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Am Sonntag war auf meine Veranlassung von einigen Freunden in Hormersdorf eine Arbeiterversammlung daselbst einberufen und Schletter aus Thahlheim eingeladen. Die Versammlung war nicht stark besucht, denn in Hormersdorf war es soviel wie nicht bekannt; so waren ohnge= fähr 50 Mann aus Thalheim , circa 20 aus Niederzwönitz und einige Hormersdorfer da. Ich sprach zuvor mit Schletter und erklärte derselbe: er sei deßhalb erschienen, um eine Einigung zu ermöglichen! worauf ich meinerseits dasselbe erklärte. Die Versammlung wurde eröffnet, Eger aus Thalheim zum Vorsitzenden ernannt und Schletter ergriff das Wort. Er sprach über die Lassalle 'schen Prinzipien und sprach den Wunsch ans, seine Nachredner möchten fortfahren, in der Entwicklung der Prinzipien. Ich kam nun zum Wort und wollte den Zweck der Versammlung schneller erreichen, indem ich zur Einigteitsfrage überging, hob den Vortheil der= selben hervor, beleuchtete den Unterschied der Organisationen und schloß mit der Aufforderung an Alle, die Einigkeit zu befördern. Darauf all­gemeiner Beifall. Da kam ein gewisser Schnips( ein reisender Agent für Schweitzer und Bismard), welcher das Wort ergriff und in einer langen Rede über Prinzipien sprach, als hätte er Küh- und Schuljungen vor sich; wären nicht so viel Curiositäten in feinen Ansichten über Lieb­knecht und Bebel einerseits und Bismarck und die preußische Regierung andrerseits gewesen, es wäre zum sterben langweilig gewefen.

Als ich wieder zum Worte fam, mußte ich auf einige grobe Wider­sprüche und falsch angegebene Thatsachen eingehen und dadurch entfernten wir uns immer mehr vom Zweck der Versammlung; als ich dann über den Congreß und die Mandatprüfung sprach, machte man Lärm, worauf ich sofort erklärte, daß ich mich nicht mehr betheilige und verließ mit meinen Freunden den Saal. Schnips erklärte unter Anderm, daß der König von Preußen und Bismarck deshalb das allgemeine Wahlrecht ertheilt hätten, damit sich das Volk seine Rechte dadurch erobern könnte. Privatim hatte er zu einem Hormersdorfer Parteigenossen gesagt: Bis­ marck sei der größte Sozialdemokrat!!

Die Versammlung ist kurz nach unserm Fortgehen geschlossen

worden.

Bon da ging ich noch nach Ehrenfriedersdorf , wo ich aber wegen zu schwachen Besuchs feinen Vortrag halten konnte, es war nämlich sel­bigen Tag Ganturnfest in der Nähe. C. Demmler.

Zwidan, 3. Sept. Am vorigen Sonnabend Abend fand eine Be­sprechung der hier in Arbeit stehenden Tischlergehülfen statt behufs Grün­dung einer Gewerksgenossenschaft für Holzarbeiter. Herr Dotzauer eröffnete die Versammlung und sprach seine Befriedigung darüber ans, daß es endlich einmal gelungen sei, die Tischler in ansehnlicher Anzahl vertreten zu sehen. Herr Ebert berichtete hierauf über die Entwicklung der Arbeiterpartei, der Arbeiterbewegung und Gewerksgenossenschaften; er hob namentlich die indirekten Steuern hervor, welche doch meist von dem Arbeiter bezahlt und zumeist für die stehenden Heere verwendet würden, gewiß nicht für die Freiheit und das Wohl des Volkes. Der Sprecher kam sodann auf die Gewerksgenossenschaften und auf die inter­nationale Arbeiterassoziation. Darüber entspann sich eine lebhafte De­batte. Herr Ebert führte an, wie die ersten Gewerkschaften in Berlin ge= gründet worden seien, zu welchem Zweck, und wie man darauf bedacht sei, dieselben vielleicht später einmal zu Gunsten der preußischen Politik zu gebrauchen man habe jedoch scharfe Augen, und müsse die Gewerk­schaften auf internationalem Wege zu gründen suchen, oder man verlege den Sitz der Gewerkschaften von Berlin nach anderen Orten. So z. B. sei die Gewerkschaft der Holzarbeiter aus dem Schweitzer'schen Verbande schon ausgetreten, um eine größere Masse herbeizuziehen; sie zähle jetzt schon 3000 Mitglieder und es ständen bedeutende Anschlüsse bevor, nament lich in Desterreich und der Schweiz .

Der Referent las das Statut vor und erläuterte verschiedene Paragraphen; ebenso auch ein Krankenunterstützungsstatut( Krankenunterstützungsbund), welches ganz trefflich ausgearbeitet ist. Herr Dotzauer sprach sodann eingehend über die Wanderunterstützung, welche im Statut vorgesehen ist. Herr Löhnert forderte die Anwesenden auf sich der Genossenschaft anzuschließen, es sei für jeden Arbeiter von großem Nutzen. Er sei 20 Jahre in der Fremde gewesen und jetzt erst finde er das, was er lange gewollt. Es müsse schnell gehandelt werden. Man kam alsdann

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überein, ein provisorisches Komité aus den verschiedenen Werkstätten und Fabriken zu wählen, welches die Statuten berathen und dann eine all­gemeine Holzarbeiterversammlung anberaumen soll. In das Komité wurden folgende Herren gewählt: Löhnert, Fickenwirth, Sey­del, Neubert, Oswald, Schettler, Schmidt, Degenkolbe, Löß, Deubner und Reißmann.

Indem es im Interesse jedes Arbeiters liegt, sich diesen Gewerksge­nossenschaften anzuschließen, so mögen alle Holzarbeiter es sich angelegen sein lassen, bei der nächsten stattfindenden Holzarbeiter- Versammlung ohne Ausnahme zu erscheinen.

Crimmitschau , 11. Sept. Zum Theil bezugnehmend auf unsere Mittheilung vom 31. Aug.( in Nr. 37 ds. Bl.) hat heute in Nr. 109 des ,, Crimmitschauer Anzeigers", der Vorstand des Bürgervereins fol­gende Bekanntmachung und Berichtigung" erlaffen, welche zur Kennt nißnahme für denjenigen Theil unserer hiesigen Parteigenossen, welche den Anzeiger nicht lesen, hier wörtlich folgen mag:

Berantwortlicher Redakteur: W. Liebknecht. ( Redaktion: Braustr. 11)

Bekanntmachung und Berichtigung.

Da sich hier in letzter Zeit ein Bürgerverein gegründet hat, welcher zwar noch der Genehmigung des geehrten Stadtraths( welche aber außer Zweifel steht) entgegensteht, so ladet der Verein alle Bürger Crimmit schau's zum Beitritt ein.

Der Verein hat sich zur Aufgabe gestellt, Uebelstände zu beseitigen; Verbesserungen anzustreben u. dergl. Politische Tendenzen sind ausge schlossen.

Wenn im Demokratischen Wochenblatt" Jemand den Verein, als zu der Partei des genannten Blattes gehörig dargestellt hat, so ist dies falsch. Vom Bürgerverein rührt jener Aufsatz nicht her. Der Vorstand."

Zur beruhigenden Genugthuung dieses Vorstandes bestätigen wir gern, daß jener Aufsatz"( im Demokratischen Wochenblatt") ,,, vom Bürgervereine" nicht herrührt, zu seiner Auftlärung möge er aber be­achten, daß es in dem betreffenden Artikel ausdrücklich heißt: Zur spe­ziellen Behandlung von Gemeindeangelegenheiten hat sich hier ein soge­nannter Bürgerverein gegründet u. s. w." Daß damit dem Verein ,, po­litische Tendenzen" untergeschoben, derselbe als zu der Partei des ,, Demo­kratischen Wochenblattes" gehörig, dargestellt sein soll, ist uns unverständ lich, und wenn von der nächsten Stadtverordnetenwahl verlautet, daß sie Gelegenheit zum Handeln gebe, so ist damit so wenig eine politische Ten­denz angezeigt, als mit der Schlußbemerkung eine Annexion des neuen Vereins auf unsre Seite beabsichtigt sein kann. Der neue Verein steht aber auf unsrer Seite, sofern er nach der Erklärung seines Vorstandes ,, Uebelstände beseitigen, Verbesserungen anstreben", kurz gesagt, den Er­wartungen entsprechen will, die unleugbar seine demokratischen Mit­glieder in ihn setzen. Und wenn auch nicht der Vorstand, so werden sich doch die Letzteren darüber klar sein, daß die Vorlagen in Gemeinde­angelegenheiten nur im rein demokratischen Geiste zur Zufriedenheit aller Mitglieder erledigt werden müssen.

Mag es auch den Vorstand des neuen Bürgervereins wenig er bauen, hören zu müssen, daß der Verein da, wo er gegen llebelſtände und für Verbesserungen arbeitet, fich in Opposition und also, wenn er Besseres und nicht geradezu noch Schlimmeres will, als schon besteht, auf der Seite( aber noch lange nicht inmitten) der Sozialdemokratie und ihrer Bestrebungen befindet, die dahin gerichtet sind, das unbeschränkte Selbstbestimmungsrecht der Völker auf allen Gebieten des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens( also auch des Gemeindelebens) wahr zu machen, wie es schon seit Jahren auf ihrem Programm steht, so können doch wohl ächte Demokraten in keiner anderen Absicht beigetreten sein, als ihre Grundsätze in Gemeindeangelegenheiten zu vertreten und hat also Bürgerverein verwahrt, geradezu in der Zurückweisung der demo­der Vorstand, der sich so ausdrücklich gegen politische Tendenzen im kratischen Prinzipien unfrer Partei seinen eigenen Parteistandpunkt im Bürgerverein hervorgekehrt. Warum find nur Bürger zum Beitritt in den Verein aufgefordert, während auch Schutzverwandte laut Statut eintreten fönnen?

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Wir wollen nicht weiter folgern, aber nach dem eigenthümlichen Verfahren des Vorstandes erklären wir, daß dessen erstes Vorgehen keines­wegs beweist, daß der Bürgerverein wirklich einen neutralen Boden zur gemeinschaftlichen Erstrebung allseitig anerkannter Bedürfnisse in unserem Gemeindeleben bieten will. Es ist gut, daß man uns gleich von vorn herein zeigt, was es gilt. Wir werden so lange zum Besten des neuen Vereins und seiner Aufgabe unverdrossen beitragen, als wir es mit unseren Grundsätzen vereinbarlich finden. Zur Veröffentlichung zwingt uns jener öffentliche Angriff auf unsere Partei, der wir unter allen Um­ständen zugehören. Mehrere Mitglieder des Bürgervereins.

Herr Dr. Mar Hirsch beabsichtigt in den nächsten Tagen nach Gera und Thüringen zur Agitation zu kommen. Wir fordern die Parteigenossen aus, von dem Eintreffen des Dr. Mar Hirsch an den ein zelnen Orten Bebel sofort zu unterrichten, sei es brieflich oder tele­graphisch.

Briefkasten. A.-B.-B. Burgstädt: 3 Thlr. Beitrag erhalten.- Heinr Schubert: 1 Papiergulden erhalten; 8% Sgr. gut. Eine Reihe von Berichten haben wegen Mangel an Raum für nächste Nummer zu­rückgestellt werden müssen.

Todesanzeige.

Unseren Genossen F. A. Wilhelm, G. Pötzsch und Erler ist am 6. ds. Mts.

F. Moritz Thielo( Strumpfwirker) von hier im Tode gefolgt und wie seine Vorleute, war auch er ein redlich und und treu strebender, hartgeprüfter Mann.

Als alter 48er blieb er mit all' den Seinigen feſt und raftlos im Kampf für unsre Sache. Ehre darum seinem Andenken, Ruhe ihm!

Crimmitschau , den 8. September 1869. Die Grimmitschauer Sozialdemokraten.

Leipzig .

Druck und Verlag: F. Thiele. Expedition: Petersstraße 18.