,, Heute( 28. Mai) traf in Egeln   ein Trupp von über hundert Köpfen beiderlei Geschlechts hier ein, Leute von einer sehr wohlthuenden äußern Erscheinung, von starkem Körperbau und von einem sehr wohlgenährten Aussehen. Es machte aber einen sehr schmerzlichen Eindruck. Diese Leute wurden nun von ihren fünftigen Brodherren oder deren Vertreter ganz nach Art der Sklaven besichtigt, gewählt, taxirt und vertheilt und dann truppweise theils zu Wagen, theils zu Fuß nach ihren Bestimmungsorten abgeführt. Auch schien es, als ob diesen Leuten bei dem Engagement in ihrer Heimath von den Agenten ganz andere Aussichten über ihre hiesige Stellung gemacht wor den seien, als sie jetzt zu gewärtigen befürchten, denn mehrere von ihnen und besonders die, übrigens sehr wohlgestalteten Mädchen schienen sich trüben Gedanken hinzugeben und weinten recht bitterlich."

Aber nicht blos ausländische Sklaven kauft sich das deutsche Kapital, um die deutschen Sklaven in der Lohnknechtschaft zu erhalten; auch deutsche Sklaven, Sklaven in Uniform( von der Conkurrenz der Arbeiter unter sich sei hier nicht geredet) hat es sich zu diesem Zwecke gemiethet: in Kassel   und in Leip­ zig   sind Soldaten an die Arbeit gestellt worden, um die strifenden Arbeiter ,, unter zu kriegen". Also nicht genug, daß der Arbeiter den Soldat zu ernähren hat, muß er sich auch noch gefallen lassen, daß dieser von ihm gefütterte Soldat für ein kleines Taschengeld( denn seine Löhnung hat er ja vom Schweiß der Arbeiter) ihm das Brod vom Mund wegnimmt, um ihn durch Hunger zur Unterwerfung unter den Meister zu zwingen. Diese modernen Dragonaden zeigen das Bündniß des Kapitals mit der Staatsmacht: der uniformirte Sklave, der heut den nicht uniformirten in der Werkstätte niederzu arbeiten hat, erhält vielleicht mor= gen den Befehl, ihn auf der Straße niederzuschießen. Zweierlei erhellt aber aus diesen Vorgängen:

Das Kapital ist international, darum muß der Kampf gegen das Kapital international geführt werden Proletarier aller Länder ver= einigt euch!

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Der sozialen Unterdrückung entspricht die politische. Darum muß der soziale Krieg auf politischem Gebiet ausgefochten werden. Keine Befreiung von der Lohnslaverei außer im freien Volksstaat!

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ist das unwahr, entrüstet sind höchstens diejenigen, welche keine Noth haben. Das, Chemnitzer Tageblatt" fährt dann fort: ,, Wer freilich in den guten Fransen Perl und Posamenten­jahren 1864 und 65 sein Geld verjubelt hat, ohne für spätere Zeiten sich Sparpfennige zu sammeln, wem die zarten Fransen- und Posamentierfinger wehe thun, wenn er einmal zu härterer Arbeit greifen muß, die mögen klagen und an flagen, aber nur sich selbst." Also der Arbeiter hat sparen sollen! Welcher Unsinn. Wer berechnen will, was mit 2% und 3 Thlr. zu thun ist, die man in den genannten Jahren verdienen konnte, der wird finden, daß an Sparen nicht viel zu denken war, besonders wenn man sich satt essen und kleiden wollte, worauf man damals sah und sehen mußte, weil man ganz abgerissen war. Wenn der Arbeiter bei solchem Ein­kommen sparen soll, wie kommt es, daß Andere mit bedeutend höherm Gehalt nicht auskommen? Daß ferner dem Posamen tier die Finger nicht wehe thun und er feine Arbeit scheut, ist eine bekannte Thatsache. Es wird wenig Posamentiere geben, die nicht schon Jahre lang schwere Handarbeit getrieben haben; der Schreiber des Tageblatt"-Artikels macht es frei lich keinem Posamentier nach.

Betreffend den Nothstand habe ich heute nur hinzuzu fügen, daß viele Arbeiter wieder ohne Beschäftigung sind und, wenn in einigen Tagen feine Aufträge eingehen, so wird es mit einem Schlage aus. Es sind schon mehrere Fälle be­fannt, wo der Mann auswärts arbeitet und die Frau und Kinder zu Hause hungern; wir haben diese Fälle jetzt berüc sichtigt und werden dieselben unterstützt.

Ueber den Besuch des Hrn. Kreisdirektors Folgendes:

Den 29. vor. Mts. Mittag 1 Uhr kam derselbe mit Extrapost hier an. Um 4 Uhr ließ er Hrn. Demmler holen; dieser constatirte, daß bei dem jetzigen Lohnverhältniß bei voller Arbeit nicht auszukommen sei, geschweige wenn die Geschäfte nicht gehen wie dieß zeither der Fall sei und daß bei Geschäfts stockung dann ein Rothstand entstände; er gab über die Lohn verhältnisse wahrheitsgetreue Einzelheiten. Allein mau mußte den Hrn. Kreisdirektor bereits anders berichtet haben; denn er erklärte, daß man ihm gesagt habe, ein Posamentier könne 2 Thlr verdienen, während in anderen Städten die Weber noch weniger verdienten und dabei zufrieden seien, weil es ja nicht zu ändern sei. Aber in ganz Geyer   giebt es fei nen Posamentier, welcher 2 Thlr. verdienen kann, mithin hat man den Hrn. Kreisdirektor angelogen. Hr. Demmler stellte dies vor, allein die Zustände wurden nicht

Alexander v. Humboldt über den Berliner   so schwer erachtet als sie sind; freilich war grade 8 Tage vorher

Hof.

,, Alexander von Humboldt   sagte es gäbe feinen Ort in Europa   mehr, wo der Hof und die vornehme Ge­sellschaft so völlig geistlos, roh und unwissend sei und es sein wolle, wie hier( in Berlin  ). Man lehne mit Wissen und Willen jede Kenntniß eines andern Lebens und anderer Meinungen und Stellungen ab, wolle die übrige Welt, auch die nächste, ignoriren, sich einschließen in hohlem Absondern und elendem Stolze." Varnhagen, Blätter aus der preuß. Geschichte, Leipzig  , Brockhaus 1869.( Diese Aeußerung stammt aus dem Jahre 1836. An dem oben geschilderten Hose erhielt der jetzige König von Preußen feine Erziehung; aus der oben geschilderten Gesellschaft sind die jetzigen Lenfer Preußens hervorgegangen.)

Das sächsische Ostpreußen  .

II.

Geyer  , 10. Juni. Daß einige Zeitungen schreiben, das ,, Demokratische Wochenblatt" habe gelogen, hat hier in der ganzen Umgegend den gerechten Zorn der Arbeiter erregt. Wenn das ,, Chemnizer Tageblatt" sagt, das Demokratische Wochenblatt" habe die allgemeine Entrüstung hervorgerufen, so

etwas Arbeit eingegangen, welche, beiläufig bemerkt, jetzt z Ende ist. Der Hr. Kreisdirektor bemerkte noch, daß es nicht schön sei, die große Glocke anzuschlagen und daß ein braver Bewohner und ein guter Patriot teinen solchen öffentlichen Lärm machen solle, sondern in Geduld warten bis es von selbst besser werde*); der Staat tönne auch nicht helfen, weil zu viel solche und noch schlechter beſtellte Städte wären; die in Aussicht genommenen Abhülfe- Mittel( Berg und Bahnbau) zerschlügen sich natürlich ohne weiteres, indem dazu die Staatsunterstützung erforderlich wäre.

Ein weiteres Resultat kann ich Ihnen nicht berichten, als daß das Chemnißer Tageblatt" behauptet, der Kreisdirektor habe sich von der Unwahrheit des Demokratischen Wochen blattes" überzeugt. Aber nicht das Demokratische Wochen blatt" hat gelogen, sondern die, welche sagen, der Posamentier verdiene 2 Thlr. Hr. Demmler war auch schon einige Mal beim Bürgermeister, welcher ihn rufen ließ, um über Ab­hilfe zu berathen, allein die Mittel sind schwer und ohne Kapital ist nichts zu beginnen! So viel für heute.

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Ehrenfriedersdorf  , 15. Juni. Die im ,, Demokratischen Wochenblatt" erschienenen Aufsäge, den Nothstand in Geyer   be

*) Mit andern Worten, ruhig verhungern solle. ,, Rube ist die erste Bürgerpflicht."