Ein eigentliches Defizit, d. h. ein Ueberschuß der Ausgaben über die Einnahmen existirt bis jetzt nicht; auf Kosten der übrigen Departements ist es der Regierung gelungen, die über das kolossale Armeebudget hinausgehenden Wiilitäraus gaben zu decken. Dies läßt sich aber auf die Dauer nicht durchführen. Jm nächsten Jahr läuft überdies das eiserne Armeebudget( 225 Thlr. pro Soldat) zu Ende, und es war für die Regierung von höchster Wichtigkeit, bis dahin so viel Steuern bewilligt zu erhalten, daß sie fortan unbekümmert um die Abstimmung des Landtags einer- und des Reichstags" andererseits, das Mart des Lands dem Molech des Militaris mus opfern kann. Waren die Steuern einmal bewilligt, so hatte die Regierung nach der köstlichen preußischen und Nordbundsverfassung nemlich das Recht, dieselben bis zum St. Rimmerleinstage fortzuerheben, sintemalen nach besagten Verfaffungen der sogenannten Volksvertretung wohl ein Steuer bewilligungs-, nicht aber ein Steuerverweigerungsrecht zufteht, was weiland ein Manteuffel'scher Scherz war, und seitdem bitterer Ernst geworden ist.
Wahrscheinlich wird das Ministerium nun dem im September zusammentretenden Abgeordnetenhaus mit neuen Steuervorlagen fommen. Ob mit Erfolg oder nicht, das läßt sich nicht im Voraus berechnen, ist übrigens auch ziemlich gleichgültig, da die preußische Regierung nach ihrem Grundsatz: ,, Die Macht geht vor Recht das Geld nehmen wird, wo sie es findet.
Im Land selbst freilich wird es nicht leicht zu finden fein. Die Verarmung des preußischen Volks ist nachgerade eine so handgreifliche, sich so aufdrängende Thatsache geworden, daß die Lobredner der Blut- und Eisenherrlichkeit sie nicht mehr abzuleugnen vermögen. Was läßt sich zum Erempel einwenden gegen folgende statistische Notiz?
In Berlin hat in den letzten drei Jahren die Bevöl ferung um 11 Prozent zugenommen, und in demselben Zeitraum ist der Ertrag der Schlacht und Mahlsteuer um 7 Prozent gesunken."
Da nicht vorauszusetzen ist, daß die Berliner sich vor dem Jahr 1866 den Magen mit irdischer Speise zu überladen pflegten, so sind wir zu dem Schluß gezwungen, daß sie sich seit dem Siegesjahr" nicht mehr satt eſſen können.
" 1
So steht's in der Hauptstadt. Wie mag es erst in der Brovinz aussehen?
14
Trotz der Schulregulative greift doch unter der preußischen Jugend die Irrlehre immer mehr um sich, daß des Königs Rod"( so genannt, weil das Volk ihn zu bezahlen hat, und zwar sehr theuer), nicht so ehrenvoll sei, als ein simpler Bürgerrock oder Bauerukittel, und daß der Mensch etwas Besfres thun könne, als den majestätischen Paradeschritt lernen, die ambrosische Kafernenluft athmen und dann und wann Jagd auf Menschenwild machen. Ja sie greift er= schrecklich um sich die demokratische Irrlehre, und die Amtsblätter sind mit Steckbriefen gegen die Sünder erfüllt, welche aus Unverständniß der Vorzüge des noblen Kriegshandwerks der glücklichen Nordbund- Heimath den Rücken gekehrt haben. Das einzige Kreisblatt für Gnesen , Provinz Posen , zeigt an, daß in diesem Kreis 648, schreibe sechshundert acht und vierzig, junge Männer ,, wegen Entziehung von ihrer Militärpflicht" zu 50 Thlr. Geld oder 1 Monat Gefängnisstrafe verurtheilt find und von der Polizei gesucht werden.
Ja, was nüßt aber das Suchen, so lange es Länder gibt, wie die Echweiz, England und die nordamerikanische Republik, welche ein Hohn sind auf den wahren ,, Militärftaat", und durch ihr schädliches Beispiel derlei Jrilehren befördern? Wir möchten deßhalb der preußischen Regierung den Rath ertheilen, an alle diese Länder ungefäumt das Ultimatum zu stellen: Krieg bis aufs Meffer oder Pickelhaube nebst Zubehör für jeden männlichen Bewohner! Thut man dieß nicht, und werden die betreffenden Länder nicht zu Paaren ge= trieben, so ist zu befürchten, daß es im Militärstaat bald an menschlichem ,, Rohmaterial" für des ,, Königs Rock" fehlen wird.
-
358
,, Desterreich ist aus Deutschland hinausgeworfen." Und Wien ist die Hauptstadt des ,, aus Deutschland hinausgeworfenen Osterreich ." In diesem Wien versammelte sich nun vor 14 Tagen der deutsche Journalisten tag. Was hat der deutsche Journaliſtentag in der Hauptstadt des ,, aus Deutschland hinausgewor fenen Desterreich" zu suchen? Und dürfen wir unseren Sinnen trauen? Dieser nämliche deutsche Journalistentag beschließt einstimmig mit Afflamation, auf Antrag des Redacteurs der ,, Vossischen Zeitung"( Tante Voß"), Organs des spezifischen Berlinerthums, daß Wien ,, natürlich" Vorort des deutschen Journalistenbunds sein müsse! Wachen wir? Oder träumen wir? Ein Glück nur, daß Biedermann( von Leipzig , das müssen wir zur Belehrung unserer auswärtigen Leser hinzufütgen), der eine Ahnung des Schrecklichen gehabt haben mochte, nicht auf seinem Poften war er wäre nimmer lebendig zurückgekommen.
-
Das Krakauer Klosterverbrechen hat den Anstoß zu einer Bewegung gegeben, die ohne Zweifel zur Abschaffung der österreichischen Klöster führen wird.
Mittlerweile macht Herr von Beuft sich ein kleines Privatvergnügen, indem er seinem sächsischen Erkollegen Friesen , der ihm auf Weisung von Berlin etwas ,, anzuhängen" suchte, eine Lektion im Notenschreiben ertheilt und mit grausamer Liebenswürdigkeit die boshaftesten Artigkeiten fagt. Den Sat schlägt er und ein gewiffes Individuum meint er. Der Sad wird sich schwerlich arg grämen.
Bonaparte hat dem französischen Senat, der soeben zusammengetreten ist, nachstehendes Stückchen Papier , genannt ein ,, Senatustonfult", das die Summe der zu ,, bewilligenden zugeständnisse" enthält, zu unterbreiten geruht:
Art. 1. Der Kaiser und der Gesetzgebende Körper haben die Jnitiative der Gesetze.
-
-
Art. 2. Die Minister hängen nur vom Kaiser ab. Sie deliberiren*) im Rath unter seinem Vorsitz. Sie Sie sind verantwortlich. können nur durch den Senat in Antlagezustand versetzt werden. Art. 3. Die Minister können Mitglieder des Senats und des Gejetzgebenden Körpers sein. Sie haben Zutritt zu einer und der andern Bersammlung und müssen anget ört werden, wenn sie es verlangen.
Art. 4. Die Situngen des Senats find öffentlich. Der Antrag von fünf Mitgliedern genügt, damit er sich als geheimes Comité Lildet. Der Senat macht sein inneres Reglement( Geschäftsordnung). die
Art. 5. Der Senat kann, indem er die Veränderungen bezeichnet, nach seiner Ansicht an einem Gesetze vorzunehmen sind, beschließen, daß e an eine neue Deliberation**) des Gesetzgebenden Körpers zurückgesandt werde. Er kann in allen Fällen durch einen motivirten Beschluß sich der Promulgation***) eines Gefetes widersetzen.
Art. 6. Der Gesetzgebende Körper macht sein inneres Reglement. Bei der Eröffnung jeder Session ernennt er feinen Präsidenten, Bice- Präsidenten und seine Seiretäre. Er ernennt seine Duäsioren.
feine
Art. 7. Ein jedes Mit lied des Senats oder des Gesetzgebenden Körpers hat das Recht einer Interpellation an die Regierung. Es tön nen motivirte Tagesordnungen angenommen werden. Die Rücksendung der motivirten Tagesodnung besteht zu Recht, wenn sie von der Regie rung verlangt wird.
Art. 8. Kein Amendement kann in Berathung gezogen werden, wenn es nicht vorher der Kommission, die mit Prüfung des Geschent wifs beauftragt ist, überwiesen und der Regierung mitgetheilt worden ist. Wenn die Regierung das Amendement nicht annimmt, so giebt der Staatsrath sein Gutachten ab; der Gesetzgebende Körper entscheidet hier auf definitiv.
Art. 9. Das Ausgabebudget wird dem Gesetzgebenden Körper nad kapitein und Artikeln vorgelegt. Das Budget jedes Deiniſterims wird gefügten Nomenclatur. nach Kapiteln voiirt, gemäß der dem gegenwärtigen Senatstonfult
bei
Art. 10. Die in Zukunst an den durch internationale Berträge festgesetzten Post- und Zolltarisen proje.tirten Veränderungen werten erst
durch ein Gesetz verbindlich.
und
Art. 11. Die Beziehungen des Senats, des Gesetzgebenden Körpers taiserliches Teret festgestellt.
in
Art. 12. Sind abgesch. fft alle mit gegenwärtigem Senate konfult 8, 13, 24(§ 2), 26, 40, 43, 44 der Konstitution und Art. 1 des Senats tonfult vom 31. Dec. 1861.
Wind! Wind!!" sagt Mr. Burchill im Landprediger
von Wakefield.
*) berathen.**) Berathung machung.
***) Beröffentlichung, Bekannt