Demokratisches Wochenblatt.

Orgar: der deutschen   Volkspartei und des Verbands deutscher Arbeitervereine.

No. 30.

Leipzig, den 24. Juli.

1869.

Das Blatt erscheint jeden Sonnabend. Abonnementspreis vierteljährlich bei allen deutschen   Postanstalten sowie hier am Blaze ein­schließlich Bringerlohn 121 Ngr.; einzelne Nummern 1 Ngr. Abonnements für Leipzig   nimmt entgegen Herr G. Nichter, Peterssteinweg 7, Leipziger Consumverein, Universitätsstraße, und die Expedition d. Blattes in der Wohnung des Herrn A. Bebel, Petersstraße 18. Für Dresden   Filialexpedition( interimistisch) M. Gendel, Wallstraße 10. Agent in London   für England, Indien  , China  , Japan  , Australien  , Südamerika   c. die deutsche   Buchhandlung von Franz Thimm, 24 Brook Street, Grosvenor Square, London  . Agent für London  : A. Duensing, Foreign Bookseller, Librarian and Newsagent, 8, Little Newport Street, Leicester Square, W. C.  

Inhalt: Politische Uebersicht. Aus Desterreich. Zum Congreß Contra Schweitzer- Hatzfeldt( Mende). Bororts- und Arbeiter- Angelegenheiten: Der 6. Vereinstag; Zur Beachtung für den Congreß und Bereinstag; Nürnberg  , Hainichen  , Altenburg  , Crim­ mitschau  , Mütfen St. Nitlas, Berlin   Leipzig  . Brieftasten.Anzeigen. Beilage: Aus England. Contra Schweizer- Hatzfeldt( Mende).

Politische Uebersicht.

Bankerott des Cäsarismus in Berlin   und in Während Graf Bismard auf seinem Landgut der

Baris.

Papierfabrikation lebt und sehnsüchtig nach einem ,, Staatsmanne" ausschaut, der verwegen genug ist, die Lenkung der festgefahrnen Nordbundskutsche zu übernehmen, ist die Maschinerie des fran zösischen Kaiserreichs vollständig in's Stocken gerathen. einigen Tagen schilderte ein, nicht durch ,, Unversöhnlichkeit" auszeichnendes Blatt, der Gaulois", die Lage wie folgt:

Vor

fich

,, Wohin gehen wir? Der gesetzgebende Körper, der in seinem Schooße 55 beanstandete Mitglieder zählt, ist vertagt; der Senat eristirt noch nicht, da er auf den 2. Auguſt einbe rufen ist; ein Ministerium giebt es nicht mehr, da die Minister ihre Entlassung eingereicht haben. Es iſt unmöglich, ein neues und wirkliches Stabinet zu bilden 1) weil die konstitutionelle Reform, welche die Unverträglichkeit der Funktion des Miniſters mit der Stellung als Deputirter aufhebt, vom Senat noch Entſchluß gefaßt haben, um deffentwillen sie zu beglückwünſchen sind; Emile, Ollivier, Buffet, Talhouet und Latour- du- Moulin haben nämlich erklärt, daß sie nicht eher ein Portefeuille an= gestellt ist. Wir haben folglich kein Ministerium mehr, keinen ntöglich und der Senat tritt noch vor dem 2. August zusam men. Das ist das Resumé der Situation, welche noch er=

-

Die

Beeinflussungen und Fälschungen auf seine Schultern genom= men hatte, hat seinen Posten behalten weil kein Andrer zu finden war. Die Ratten verlassen das sinkende Schiff. finden war. Ehrlichkeit hatte nie etwas mit dem Kaiserreich zu schaffen nun wendet sich auch das unehrliche Talent von ihm ab, denn es will nicht in den Sturz des morschen Baues verwickelt werden.

Unmittelbar vor der Entfernung Rouber's ſagte der alte Thiers in einem Gespräch: Sehen Sie, es ist von den Fürsten  nichts, absolut nichts zu hoffen, sie sind ohne Ansnahme klein­Lich, engherzig und unglaublich verstockt. Nehmen Sie nur den unfrigen, der doch seine Erhebung nur einem Akte des Bolts­willens(??) verdankt. Ist er nicht ebenso beschränkt, als jei er legitimen Ursprungs? Man muß durchaus mit der veralteten Regierungsform brechen. In der Ex­wartung von Besserem mache ich mich verantwortlich, mit der

Niederwerfung des Vizekaisers Rouher zu beginnen."

Nun, der Vizekaiser ist gefallen. Jetzt hätte also der

Erminister Louis Philipp's an dem staiser selbst sein neu­gebacnes Müthchen zu fühlen.

gebacknes Müthchen zu fühlen. Der braucht sich aber nicht vor ihm zu fürchten. Auch Er wird fallen aber nicht

durch Thiers, ebenso wenig durch die redeluſtigen Herren vom Schlage der Jules Favre   und Garnier Bagés.

reich mit ängstlichen Blicken. Rouher, der jest bei Seite ge­

schoben ist, galt als Gegner der Kriegspolitik, man besorgt, der Kaiser werde sich in seiner Verlegenheit nicht anders zu

helfen wissen, als durch eine Aktion nach Außen.

Mit diesen Befürchtungen hängen die Gerüchte von einer

beabsichtigten Wiedereinsetzung der depoſſedirten" Fürſten   zu­

sammen. Wir legen denselben übrigens kein Gewicht bei, denn obgleich der status quo in Preußen und Deutschland   unhaltbar

in den Bereich der Unmöglichkeit.

schwert wird: 1) durch die offen ausgesprochene sehr lebhafte ist, so gehört doch eine Rückkehr zu den Zuständen vor Unzufriedenheit der 55 beanstandeten Deputirten, welche durch die Brorogation in eine sehr peinliche Lage kommen; 2) durch

die

unangenehme Ueberraschung, welche die Bekanntmachung der

Bertagung int, Offiziellen Journal", ehe sie der Kammer mit­getheilt worden war, in letterer hervorgerufen hat; 3) endlich durch die allgemein verbreitete, und durch eine Aeußerung bor dem Monat Oktober nicht wieder zusammentreten wird.

-

Seitdem ist die Verwirrung, das Gachis", um einen drastischen französischen   Ausdruck zu gebrauchen, noch ärger ge­

worden.

Nicht einmal zu einem Bedientenwechsel hat die Rouher  , das Haupt des

sogenannte ,, Ministerkrise" geführt. Kabinets, ist allerdings für den Moment geopfert worden, allein die andren Lafaien find im Amt geblieben, und der ,, Miniſter  " des Innern, Herr Forcade de la Roquette, der in der Kammer die Verantwortlichkeit für die bei der letzten Wahl geübten

phrafenbalte( Sharatter- und Brinziplosigkeit.

*) Bohl am Besten durch Mittelpartei" zu übersezen dieselbe

1866

Wie in Preußen, das ja den Schutz der Deutschen   in Auslande auf seine Fahne geschrieben, resp. von den National­liberalen sich hat darauf schreiben lassen, die eigenen Unter­

thanen zu schüßen vermag, wird durch folgenden Vorgang, ben die ,, Königsberger Hartung'sche Zeitung" mittheilt, aufs Neue

"

illustrirt: Am 6. d. M. fuhr der Bäckermeister Busse von Willenberg nach der zwei Meilen entfernten Grenzstadt Chor­zillen, wie er das wöchentlich ein paar Mahl zu thun pflegte. Auf der dortigen Zollfammer angehalten, erklärte er auf Be­fragen, daß er außer dem Futter für seine Pferde nur Geld zum Ankauf von Waizen bei sich führe. Er mußte letzteres vorzeigen und wurde, da sich sieben Rubel Kupfermünze( rus­fiche) vorfanden, verhaftet, die sieben Rubel, sein übriges Geld, Pferd und Wagen aber confiscirt, weil angeblich verboten sei, mehr als drei Rubel Kupfermünze über die Grenze zu bringen. Nur mit Mühe gelang es ihm, für seine Person loszukom= men, nachdem er noch fünfzehn Rubel bezahlte, die er sich von einem ihm bekannten Juden lieh. Folgenden Tages erhielt