Demokratisches Wochenblatt.

No. 39.

Organ der sozial- demokratischen Arbeiterpartei.

Leipzig , den 11. September.

1869.

Das Blatt erscheint Mittwochs und Sonnabends. Abonnementspreis vierteljährlich bei allen deutschen Postanstalten sowie hier am Platze ein­schließlich Bringerlohn 12 Ngr.; einzelne Nummern 1 Ngr. Abonnements für Leipzig nimmt entgegen Herr G. Richter, Peterssteimweg 7, Leipziger Consumverein, Üniversitätsstraße, mid die Expedition d. Blattes in der Wohnung des Herrn A. Bebel, Petersstraße 18. Für Dresden Filialexpedition( interimistisch) M. Hendel, Wallstraße 10. Agent in London für England, Indien , China , Japan , Australien , Südamerika 2c. die deutsche Buchhandlung von Franz Thimm, 24 Brook Street, Grosvenor Square, London . Agent für London : A. Duensing, Foreing Bookseller, Librarian and Newsagent, 8, Little Newport Street, Leicester Square, W. C.

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Juhalt: Politische Uebersicht. An die Parteigenossen. Das Protokoll des Eisenacher Congresses. Ueber die Entstehung neuer Ideen. Der Congreß der englischen Gewerkvereine. Der inter nationale Arbeiter- Congreß. Kiel , Altona , Elberfeld , Stockach , Graz, Wiesbaden , Dresden , Braunschweig . Gewerksgenossenschaftliches. Arbeitsnachweis. Anzeigen.

Politische Uebersicht.

Seit Montag ist in Basel der vierte Congreß der Jn ternationalen Arbeiterassoziation versammelt. Zum erstenmal sind die deutschen Arbeiter auf dem Congreß ver­treten. In seiner zweiten Sitzung nahm derselbe einstimmig folgenden Beschluß an:

In Erwägung, daß es einer Arbetterassoziation nicht würdig ist, in ihrer Mitte ein monarchisches und autoritäres Prinzip aufrecht zu erhalten, indem sie das Präsidentenamt zuläst, selbst wenn dieses Amt mit feiner Macht ausnestattet ist da sogar bloße Ehren­ämter eine Verletzung des demokratischen Prinzips in sich schließen-

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Empfiehlt der Congreß allen Sektionen und affiliir­ten Gesellschaften der Internationalen Arbeiterassoziation das Präsidentenamt in ihrer Mitte abzuschaffen." Wir hoffen, daß die Deutschen Arbeiter sich diesen Beschluß, nebst den Motiven, in das Herz schreiben werden; und bemerken bei dieser Gelegenheit noch, daß der Londoner Generalrath, um dem demokratischen Prinzip Rechnung zu tragen, das Amt des ständigen Vorsißenden abgeschafft hat und für jede einzelne Sigung einen Vorsitzenden wählt.

Politische Nachrichten von Belang sind nicht zu ver=

zeichnen.

Die preußische Regierung ist durch die Frankfurter Ausweisungen mit dem Schweizer Bundesrath in einen fleinen Streit verwickelt worden, der sich jedenfalls bald im Sand verlaufen wird. Abgesehen davon, daß die Schweiz nicht in der Lage ist, die Rechte ihrer Bürger dem übermäch­tigen Prenßen gegenüber mit dem Schwert in der Hand zu wahren, hat der Schweizer Bundesrath auch zu verschiedenen Malen, und erst neuerdings bei Gelegenheit der Ausweisung Mazzini's, den Beweis geliefert, daß er dem monarchischen Europa gegenüber nicht einmal die republikanische Würde zu wahren weiß.

Ueber die Zustände in Ostpreußen berichtet der Bür ger - und Bauernfreund" mit gutem Humor Folgendes:

Das Gumbinner Amtsblatt Nr. 33 vom 18. August führt nicht mehr als 79 Subhastationen ländlicher und städtischer Grundstücke auf. In Nr. 34 vom 25. August finden wir aller dings nur 77. Die Verhältnisse scheinen sich somit zu bessern. Bor Jahren wollte ein frommer Schuhmacher, Stinn

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Konsistorialrath Heinrici, sein Protektor, machte ihn aber doch zum Lehrer in der Goldapper Gegend; wie es hieß, sollte er aber das Examen später nachleisten. Ob er hat? Wir meinen nein, und lassen einen uns übersandten Originalbrief Stinn's hier wörtlich folgen, und bedauern, daß wir alle Korrekturen in demselben nicht wiedergeben können:

Lieber Schlicker!

Rothebude, 13 Juli 1868.

ich fühle mich gedrungen an Ihnen zu wenden, da Sie die Kalende an Roggen für dieses Jahr erhalten haben, sammt Stroh und Heu und für 2 Monate Gehald von der Kreis Kaffe mit 5 Thlen. 20 Sgr. mir zurück zu zahlen. Soh solches binnen 8 Tage nicht geschieht, sehe ich mich genöthigt an der Königl. Regierung zu wenden.

Ferner haben Sie gesagt, daß in den Stall weiter nichts wie Dinger vorhanden ist und ich Ihnen für selbigen bezahlen muß, es ist aber eine Brücke im Stall gewesen und ich habe nur die Hälfte Dinger erhalten, daß sind untersuchungs­Sachen.

Wo Sie mir bis Sonntag, nicht, die 5 Thlr. 20 Sgr. übersenden, so sehe ich mich genöthigt dieses zur Ausfehrung zu bringen.

Denn ist noch ein Schultisch, wo die Bank nicht an bei ist, derselbe wird nöthig gebraucht, die Kinder, behaupten, daß Sie die Bank zu Ihrem Gebrauch benutzt haben, sollten Sie dieselbe unversehens mit genommen haben, so bitte ich mir dieselbe sofort zuzuschicken, denn der Schulvorstand will hierüber flagbar werden, da die Kank in der Schule nöthig gebraucht

wird.

ich bitte Sie freundlichst diese Bitte erfüllen zu wollen. Mit Achtung Stinn, Lehrer."

Die Kinder in Kulligkehmen, wo er sein Probejahr oder Vorbereitung durchmachte, erzählten schon immer, der Herr Stinn korrigire ihnen Fehler in ihre Schriftstücke hinein. Its nicht unglaublich? aber ein so schreibender und denkender Mann ist wirklich Volksschullehrer; aber fromm ist er sehr, das ist wahr!

Einen hübschen Kommentar zu dieser wahrhaften Historie bildet übrigens folgender Passus, so sich in einer Verfügung der Regierung zu Marienwerder, Abtheilung für Kirchen- und Schulsachen, vom 13. Juli 1869, an die Kreisschulinspektoren vorfindet und also lautet: Mit Rücksicht darauf, daß nicht alle Lehrer im Stande sein werden, ohne besondere Anleitung diesen Theil des Rechenunterrichtes( Rechnen mit Dezimalbrüchen) mit der rechten Klarheit und Faßlichkeit zu behandeln, empfehlen wir den Herren Lokal- Schulinspektoren und Rektoren, in den nächsten Konferenzen von den begabteren Lehrern, welche sich mit dem Gegenstande besonders betraut gemacht haben, darauf bezügliche Musterlektionen abhalten zu lassen." Die begabteren Lehrer meint der Bürger- u. Br.- Frd.", welche die anderen erst tlug machen sollen, werden wohl noch aus älterer Beit

berftammen.

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