oder eines Systems nicht richtig zu beurtheilen verstehen, weil fie, wie es jetzt häufig vorkommt, allein das, was zum Ge­müth spricht, höher halten, obgleich es, mit Verstand be­trachtet, höchstens als schöner Traum erscheint. Es ist daher um so mehr nothwendig, wenn die Freiheit nicht zur Unfrei heit ausarten und wenn der wahre Fortschritt erzielt werden soll, daß allen Solchen, die Fähigkeit und den guten Willen zeigen, der Freiheit und dem Fortschritt zu dienen, niemals auf Versammlungen das Wort entzogen oder verweigert wer­den darf.

Es wäre wünschenswerth, daß man einen allgemeinen Grundsatz aufstellte, an dem jede Versammlung als selbstver­ständlich festhielt, etwa, daß der Referent in der Regel ½ Stunde, alle nachfolgenden Redner 4 Stunde sprechen; daß man ferner, wenn 2 Parteien oder Meinungen auftauchen, abwechselnd die Redner für und gegen sprechen ließe; ferner, daß Solche, die zu roh sind und durch Gebrüll, Pfeifen und sonstiges Toben den Gegner überzeugen wollen, aus der Ver­ſammlung verwiesen würden; desgleichen daß solchen Rednern, welche die Leidenschaft der Zuhörer anstacheln und durch Schimpfen und Verdrehung die Wahrheit entstellen, das Wort entzogen, und beim Skandalmachen das Lokal verwiesen würde. Der Vorsitzende muß selbst als Parteimann bestrebt sein, da, wo es sich darum handelt, die Vernunft und das Recht zur Geltung zu bringen, es als höchste Ehre und Pflicht betrachten, unparteiisch die Versammlung zu leiten. Je mehr er bemüht st, dem Gegner das volle Recht einzuräumen, um so mehr wirft er zur Klärung schwieriger Fragen, und um so mehr nöthigt er den Gegnern Achtung ab.

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Aus England.

London , 5. Juli.

Wenn, wie so mancher Schriftsteller behauptet hat, die Völker nur Familien im Großen sind, so ist es gewiß, daß sich in diesen Volks Familien sehr viele Stief- Geschwister be finden. Auf einigen Quadratzollen Papier , die vor mir liegen, steht obenan: ,, Festschmans der Minister Ihrer Majestät." Es ist die Ueberschrift eines Berichtes des letzten Banketts, das der Bürgermeister von London in der ägyptischen Halle des Rathhauses( Mansion House) gegeben. Ungefähr dritthalb­hundert Personen nahmen Theil- ,, ein Schauspiel von großer Bracht und Herrlichkeit". Nach Tische erhob sich der Bürger­meister und trank auf die Gesundheit der Königin; er schloß feine Lobrede mit folgenden Worten: ,, Möge sie lange regieren über ein freies, trenes und blühendes Volk".

Kehren wir das Blättchen um: etwas weiter unten auf demfelben Papier heißt's: Tragödie in Smithfield Leichenschau". Vorigen Montag Morgen erhielt die City: Polizei folgenden lakonischen Brief:

,, Meine Herren, Ihre Gegenwart wird 15 Hosier Lane erfordert. Ein anderer Brief, den ich an meinen Bruder 12 Milf Street Bristol geschickt habe, gibt Näheres. Der Jhrige W. G. Duggan."

Ein ,, Bolizeimann"*) verfügte sich an Ort und Stelle, das Haus war verschlossen, es wurde aufgebrochen: Duggan, seine Frau und sechs Kinder lagen todt in ihren Betten, ver­giftet mit Blausäure. In dem Brief an den Bruder stand die Geschichte der unglücklichen Familie. Duggan war Silber­ schmied , litt an der Schwindsucht und wohute in seines Arbeit­gebers Haus. Er war aus der Arbeit entlassen worden und sollte das Haus räumen. Krant, mit kränklichen Kindern, ohne Arbeit, mit einer großen Familie und keiner Fürsprache früherer Brodherr weigerte sich ihm eine Empfehlung zu geben­

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redete er seinen Meister, ihn noch eine Woche bleiben zu lassen. Am Freitag sagte dieser zu Duggan: Nächsten Montag müssen Sie mein Haus räumen oder ich setze Sie und Ihre Habselig­feiten auf die Straße. Der Meister stellte die Behauptungen Duggan's in Abrede und die Jury urtheilte, daß Vater und Mutter ihre Kinder und sich selbst in einem Zustande der Geisteskrankheit ermordet hätten. Damit ist Alles wieder gut. Fort mit den Duggans! Sie gehören zu Brittannia's Stief= kindern.

Ein andres Bild auf demselben Stückchen Papier : Die Her zöge von Newcaſtle sind leibliche Kinder der Brittannia, eine Zierde der brittischen Familie. Vor vielen Jahren verkaufte ein im Staatsdienst beschäftigter Sprößling der Newcastles dem Haupte mehrere hundert Acker Kronländer für 25 Silber­groschen den Acker. Der gegenwärtige Herzog ist ein junger furze Zeit Herzog, ein Lebemann, der viel Bergnügen aut Mann von 35 Jahren, ein geborner Gesetzgeber. Er ist erst Wettrennen findet. Er hat unglücklich gewettet, Schulden und zuletzt Bankerott gemacht. Da er Herzog ist, so können seine Gläubiger nur seine Mobilien in Beschlag nehmen.*) wollte einen Vertrag mit ihm abschließen. Er sollte drei Jahre lang sich auf 10,000 Pf. St. jährlicher Ausgaben gleich 67,000 Thlr.) beschränken, in der Zwischenzeit hätten alle seine Schulden bezahlt werden können er zog leer, seine Keller leer den Bankerott vor. Seine Zimmer sind leer, seine Ställe leer, ſeine Keller leer vierundzwanzig verschiedene Sorten lebt, er ist kein Stiefsohn, er kann nicht aus dem Haus ge Wein wurden versteigert,- aber der Herzog von Newcastle worfen werden.

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Man

Die nächste Spalte des nämlichen Papiers enthält den Bericht einer Auswanderungs- Konferenz der Londoner Armen verwaltungs- Bezirke. Der allerlästigste Theil von Brittannia's Stieftindern wird unangenehm zahlreich. In zehn Jahren haben sie sich in London von 68,826 auf 144,469 vermehrt, es sind die Baupers. Man hat berechnet, daß, wenn man jähr lich einen Penny( 8-9 sächs., 10 preuß. Pf.) von dem besteuerbaren Einkommen der liegenden Güter der Hauptstadt erhebt, jähr lich 5000 Paupers nach Australien befördert werden können; aber es geht nicht ohne die Zustimmung der Regierung. 3 Hause kosten sie ihren reicheren Brüdern jährlich 7 Pf. St. per Kopf verschuldeten Herzog. Für 14 Pfund kann man sie nad - also 1428 Pauper- Stieffinder sind gleich einem Australien schicken, dort werden sie glücklich werden, den Handel und die Industrie der Heimath befördern. Man wird sie nicht alle auf einen Platz schicken, man kann sie vertheilen, Listen bereit halten, wo australische Bürger, die ihrer Dienste dürfen, ihre Namen einschreiben können­fort, fort mit den Paupers, sie sind Stieftinder, hier eine Last, in Australien werden billige Arbeiter gebraucht. werden billige Arbeiter gebraucht. Also fort mit ihnen! Die Steuer soll auf zehn Jahre ausgeschrieben werden in Jahren kann man 50,000 fortschaffen. Hätte man vor zehn Jahren angefangen, so würden von dem Zuwachs der letzteren zehn Jahre noch immer 24,600 übrig sein. Dieses mit dem ursprünglichen Vorrath von 68,826 gäbe die Summe yo 93,426. Ist das nicht ein unfehlbarer Weg zur Regeneration ( Neugeburt) der Gesellschaft? Weise Kinder, diese Staats- und Geſellſchafts- Doktoren! Der Londoner Bürgermeister ist ein enthusiastischer Befürworter der Arbeiterauswanderung. Sind das nicht glückliche Zustände und blühende" Völker, welche ihnen Leben? Noch hat sich die Konferenz nicht geeinigt, Verhandlung ist vertagt.

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Eines ihrer Stieffinder nach Australien zu schaffen toftet der Gesellschaft 14 Pf. St., das Parlament hat dem Prinzen Alfred 3,300 Pf. St. vergütet für die Gunstbeze - fein gungen, die er auf seiner Luftreise nach Australien in der Form von Geschenken erwiesen hat. Also 235 Stiefföhne der Gefell fonnte er keine Wohnung finden. Nach seiner eigenen Aussage über- fchaft sind gleich den Gunstbezeugungen eines rechten Sohnes

* In England nennt sich selbst der Polizeidiener einen Bolizei­mann. Charakteristisch.

TES

*) Das Grundeigenthum des Englischen Adels ist unverkäuflich