herabzumindern". Zur Deckung desselben sollen nach offiziösen Mittheilungen die direkten Steuern um 25 Procent erhöht werden. Außerdem ist auch von Ersparniffen die Rede, die je doch nicht das Militärbudget, welches ein Noli me tangere*) bleibt, treffen sollen, sondern die Ausgaben für andere, nach der Meinung unsoldatisch denkender Menschen nützliche Zwecke, z. B. Schulen, Straßen u. s. w.

Durch unseren Londoner Correspondenten haben unsere Leser von dem ebenso kolossalen, als skandalösen Bankerott der eng­ lischen Lebensversicherungs- Gesellschaft ,, Albert" erfahren. Diese Gesellschaft hatte auch in Deutschland Agenturen, und zwar ein Centralbureau in Berlin , das von einem Hrn. Lewine im Geist der Gesellschaft geleitet wurde. Schwindler giebt es überall. Aber die betreffenden Schwindeleien in Berlin werden zur Wichtigkeit eines politischen Ereignisses erhoben durch den Umstand, daß die Herren Wagener( föniglich preußischer Hof= fozialist) und Stieber( föniglich preußischer Staatsretter) mit diesem Lewine in eine Verbindung gebracht werden, welche ge= nannte Ehrenmänner auf die Anklagebant bringen muß, so ge­wiß-es Richter in Berlin giebt.

In Berlin , in der Hauptstadt des Intelligenzstaates", mitten im Hort des Protestantismus ", hat sich vor einigen Tagen das Curiosum zugetragen, daß eine große Volksver­sammlung, die gegen die Klöster berufen worden war, ein Mit­glied des katholisch- ultramontanen Gesellenvereins zum Prä­sidenten wählte, und unzweifelhaft Beschlüsse zu Gunsten der Klöster und des neuesten Conzils gefaßt hätte, wenn es den Veranstaltern nicht gelungen wäre, durch einen kleinen Staats­streich die Versammlung aufzulösen, ehe der Spaß sich voll endet hatte.

Und die Moral der Geschichte"! Sind die Berliner nun für die Klöster, wie die Pfaffenblätter schlußfolgern? Oder haben sie sich blamirt, wie gesinnungstüchtige Liberale, ja De­mokraten entrüftet meinen? Keins von beiden. Die Berliner Arbeiter haben keine Luft, sich für religiöse Fragen zu ereifern, weil sie vernünftig genug sind einzusehen, daß das protestan­tische und katholische Pfaffenthum, welches jetzt in Preußen so schamlos gepflegt wird, nur ein Symptom, nicht die Ur­fache der herrschenden Mißregierung ist, und sich erfolgreich nicht anders beseitigen läßt, als durch Beseitigung dieser Re­gierung. Wir danken den Berliner Arbeitern.

Ueber die österreichische Arbeiterbewegung und deren Stellung zur hoffähig gewordenen Bourgeoisie schreibt der Ge­neneralrath der internationalen Arbeiterassoziation in seinem Jahresbericht, dessen Abdruck wir heute beginnen:

,, Die Arbeiter Oesterreichs , besonders Wiens , nehmen be­reits den Vordergrund ein, obgleich sie erst nach den Ereignissen von 1866 in die Bewegung eintraten. Sie sammelten sich so­fort unter der Fahne des Sozialismus, unter der Internationalen, in welche sie massenhaft durch ihre Delegirten auf dem neulichen Eisenacher Congreß eintraten. Wenn irgendwo, hat die libe­rale Mittelflaffe in Desterreich ihre selbstfüchtigen Instinkte, ihre geistige Inferiorität und ihren kleinlichen Groll gegen die Arbeiterklasse zur Schau gestellt. Ihr Miniſterium, welches das Reich zerrissen und bedroht sieht durch den Racen und Nationalitätenkampf, verfolgt die Arbeiter, welche allein die Verbrüderung aller Racen und Nationalitäten proflamiren. Die Mittelklasse selbst, welche ihre neue Stellung nicht ihrem eigenen Heroismus, sondern ausschließlich den Unglücksfällen der östereichischen Armee verdankt, welche kaum im Stande ist, wie sie selbst weiß, ihre neuen Errungenschaften wider die An­griffe der Dynastie, der Aristokraten und des Clerus zu ver­theidigen, diese Mittelklasse vergeudet nichts destoweniger ihre Kräfte in dem elenden Versuch, die Arbeiter auszuschließen vom Rechte der Coalition, der öffentlichen Meetings und der Presse."

Nach Telegrammen aus Spanien sollte vor acht Tagen in Madrid ein republikanischer Aufstandsversuch gemacht

*) Du darfst mich nicht anrühren!( Lateinisch).

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werden und an der Festigkeit des fortschrittlichen Bürgermeisters Rivero( ter auch manchmal als gemäßigter Republikaner " bezeichnet wird) gescheitert sein. Die Madrider Blätter, welche seitdem eingetroffen sind, lassen aber den angeblichen Aufstands­versuch zu einem unbedeutenden Krawall zusammenschrumpfen und lösen den ,, Heldenmuth" des fortschrittlichen Bürgermeisters in blauen Dunst auf.

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Die Regierung hat den Beschluß gefaßt, die gefangenen Carlisten zu begnadigen. Es sei ferne von uns dies Ver­fahren zu tadeln- die Carlisten haben so wenig Anhang, daß der Staat ihnen gegenüber nicht im Stand der Nothwehr ist, wie es 1793 die Französische Republik gegen die adlichen Verschwörer war, und 1867 Mexico gegen Mari­milian von Habsburg milian von Habsburg allein es waren offenbar nicht Rücksichten der Menschlichkeit, welche die Spanische Regierung hier geleitet haben, sondern der Wunsch, sich die Carlisten freundlich zu stimmen. General Serrano weiß sehr gut, daß es nur Eine Partei gibt, die er zu fürchten hat, die Republi kaner, und daß er früher oder später mit ihnen zu kämpfen haben wird. Er will sich Bundesgenossen sichern voila tout!( Das ist Alles!) Mittlerweile organisiren sich die Spanischen Arbeiter. Der Verband der sozialdemokratischen Arbeitervereine zählt bereits über 100 Vereine, die das ganze Land wie ein Netz bedecken, und deren Mittelpunkt das heroifche Barcelona ist, wo auch das Parteiorgan: Federacion"( Der Bund ) erscheint. Bund) erscheint. Das Jtalienische Ministerium hat trotz des kunstreich beschränkten Wahlrechts nicht den Muth, Neu­wahlen vornehmen zu lassen, und will sein Heil noch einmal mit der alten Kammer versuchen. Da sich ihm die Majorität in der letzten Session so feindlich gezeigt hat, daß es nicht mit ihr auskommen konnte, so muß es Hoffnung haben, diese Majorität während der parlamentarischen Zwangsferien zu sprengen. Durch welches Mittel aber? Nun, die jüngsten Standalprocesse geben die Antwort. Sie haben den Beweis geliefert, daß die Bestechung von oben her systematisch betriebent wird, und vielleicht finden sich ein paar Dußend Abgeordnete, die für die Lockungen der Ehrenstellen und des Goldes nicht unempfänglich find. Barlamentarismus und Corruption sind Zwillingsgeschwister.

Es ist mehrfach gegen uns der Wunsch ausgesprochen worden, für jede Gewerkschaft eine besondere Rubrik im Blatt. einzuführen, unter welcher die betreffenden Gewerkschafts- An­gelegenheiten mitgetheilt werden sollen. Wir werden dieſem Wunsche fünftig nachkommen, bitten aber, die Berichte möglichst furz zu halten und nur das Wichtigste zu melden.

Es ist uns gelungen, einen in Paris lebenden, seit mehr als 20 Jahren mit der Geschichte der Sozialdemokratie ver­wachsenen Parteigenossen für unser Blatt zu gewinnen, und Frankreich bringen. werden wir von nächster Zeit regelmäßige Berichte aus

Unsere Berichte aus den Vereinigten Staaten werden mit heutiger Nummer wieder aufgenommen.

Das Ausbleiben der Wiener Briefe erklärt sich aus der Erkrankung unseres Correspondenten.

Herr Ernst Klüglich in Geyer hat sich dem Gericht als Verfasser des dem Gey'rer Bürgermeister anstößigen Arti­fels in Nr. 29 des Demokratischen Wochenblatts" genannt, und wird den Beweis der Wahrheit antreten.

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An die Parteigenossen!

Ueber die seit der Bekanntmachung vom 10. August bei unferer Kaffe eingegangenen Beträge( genauen Aufschluß über Einnahmen und Ausgaben werden die vierteljährlich zu drucken­den Kaffenberichte geben) machen wir hiermit Folgendes bekannt:

An freiwilligen Beiträgen famen aus Ronsdorf 2 Thlr., Erbach 3 Thlr., Düsseldorf 1 Thlr., Bielefeld 5 Thlr., Leipzig