2. Beilage zum Demokratischen Wochenblatt Nr. 32.
Direkte Gesetzgebung durch das Volk. ( Referat und Antrag der Sektion Zürich an den am 6. September 1869 in Basel zu eröffnenden Congreß der Internationalen Arbeiter- Assoziation.) Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte hat die arbeitende Klasse Europa's von dem Wahne gründlich geheilt, daß die Imperial- Demokratie, der Imperial Sozialismus, d. h. die Diktatur eines Einzelnen im Stande, oder auch nur Willens sei, für die soziale Hebung der arbeitenden Massen etwas zu thun. Nichts als Scheinreformen, Sand in die Augen, in Wirklichkeit ist der Arbeiter mehr denn je Steuermaschine und Kanonenfutter.
Mit großer Schlauheit wurde seit dem Staatsstreich Bonaparte's von oben herab unter den Arbeitermassen der Glaube verbreitet, die politische oder Staatsform habe mit sozialen d. h. Gesellschafts- Reformen nichts zu thun; daher sollten sich die Arbeiter nicht mit Politit, sondern einzig und allein nur mit ihrer sozialen Lage befassen. Die regierende Klasse weiß eben aus Erfahrung nur zu gut, welch' großen Vortheil fie aus einer ihr günstigen Staatsform zieht; weiß nur zu gut, daß, solange sich die Arbeitermasse politisch willenlos lenken läßt und zur Gesetzgebung direkt nichts zu sagen hat, d. h. die Staatsform nicht nach ihrem, dem In teresse der Arbeit, einrichtet, der Sozialismus, selbst der radikalste, ein ungefährlicher Popanz ist; weil ihm eben der politische Stüßpunkt zu seinem sozialen Hebel fehlt, womit er die alte Gesellschaft mit ihrer Wassen armuth und ihrem Einzelreichthum aus den Angeln heben kann. Die soziale Reform ist dazu verdammt, im Zustande der Theorie zu verbleiben, so lange jie nicht das richtige Mittel gefunden bat, sie in Praris zu setzen, und dies Wittel kann kein anderes sein, als vor Allem uns eine politische Reform, eine Staatsform zu schaffen, wo das Gesetz von allen Staatsbürgern gemacht wird und nicht mehr nur von einigen wenigen Bevorrechteten.
Frankreichs Arbeiter sind von der sog. Imperialdemokratie Napoleons gründlich geheilt, sie wollen die sozialdemokratische Republik . Die Arbeiter Norddeutschlands haben den Im perial- Sozialismus, die junkerliche Diktatur von Schweizer's ( der ſeinen widernatürlichen„ Wannheim" lichen Lieb,, Mannheim " lichen Lieb habereien entsprechend, auch die" arbeitende klasse zu After Politik und After- Sozialismus mißbraucht hat) so überjatt, daß sie sich mit Ekel von diesem Jugend- und Volksverführer abwenden und mit Sack und Pack in das Lager der Inter nationalen Arbeiterassoziation übergehen, wo das Banner des Selbstbestimmungsrechtes, der sozial- demokratischen Staatsform, der europäischen Bundesrepublik weht, um welches sich auch die Arbeiter Süddeutschlands , Desterreichs, Italiens und Spa niens immer zahlreicher zu schaaren beginnen.
Aber wie soll dieser sozial- demokratische Staat organisirt
Die Jdee der direkten Gesetzgebung durch das Volk muß unter den arbeitenden Massen Europas immer mehr verbreitet werden, damit sie bei der nächsten monarchischen Enthäutung in Fleisch und Blut übergehe und in ganz Europa ähnliche politische Einrichtungen im Großen schaffe, wie sie bereits in der Schweiz im kleinen vorhanden sind.
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Der Repräsentativstaat ist überall der gleiche. Die Arbeiter von Paris wissen von den Junitagen von 1848 her nur zu gut, daß diese Bourgeois- Repräsentanten die soziale Frage mit Kartätschen lösen wollen, und in jüngster Zeit noch haben die Grubenarbeiter in Belgien erfahren, daß ihre Constitutionellen auch kein anderes Mittel fennen, als Pulver und Blei; und selbst in der Repräsentativ- Demokratie von Zürich bestanden seit mehr als 20 Jahren harte Ausnahmsgesetze gegen die Coalition der Arbeiter und die sozial demokratische Presse. So lange die Arbeiter die Staatsgejeze durch ihre Ausbeuter fabriziren und sich oktroyiren lassen, werden die Gesetze auc) ungünstig für die Arbeiter und nur günstig für die Herren sein; oder seit wann hätte je ein Monarch Geseze gemacht im Interesse des Volkes und gegen seine Dynastie? Zuerst kommt Er, sein Interesse, sein Herrscherhaus und die Werkzeuge zur Aufrechthaltung der staatlichen Ausbeutungsmaschine und nur zu allerletzt, wenn alle diese genug haben, wird an das ausgebeutete Volk gedacht und ihm in der Regel Steine statt Brod geboten. Wohl giebt es sogenannte christliche Monarchen, welche, wie die gutmüthigen Reiter, das unter ihrer Last feu chende Geschöpf am Halse streicheln, aber daß dem zu Schanden Gerittenen und schwer Belasteten dadurch am meisten geholfen wäre, wenn der Herr mit all' seinem Troß aus dem Sattel bis ihn der stiege, daran denkt der Obere von ferne nicht, Untere abwirft. Ebenso kann eine Aristokratie treffliche Gesetze für sich, nicht aber für das Volk machen; oder hat die gefcheidtefte aller Aristokratien, diejenige Englands, je etwas im Interesse der Arbeiter gethan? Nein, wenn sie sich bis jest gehalten hat, ist es nur, weil sie nicht so viel Starrjinn entwickelte, sich unumgänglich nothwendigen Reformen über Gebühr zu widersetzen. Aber auch die vom Volke gewählten Gesetzgeber des Repräsentativ Staates sind nicht im Stande, gute Gesetze für die arbeitenden Klassen zu machen, obschon sie für ihre, die Bourgeoisklasse, ganz ausgezeichnete zu erlassen befähigt sind. Warum? Weil erfahrungsgemäß die Reprä sentativkörper in ihrer Mehrheit aus Kapitalisten und deren Kreaturen, dem sozialen Fortschritt feindlichen Bourgeois bestehen; und wie der Sklavenhalter seiner Natur nach unfähig ist, je Gesetze im Jnteresse seiner Sklaven zu machen, so ist
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auch der Kapitalisten- Repräsentant unfähig, je Gesetze im Interesse der Arbeiter zu erlassen. Die Repräsentativ- Demokratie,
wenn sie auch die relativ weit bessere Staatsform ist als die Monarchie oder Aristokratie, ist daher doch nicht diejenige politische Form, in der sich die Arbeiterwelt entfalten und die werden? das ist die große, für die Arbeiter so wichtige Frage. jozialen Fragen gelöst werden können. Sie wäre es vielleicht Der internationale Arbeiterbund sollte sich vollkommen flar und darüber einig sein, welche Art von Republik er will, damit bei Ausbruch einer Revolution die Arbeitermassen überall
wissen, was zu thun ist.
eher, wenn die Arbeiter und besonders die Bauern nur die
intelligenteſten ihrer Klasse in den Rath wählen würden; leider
aber zeigt die Erfahrung aller Länder, daß dies nur ausnahmsweise geschieht.
In der Regel wählt das Volk nur Angehörige der sogenannten höheren Stände, weil es das aus monarchischen Zeiten stammende verderbliche Vorurtheil hat, nur die Intel
Leute dazu, während bei der Gesetzgebung im Gegentheil das
Kanton Zürich , in den letzten zwei Jahren, ist wohl nur ein Die politische Bewegung in der Schweiz , hauptsächlich im Symptom, ein Vorspiel einer großartigen, tiefgreifenden Bewegung, die sich in der europäischen Bolitik vollzieht. Die ligenz erzeuge gute Gesetze und es brauche blos gutstudirter Schweiz im Absterben begriffen, denn sie ist zu leicht erfunden Interesse maßgebend ist. Dazu kommt noch, daß die TagBourgeois- Republik oder ,, Repräsentativ- Demokratie" ist in der worden, gegen die verderblichen Einflüsse, sozusagen den Jesuitis gelder und Reiseentschädigungen systematisch so niedrig gestellt mus des Großkapitals anzufämpfen, sie hat weder Thatkraft werden, daß es einem Angehörigen der arbeitenden Klasse schon noch Willen, die soziale Frage zu lösen, und es tritt fortan ökonomisch unmöglich ist, als Repräsentant zu fungiren. die reine Demokratie auf den Plan, wo das Bolt direkt an der Gesetzgebung theilnimmt und dieselbe daher nach seinen Volk weit eher irrt, weit leichter verführt werden kann, wenn
insialen Bedürfniffen umformen wird.
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Die Erfahrung der Demokratie lehrt auch, daß sich das
es sich um Personen( Rathswahlen), als wenn es sich ur