Für die Wahrheit meiner Mittheilung berufe ich mich auf das Zeugniß von A. Perl, Th. Eppers, 2. Spierling und aller wahrheitsliebenden hiesigen Arbeiter.

Harburg , den 18. August 1869.

Theodor Yord.

NB. Obige Entgegnung ist sowohl an den ,, Social- De­mofrat" als auch an die ,, Zeitung für Norddeutschland" einge­fandt worden.

Humboldt Verein für Volksbildung.

In keinem Jahrhundert hat der menschliche Geist so riesen­mäßige Fortschritte gemacht, als in dem unfrigen; der geistige Aufschwung der Culturvölker in der Gegenwart ist ein ganz außerordentlicher, Bildung und Gesittung dehnen immer weiter, immer mächtiger sich aus.

Aber nicht alle Kreise der Gesellschaft schreiten in der Bildung gleichmäßig fort, ja es sind umfangreiche Volksklassen von dem allgemeinen Fortschritt fast noch ganz unberührt ge= blieben, so daß sie noch jetzt auf einem Standpunkte der An­schauung und Gesittung stehen, der uns an hinter uns liegende Jahrhunderte erinnert.

Zu beklagen ist hierbei hauptsächlich, daß von verschiedenen Seiten her der weiteren und schnelleren Ausbreitung der Volks­bildung mit großer Kraft und mit bedeutenden Mitteln ent= gegengewirkt wird, so daß die Kluft zwischen den in der Bil­dung fortschreitenden und den rückständigen Voltsklassen immer breiter nnd tiefer wird.

Solchen Bestrebungen mit aller Macht entgegenzutreten und die Bildung und Gesittung der Gegenwart in immer weitere Kreise des Volkes verbreiten zu helfen, sollte deshalb Jeder für seine ernste und heilige Pflicht halten, dem das Wohl und das Gedeihen seines Volkes am Herzen liegt; denn Volks­wohlfort und Volksgedeihen haben ihre Wurzeln lediglich in der Volksbildung.

In Anerkennung dieser Pflicht sind in Breslau eine An­zahl freidenkender Männer zu einem Vereine zusammengetreten, der es sich zur Aufgabe machen will ,,, durch Veröffentlichung und Verbreitung von Schriften, durch Vorträge, durch Ge­währung von Lehrmitteln und in jeder sonst geeigneten Weise für Volksbildung zu wirken. Insbesondere wird sein: Streben darauf gerichtet sein, die Ideen der Humanität auszustreuen zur Geltung zu bringen".

und

Um das Andenkenken Alexander von Humboldt's zu ehren, nennt sich der Verein ,, Humboldt- Verein".

Jeder Mann, welcher das 24. Lebensjahr erreicht und im Vollbesitz der bürgerlichen Rechte ist, kann als Mitglied auf­genommen werden.

Das aufgenommene Mitglied hat einen jährlichen Beitrag von mindestens 20 Sgr. zu zahlen.

Außerdem wird der Verein für seine Vereinszwecke Hum= boldt- Pfennige sammeln.

Wer einen laufenden oder einmaligen Beitrag als Hum­boldt- Pfennig zur Vereinskasse zahlt, ohne Mitglied des Vereins zu sein, gilt als Gönner des Humboldt- Vereins.

Der Verein wird selbstverständlich um so mehr wirken können, je mehr er Mitglieder und Gönner erwirbt.

Er richtet hierdurch an alle freidenkenden Männer unserer Stadt, sowie der Provinz, ja des ganzen deutschen Volkes die Aufforderung, die Zwecke des Vereins, sei es als Mitglieder, sei es als Gönner fördern zu helfen.

Aber auch die deutschen Frauen mögen nicht zurückbleiben, wo es die höchsten Interessen des Volkes gilt, sondern mögen als Spenderinnen und Sammlerinnen von Humboldt- Pfennigen an unseren Bestrebungen werkfördernden Antheil nehmen!

Schon sind dem Verein auch von Auswärtigen Beitritts­Anmeldungen zugegangen. Der Verein hofft, daß die Zahl derselben sich stetig mehren wird. Erwünscht wird es dem Vereine sein, wenn sich die auswärtigen Mitglieder bemühen, ihm neue Mitglieder und Gönner zuzuführen, noch erwünschter,

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wenn sich auch an anderen Orten Vereine mit gleicher Tendenz zu gleichen Bestrebungen constituiren. Es gilt dem Licht!

Es gilt, den Bestrebungen jener finstern Mächte entgegen­zuarbeiten, die das Licht nicht kommen lassen wollen, die dar= auf ausgehen, uns in die Nacht mittelalterlicher Unwissenheit, mittelalterlichen Aberglaubens zurückzuführen. Es gilt der Humanität!

Es gilt, einen mächtigen Schutzwall aufzurichten gegen die Wiederkehr der Rohheit, der Unfitte und des Fanatismus früherer Jahrhunderte und das Unsere zu thun zur fortschreiten­den Veredlung und Vervollkommnung des menschlichen Ge= schlechts.

Breslau , 21. Juli 1869.

Der Vorstand und der Ausschuß des Humboldt- Vereins für Volksbildung. Hofferichter, Kaufmann. Bouneß, Justizrath. Wolfs­kehl, Kaufmann. Walter, Lehrer. Dr. Thiel, Haupt­lehrer. Heidrich, Lehrer. Salo Sadur, Kaufmann. Rohde, Locomotivführer. Pfennig, Reallehrer. v. Heising, Dr. Meyer, praft. Arzt. Dr. Kreisgerichtsrath a. D. Pinoff, prakt. Arzt. Schmeidler, Eisenbahn Sekretär. Dittberner, Fabrikant. I. Hainauer, Buchhändler. Krause, Literat. Türkheimer, Kaufmann. M. Graden­witz, Kaufmann. B. Schreyer, Banquier. Silbergleit, Sprachlehrer. Dittmann, Herm. Haber, Kaufmann. Ober- Inspektor.

Heidrich, Mechanikus. Senfal.

Der Salonsozialist.*)

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Siegfr. Cohn,

Motto: ,, Richtet Euch nach meinen Worten und nicht nach meinen Thaten!"

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Paulus.

Ein siegender Dictator kommt der Lenz Die Bäume schütteln ab das Joch, das weiße; Der Hälmchen schwarzen Kerker sprengt der heiße Entsandte Strahl, und auch der Mensch erkennt's: Der Herrscher duldet nicht, was falt und trübe. Der Haß, die Zwietracht flieh'n und heil'ge Liebe Die Herzen allumfassend walten soll:

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Ich denke, kind, wir fahren heut' zu Kroll." Sieh, wie die bunte Meng' ins Freie wallt, Als wär' fie finsterm Kerker auch entronnen Und schwelgte in der Freiheit neuer Wonnnen, Die Allen nun fredenzt, ob jung, ob alt,

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Ob reich, ob arm?! Weh! Ich bin Lenzestrunken, Seh' der Balläste frohe Menschen,- der Spelunken Trübfel'ge Saffen, weh! vergeß ich ganz! ,, Nen Peitschenhieb dem frechen Bettler, Hans!" Dort kriechen sie aus dumpfer Keller Thür, Wie Hohn ist's, wenn die todteskranken Züge Die Sonne schmückt mit rosenfarbner Lüge, Wie Hohn, wenn sie vergoldet Lumpen schier. Und doch! Wie dankt der Arme ihrem Strahle, Sein Antlitz röthet sich, das fahle

Fast ist vergessen Hunger, Blöße, Leid!

,, Drei Gänge, Fris, zwei Cliquot veuve beiseit!"

Und, schändlich, himmelschreiender Contrast! Hier Sammt und Seide, Gold und Edelsteine

Jm Nu die kleine schwelgende Gemeine Enterbter Menge Schweiß und Mark verpraßt. Der Pfropfen knallt: Ihr Hungernden lernt ,, sparen"! Die Busen glüh'n: Hier lernet ,, Sitte wahren", Lernt freier ,, Bildung" heiteren Genuß!

,, Komm, Schweinchen, einen würz'gen Nachtischkuß!"

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*) Dieses Gedicht wurde uns unmittelbar vor der Barmen- Elber­ felder Generalversammlung zugeschickt, mußte damals aber aus den be­tannten taktischen Gründen zurückgelegt werden. D. R.