2c. Busse sein Fuhrwert zwar auf Reclamation unseres Bürger­meisters, aber erst, nachdem er nochmals und zwar im Gan­zen 75 Rubel bezahlt hatte, zurück. Es scheint, als ob durch solche und ähnliche Chicanen von Seiten der russischen  Grenzbeamten der preußsche Grenzverkehr mit Rußland   vollstän­dig unterdrückt werden soll, denn daß ruſſiſches Papiergeld nicht nach Polen   herübergebracht werden darf, wiffen wir längst, und außer diesem und der unter dem Namen ,, Brummer" bekannten Scheidemünze existirt kein anderes Geld in Polen  . Was helfen uns, die wir an der der russischen   Grenze wohnen und auf den Grenzverkehr angewiesen sind, Zollconventionen mit Frankreich  , Italien   und Amerika  , was helfen uns Kartel­conventionen, norddeutsche Generalconsulate und Militärbevoll­mächtigte? Der russische   Beamte kehrt sich an Nichts, hat er es doch nur mit einem ,, Nemiec"( Deutschen  ) zu thun."

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Jm ,, Staat der Intelligenz" werden für's Militär jährlich von den Staatseinahmen nicht weniger als 47 Proc. verwen= det, für Unterricht und Bildung des Volkes aber nur- 4 Proc.! Die Folge davon ist, daß die Erziehung, zumal der sogenannten untersten Volksklassen in unglaublicher Weise ver­nachlässigt ist. Dafür spricht unter anderm die traurige That­sache, daß von den in den Jahren 1859-1861 eingelieferten männlichen Sträflingen 13,3 Proc. weder lesen noch schreiben fonnten; 18,9 Proc. konnten lesen aber nicht schreiben; von den weiblichen Sträflingen konnten 25 Proc. weder lesen noch schreiben und 27 Proc. lesen aber nicht schreiben. Dafür spricht ferner, daß im Jahre 1861 durchschnittlich 16,8 Proc. schul­pflichtige Kindr ohne allen Schulunterricht waren und in der Metropole der Intelligenz selbst, in Berlin   sogar 26 Procent. Dafür spricht schließlich der Gehalt der Schullehrer, welcher nach den in dem Hause der Abgeordneten vorgelegten Akten= stücken an manchen Orten nicht einmal dem Lohn der Maurer gefellen, der Fabrikarbeiter, ja manchmal nicht dem eines Tage­Löhners gleichkommt, dessen Aufbesserung aber, so oft sie auch verlangt worden ist, aus dem einfachen Grunde nicht erfolgen, oder doch nur in gänzlich ungenügender Weise erfolgen kann, weil Kasernen und Soldaten die Staatseinnahmen verschlingen.

,, Der Militarismus ist mehr als je vorherrschend. Der Regent ist Militär, der Ministerpräsident desgleichen. Auch sind die Soldaten die einzige klasse, welche regelmäßige Zah­lungen erhält, und auf welche Ausgabebeschränkungen feine An­wendung erleiden. Jeden Tag wird diesem oder jenem Punkte der Verfassung zuwider gehandelt, so besonders durch Ver­legung der garantirten persönlichen Sicherheit." Dieses wahr heitsgetreue Bild entwirft das Organ des Grafen Bismarck, die ,, Norddeutsche Allgemeine Zeitung". Freilich sie spricht von Spanien  , und daß sie mit den dortigen Zuständen un­zufrieden ist, dünkt uns ein recht hoffnungsvolles Symptom.

Nach dem Erkenntniß eines preußischen Gerichts in Hanno­ ver   ist es erlaubt, den Nordbund eine ,, Zwangsjacke" zu nennen, foftet es aber 15 Thlr. Strafe, von einem ,, norddeutschen Bundesfäfig" zu reden. Ad notam zu nehmen.

Zu fühnen und zu büßen, schreibt die ,, Frankfurter Zei­ tung  ", wäre Manches im Nordbund. Wir glauben aber kaum, daß die Diocesanversammlungen des Königreichs Sachsen an die Sünden, die wir vor Augen haben, gedacht, als sie sich zu dem Beschlusse einigten, beim Bundesrath die Herstellung einer gleichmäßigen Bußtagsfeier im ganzen norddeutschen Bunde zu beantragen. Die Zukunft" vertraut dem Scharf sinn ihrer national- liberalen Freunde, daß sie den mächtigen Einheitszug, der in diesem Wunsche weht, nicht verkennen und in nächster Reichstagsfession zum mindesten den Antrag auf einen versteht sich verantwortlichen Bundes- Mühler darauf gründen werden.

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Herr Beust hat wieder ein Rothbuch veröffentlicht, und darin seinem norddeutschen Nebenbuhler verschiedene boshafte Siebe beigebracht. Unter anderm schreibt er in einer der publizitten Depeschen über die rumänische Angelegenheit:

,, Die au die rumänische Regierung gerichteten energischen Abmah­

nungen mußten wir an die Oeffentlichkeit bringen. Es waren besonders auch die Länder der ungarischen Kroue, welchen wir diese Genugthuung schuldeten. Wenn dabei auch auf die Politik des Landes, welchem Fürst Karl durch seine Geburt angehört, einige Streiflichter gefallen find, fo wird wohl überhaupt kein politischer Bericht aus Bukarest   die Fäden, die zwischen dieser Stadt und Berlin   gezogen sind, ignori­Thatsachen konstatirt. Vielleicht hätten wir in einem Berichte des ren dürfen. Wir haben uns nicht mit Konjekturen befaßt, sondern Freiherrn von Eder die Stelle, die von einer persönlichen Ein­wirkung des Königs von Preußen spricht, unterdrücken können, aber auch bei der sorgfältigsten Sichtung des Materials fann es ge­schehen, daß hie und da eine wünschenswerthe Emendation des Tertes unterbleibt. Will man sich über die Depesche an den Grafen Karoly beklagen, worin wir unsere Bereitwilligkeit aussprechen, wegen des Orients mit Preußen Verständigung zu pflegen, zugleich aber den Mangel an Gegenseitigkeit in dieser Beziehung tonstatiren? Legt Preußen nicht Werth auf den öffentlichen Ausdruck jener Bereitwilligkeit, so muß uns doch wenigstens unbenommen sein, die Nichtigkeit des Ge­redes zu zeigen, als ob es bloß von uns abhänge, im Orient den vollsten Eintlang zwischen den Bestrebungen der norddeutschen Macht und den unserigen zu erhalten. Aber der Sympathien Süddeutschlands  haben wir uns förmlich und feierlich belobt! Verletzt auch dies in Ber  lin, so muß ich entgegnen, daß wir im Prager   Frieden zwar auf jede Einmischung in deutsche Verfassungs- Angelegenheiten verzichtet haben, daß aber nicht nur das Recht uns geblieben ist, Sympathien zu kultiviren, wo wir sie finden, sondern man uns fraft jenes Vertrags auch erlauben muß, gerade auf selbstständige Gesinnungs­esses Werth zu legen. Hätten wir aus Norddeutschland übrigens ähn Aeußerungen der süddeutschen Staaten aus Gründen des eigenen Inter­liche Berichte über Theilnahme der dortigen Bevölkerung an unserer Verfassungs- Entwicklung erhalten, wir würden sie sicher ebenso gern der Deffentlichkeit übergeben haben. Aufrichtig gesprochen, Graf Bismard hat einst gesagt, die norddeutsche Verfassung sei für die Süddeutschen zu liberal", es kann also nicht in seinem Sinne liegen, uns vorzu werfen, daß wir aus dem Liberalismus unserer Institutionen politisches Kapital schlagen wollen."

Am 12. Juli wurde der widerspenstische Bischof von Linz  vom Schwurgericht zu Linz   wegen ,, Widersetzlichkeit zu vier­zehntägigem Gefängniß verurtheilt, was großen Jubel beim liberalen Bürgerthum hervorrief. Zwei Tage später wurde der Bischof vom Kaiser begnadigt. Die gefangenen ,, Sozial­ Demokraten  " sind nicht begnadigt worden.

In Brünn  , dem ,, österreichischen Manchester  ", fam es am 16. ds. zu einer furchtbaren Arbeitermezelei. Obgleich seitdem 8Tage verstrichen sind, ist der Hergang doch noch nicht aufgeklärt, aber so viel steht fest, daß das Verfahren der Behörden ein durch­aus ungerechtfertigtes war. Die Arbeitermezeleien machen die Runde durch die Welt. Seraing  , Mold*), Genf  ( hier allerdings nicht mit tödtlicher Wirkung), St. Etienne und nun Brünn  ! Die Worte des Kaisers von seiner Theilnahme für die ärmeren Klassen" haben ihren blutigen Commentar gefunden.

In der absoluten Monarchie, in der konstitutionellen Mo­narchie, in der Republik   mit Königen, wie man den belgischen Muster staat genannt hat, in der Republik   ohne König­überall Verfolgung der Arbeiter, Polizeibrutalität, Gewalt thätigkeit bis zur Niedermegelung.

,, Da seht Ihr's, rufen die ,, reinen(?!) Sozialisten" vom Schlage des Herrn Schweizer- da seht Ihr's, Eine Staats form ist so schlecht wie die andere, wir werden von der Bour geoisie unter jeder Staatsform verfolgt, ergo fämpfen wir einzig und allein gegen die Bourgeoisie und fümmern wir uns nicht um oie Staatsform." nicht um die Staatsform." Wahr ist hieran nur, daß auf den Namen der Staatsform nichts ankommt, daß es ziemlich gleichgültig ist, ob die Klassenherrschaft unter republikanischer, constitutioneller oder despotischer Firma ausgeübt wird und daß sich gegen die Klassenherrschaft als solche und unter jeder Berkleidung unsere Anstrengungen zu richten haben. Aber dies ändert Nichts an der Thatsache, daß ein Gesellschaftszustand, der auf Gleichheit der Individuen beruht, also die Klassenherrschaft überwunden hat, nur in einem freien Staat oder sagen wir gleich, in einem Freistaat ge dacht weiden kann, woraus denn weiter folgt, daß, wer die freie Gesellschaft anstrebt, auch den freien Staat anstreben muß.

*) In England.( S. unsere Rundschau in Nr. 24.)