen, und demgemäß unter An­drohung von der Entlassung zwölfstündige Ablösung( je von 6 bis 6 Uhr ankündigten.( In England heizen die Pudd­ler nur 6 Mal täglich). Die Arbeiter fanden es unmöglich, ein solches Quantum Tages- Arbeit auf die Dauer zu leisten, und weigerten sich, auf die Forderung einzugehen. Der Strike, der hierauf ausbrach, dauerte nur einen Tag( Sonn­abend). Bereits am Montag( 5. April) nahmen alle Arbeiter wieder ihre Arbeit auf, nachdem man ihnen zugesagt hatte, 1) den Aufschlag bezüglich der Arbeitsverlängerung zurückzu­nehmen; 2) die geforderte( unbedeutende) Lohnwiedererhöhung zu bewilligen und 3) einen Arbeiter, der wegen des Strikes entlassen worden war, wieder anzustellen. Die Arbeiter hatten Die Arbeiter hatten sich würdig verhalten, nicht die geringste Unordnung war vor gekommen; mit der Direktion des Werks war durch Dele= girte verhandelt worden. Die Internationale hatte am Tage des Strikes 250 neue Mitglieder nur unter der Bedingung aufgenommen, sich jeder gewaltsamen Kundgebung zu enthalten, ihre Beschwerden anständig vorzubringen und nichts Unbilliges zu fordern. Sie hatten es einmüthig versprochen und sie hatten ihr Versprechen gehalten.

Die Arbeiter hatten, wie gesagt, ihre Arbeit wieder auf­genommen, und vier Tage lang herrschte völlige Ruhe im Hammerwert, weil man den gehaßten Meister ferngehalten hatte, von dessen Tyrannei sich die Arbeiter befreit glaubten, als man ihn plötzlich wieder mit dem Direktor erscheinen sah, der erflärte, wer mit dem Wiedereintritt desselben nicht zufrieden sei, der solle nur fortgehen.

Sofort verließen alle Puddler das Werk. Der Direktor Der Direktor erschrat nicht darüber, denn man hatte die letzten vier Tage wohl benützt: man hatte unterdeß fertiges Eisen kommen lassen, so daß man die Puddler missen konnte! Die edle Haltung der anderen im Wert beschäftigten Arbeiter vereitelte indeß dieses jesuitische Manöver: die Schürer und Walzer erklärten, daß sie das Leos der Puddler theilen wollten, und das Eisenwert der HH. John Cockerill blieb leer.

Dies genügt, um zu zeigen, wer die wahren Urheber des Strifes sind. Man läßt lieber alle Arbeiter gehen, ehe man einen Unterbeamten wegschickt, dessen abscheuliches Benehmen seinen Herren, wie es scheint, sehr gut gefällt. Diese Leute wählen, wie die ,, Internationale" treffend bemerkt, ihre Auf­seher nach den Eigenschaften, die man bei den Bulldoggen jucht.

Soweit ging alles gut. Unglücklicherweise stellten die Arbeiter in den Cockerill'schen Kohlengruben gleichfalls die Arbeit ein, trotz der vernünftigen Vorstellungen der Serainger Mitglieder der Internationalen", die ihnen die Unzweckmäßig­feit dieses Schrittes darzulegen suchten. Andere Kohlengruben folgten diesem Beispiel, u. A. die Grube, l'Esperance"( ,, Hoff­nung"), deren Arbeiter übrigens längst vergeblich Vorstellun gen gemacht hatten, obwohl es leicht gewesen wäre, auf die­felben einzugehen.

Noch war nichts Bedauerliches geschehen; aber die ,, Her­ren", verrückt vor Furcht, sobald sie vier Arbeiter beisammen

189

sehen( Beweis, daß ihr Gewissen nicht ganz rein ist), lassen Truppen kommen, und diese bringen, wie immer, Verwirrung und Megelei mit.

Am 10. April( Sonnabend) Abends kam ein Delegirter der Sektion Lüttich   nach Brüssel  , meldete dem gerade ver= sammelten Belgischen Generalrath der Internationalen die in Lüttich   umlaufenden Gerüchte von einem Arbeiteraufstand und blutigen Gegenmaßregeln und bat den Generalrath, schleunigst einen Delegirten nach Seraing   zu senden, der die Arbeiter, welche Exzesse begangen haben sollten, beruhigen möchte. Eugen Hins reiste am nächsten Morgen mit dem ersten Zuge nach Seraing  , wo er, nach kurzem Aufenthalt in Lüttich  , gegen Mittag anlangte.

Ich war", berichtet er, auf den Anblick einer mili­tärisch besetzten Stadt gefaßt. Zu meinem großen Erstaunen ward ich keine Soldaten gewahr; nur hier und da sah man von Weitem die Helme einiger Gensdarmen hervorragen. Eine große Zahl von Arbeitern ging hin und her, andere bildeten Gruppen, aber alle erschienen sehr ruhig. Später verstand ich diese Ruhe: die Truppen verrichteten ihr Geschäft nur unter dem Mantel der Finsterniß. Diese Ruhe würde Jeden so gut als mich getäuscht haben: ich glaubte schon an Ueber­treibung und freute mich, jeden Streit beigelegt zu sehen." Erst in Lize, dem Sitze der Sektion Seraing  , erhielt Hins Kenntniß von den Gräueln, deren Schauplatz diese scheinbar so friedliche Stadt gewesen war. Er berichtet über dieselben nach den Mittheilungen von Augenzeugen:

Am Freitag Abend stand ein zahlreicher Haufe von Leu­ten in der Rue Cockerill. Fand Seitens der Menge ein Aft der Herausforderung statt? Wurde gleich anfangs mit Stei­nen geworfen? Wir wissen es nicht, bemerken aber zunächst, daß man auf die Truppen nicht geworfen haben würde, wenn sie sich nicht ganz unnüßer Weise gezeigt hätten, und sodann, daß, wenn unter Hunderten von Personen Einzelne mit Stei= nen werfen, dies noch kein Grund ist, Alle zu verurtheilen.

Die drei üblichen Aufforderungen gingen vor sich: Nichts ist so abscheulich als diese Art, sich einen Anstrich von Gesetz­lichkeit zu geben. Kann sich eine dichtgedrängte Masse in einigen Minuten so verlaufen? einigen Minuten so verlaufen? Sodann glaubt auch das Volk noch nicht genug an die Niederträchtigkeit seiner Stegie­renden, es glaubt stets, man drohe ihm nur im Scherz.

-

fetzte

In diesem Momente es war stockfinster( 10 Uhr), zwei Straßenlampen durchdrangen das Dunkel nicht, sich plötzlich die Kavallerie in Bewegung und fegte die Mitte der Straße, während die Infanterie mit gefälltem Bayonnette die Trottoirs entlang lief.

Denkt Euch das Gemezel, das in dieser dichten Masse, die getroffen wurde, ehe sie hatte fliehen können, angerichtet werden mußte!

Man verfolgte die Unglücklichen bis in die Häuser, in die sie sich geflüchtet hatten; war es ihnen gelungen, die Thüre zu schließen, so erbrachen die Soldaten dieselbe mit Kolben­ſtößen, und da sie nicht erkennen fonnten, wen sie verfolgten, so hieben sie, um ja nicht fehl zu gehen, auf Jedermann los. Nicht blos Wirthshäuser wurden derart gestürmt, sondern Privathäuser.

Es ist unmöglich, die Zahl der Verwundeten zu ermit­teln, aber sie mußte sehr beträchtlich sein; was die Todten betrifft, so nannte man zwei, aber wie viele Unglückliche wer­den noch abseits und unbemerkt gestorben sein!

Auf Seiten der Truppen sind, wie gewöhnlich, nur einige leichte Verletzungen vorgefallen." ( Schluß folgt.)