Weiße Sklaven.

Man schreibt uns: ,, Daß in unserm civilisirten Sachsen ebenfalls gemüthlich geprügelt wird, davon ein Beispiel, welches sich in letzterer Zeit auf dem Freigut Strießa bei Oschatz zugetragen hat.

Ein beim Besizer Rennert in Dienst stehender Knecht ward von Ersterem in Folge eines unbedeutendem Versehens dermaßen mit der Reitgerte traktivt und das Auge dei dieser Exekution so schlimm verlegt, daß er nothgedrungen sich an­dern Tags in die, eine halbe Stunde entfernt liegende Stadt Oschatz begeben mußte, um sich einen Arzt zu suchen. Gleich­zeitig wollte er einen Advokaten nehmen, der ihm zu seinem Recht verhelfen und bewirken sollte, daß seinem noblen Herrn die Heilkosten nebst Entschädigung zuerkannt würden.

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Aber hier hatte sich der arme Knecht gründlich verrechnet. Er klopfte bei diesem und jenem Advokat und Arzt an, erzählte jedem jeine traurige Lage aber seiner wollte, obgleich sie seinen Zustand für sehr bedenklich hielten, sich feiner annehmen, indem dieje Herren sich das Mißfallen des Herrn Rennert nicht zuziehen wollten; derselbe hat nämlich in dortiger Gegend ein bedeutendes Jagdgebiet, und es wäre doch gar zu schlimm gewesen, dann nicht mehr zur Jagd eingeladen und in den sonstigen Freundschaftsbezeugungen beeinträchtigt zu

werden!

Der hülflose Mann trat nach langem, vergeblichem Um hersuchen den Rückweg an, mit dem Bewußtsein, daß er nir­gends Beistand bekäme. Um eine Kleinigkeit zu kaufen, begab er sich in einen Kaufladen; sein Ausschen fiel auf und man fragie ihn, warum er das Gesicht verbunden habe, worauf er den ganzen Vorgang erzählte. Der Ladeninhaber und noch meh rere Anwesende waren so empört, daß sie augenblicklich auf Mittel sannen, dem armen Menschen zu helfen. In diesem Augenblic ging ein Militärarzt der dortigen Garnison vorbei, und die Leute machten den Knecht auf diesen menschenfreund­lichen Mann aufmerksam. Der Knecht ging hinaus und er zählte dem Arzte die Sache, worauf dieser mit dem Weißhan delten sofort in seine Behausung sich begab und ihm ver­sprach, weitere Schritte in der Angelegenheit zu thun."

( Es wäre zu wünschen, daß die Namen der sauberen Herren Aerzte und Advokaten, die dem Weißhandelten ihre

Dienste verweigerten, der Oeffentlichkeit übergeben würden.

Eine wahre Schmach wäre es aber, würde Herr Rennert nicht

vor die Schranken des Gerichts gezogen.

Bücherschan.

D. Red.)

Der Anschluß Süddeutschlands an die Staaten der preußischen Hegemonie; sein sicherer Untergang bei einem französisch­preußischen Kriege. Mahnung an alle Patrioten. Mit wissenschaftlichen Gründen dargethan von einem deutschen Offizier.( Artolay.) Motto: Such nur die Menschen zu verwirren! Sie zu befriedigen, ist schwer!( Goethe.) Zürich . Verlags- Magazin. 1869. 58 Seiten.

Was nützt es, Leuten, die nur an die Gewalt glauben, von Moral zu predigen? Moral, Ehre, Gewissen, Freiheit, Humanität, Hecht, alles das ist ihnen nur Phrase, wenn es ihnen von Seiten Derer vorgehalten wird, die das Jahr 1866 mit seinen ,, herrlichen Thaten" für das größte Ver= brechen halten, das je an Deutschland und in Deutschland be=

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Sprache, der muß ihnen zeigen, daß sie gerade das, wonach ihr ganzes glühendes Streben ging, wonach sie so verzweifelt rannten, neben sich Alles im Stich lassend, daß sie gerade Das auch nicht erreicht haben! Das Schattenbild, nach dem die Großpreußen jagten, war die Macht." Die Klugen, die oben stehen, wissen seit der Luxemburger Schmachgeschichte be­reits, daß von ,, Machtzuwachs" keine Rede ist. Aber das Volk hat es noch nicht gewußt. Im Nordbund und in Süddeutsch­ land , ja selbst in Desterreich, giebt es noch sehr viele Michel, die ehrlich glauben, durch die Mezeleien von 1866 habe Deutschland wenigstens nach Einer Seite hin an Macht und Sicherheit zugenommen, nämlich im Norden; und der Süden habe eigentlich doch nicht so sehr viel, diesem Vortheil gegen über, verloren, da ihn der starke Freund im Norden, wenn etwa Gefahr von Frankreich her drohen sollte, schon ebensogut beschützen werde, als früher.

Da ist es nun das Verdienst Streubel's, eines frei­denkenden großdeutschen Offiziers, unter dem Namen Arto­lay, die Frage des Anschlusses Süddeutschlands an den Nord­bund untersucht und in einer zugleich wissenschaftlichen und populären Weise dem ganzen Bolte verständlich dargestellt zu haben.

Das Ergebniß seiner Untersuchung ist die Thatsache, daß besagter Anschluß bei einem französisch- preußischen Striege der sichere Untergang Süddeutschlands wäre.

Damit hat Arkolay den Lobrednern der Gewalt und des erobernden Preußenthums eine Wunde geschlagen, die nie wie der vernarben wird! Die studirte Kriegskunst, sagt er sehr richtig in der Einleitung, ist gar nicht so schlecht..... Es war nur der Fehler, daß sie seither einzig dem Interesse der Dynasten diente, daß sie fast nie herübertrat auf die Seite des freien Denkens, auf die Seite des Volts."

Artolay, auf die Seite des Boltes fich stellend, fritijir zunächst das Treiben der ,, Nationalen" und konstatirt, daß dieselben, obwohl ganz und gar unvermögend, den Anschluß an den Nordbund durch ihr komisches Drängeln, Leitartikeln und Resolutionenfaffen durchzusetzen, dennoch die schon durch das bloße Dasein des Nordbunds an sich vorhandenen permanenten Schuß des deutschen Bundes hat aufgehört. Die Südstaaten Kriegsgefahren ganz überflüssiger Weise vermehren. Der politisch vogelfrei; sie sind nur so weit sicher, als ihre poli sind bei eintretenden Berwicklungen seit Auflösung des Bundes

tische Macht reicht. lay, wird bei einem Conflikt mit Frankreich jedenfalls einen harten Stand haben. Es wird ihm, noch dazu an der Spit des Despotismus, nicht leicht werden, ganz Deutschland aufzurufen gegen das nämliche Ausland, welchem der Nord bund zu einem großen Theil sein Bestehen verdankt, und welches vor nur wenig Jahren die Aeltern desselben( faum ohne Aus jicht auf gute Gebühren!) feierlich zu traute!

,, Aber Preußen?" ,, Preußen, sagt Arto

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Biarri

gegen

Dann

,, Wir haben viel auszufezen an Preußen und an feinem Thun . Gleichwohl wünschen wir ihm in einem Kampfe Frankreich den Sieg, wäre es auch nur deshalb, weil dan der Schüler im Despotismus seinen Meister besiegte, weil so ein Sieg bei der heutigen Lage Europa's ganz andere Folgen hätte, als Herrn von Bismarck angenehm

fönnte.

und

gewiß

jein

,, Allein mit diesem Wunsch ist noch lange nicht bewiejen gangen wurde. Alles das prallt von der marmornen Bruft daß es siegen werde, noch weniger, daß der deutsche Süde

der Machtanbeter zurück und erregt ihnen höchstens endlose einen solchen Zusammenstoß provoziren*) müsse, wie es bi

Heiterkeit! Nein, wer sie widerlegen will, wer ihnen beweisen will, daß ihre Moral unmoralisch, ihre Ehre ehrlos, ihr Ge­wissen gewissenlos, ihr Recht die Rechtlosigkeit, ihre Humanität Barbarei und ihre Freiheit die Knute ist, der muß in ihrer Sprache mit ihnen reden, in der Blut- und Eisen­

Berantwortlicher Redakteur: W. Liebknecht. ( Redaktion: Braustr. 11).

Nationalen zu erstreben scheinen.

* Herausfordern.

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( Schluß folgt.)

Leipzig .

Druckt und Verlag: F Thiele Expedition: Petersstraße 18.