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großen, im Garten unter Prachtzelten aufgestellten Buffets geboten. Ein dazu verabreichter Rothwein aus Jünken's Kellerei wurde von den Gästen mit wahrem Wohlbehagen geschlürft. Als der Ober- Bürgermeister Geh. Rath Kieschke im Saale das Hoch auf den König ausbrachte, ertönte im Garten ein Zeichen und das Knallen der Champagnerforke war die Antwort, daß die Gesellschaft die Gelegenheit enthusiastisch wahrzunehmen mußte; der Champagner( Moet und Chandon) floß fortan in Strömen." Wie mit einem Guß, so schreibt die ,, Danziger Zeitg."( unterm 16. d.), stürzten nach ziemlich übereinstimmender Angabe sämmtlicher Beobachter etwa 150 Personen in die Tiefe hinab, denen immer noch nach und nach andere folgten und eine Scene, einen Jammer hervor= riefen, der von keiner Feder zu schildern ist. Mütter mit ihren Kindern an der Hand, Greise, Männer, Knaben, Mädchen, alle rangen mit dem Tode und erfüllten die Luft mit vereinig tem Angstgeschrei, das Jeden erstarren machte. Biele suchten sich durch Schwimmen zu retten, wurden aber von Anderen erfaßt und in die Tiefe gezogen. Der Steuer Kontroleur Bolitt stürzte mit seiner Frau und 2 Kindern ins Wasser, er selbst und die Frau wurden gerettet, die Kinder ertranken und die Frau ist gestern im Wahnsinn gestorben. Ein Arbeiter hat sich wegen des Verlustes seiner Tochter im Pregel ersäuft. Tischlermeister Klein wurde gestern herausgefischt, so daß jetzt 30 Todte ermittelt sind. Es werden noch mehrere Personen vermißt."
Den Tag nach diesem Doppelfest der Loyalität hielt König Wilhelm eine kleine Nachtischrede zu Ehren des Fünften Armeekorps( Soldaten müssen's sein), worin er sagt:„ Diese sagt: ,, Diese Treue und Hingebung hat das Korps in jüngstvergangener Zeit ( 1866) auch mit Ausdauer in ernsten Stunden zu paaren gewußt, und dies giebt mir Bürgschaft dafür, daß der Geist, welcher einst in Tagen schwerer Prüfung( 1806) die Provinz in dieser Richtung belebt hat, sich auch wieder bewähren werde, wenn gewichtige Momente an uns herantreten". Daß in den letzten Worten eine Drohung liegen sollte, wie viele Zeitungen meinen, das glauben wir nicht weit eher eine Befürch= tung. Wie würde der Monarch sonst an das Jahr 1806 erinnert haben, welches an sich nach jeder Richtung hin die vernichtendste Kritik des Jahres 1866 ist?
Die Sächsische Regierung hat soeben einen Finanzbericht veröffentlicht, aus dem erhellt, daß die Finanzen, was man so zu nennen pflegt, sehr ,, gut geordnet" find, d. h. daß trotz den Ausgaben für Soldaten und andere gemeinschädliche Zwecke tein Defizit besteht, sondern sogar die Staatsschuld in der Verminderung begriffen ist. Wir halten diese Veröffentlichung für sehr unklug, da sie gewissen einflußreichen Personen den Gedanken nahe legen wird, daß bei uns noch Geld für Soldaten zu holen sei.
Die Böhmischen Geschwornen haben die gute Gewohn= heit, in allen Breßprozessen, die ihnen vorgelegt werden, freizusprechen. Wie man aus Wien schreibt, bringt dies die Regierung in einige Verlegenheit, da die Gefängnisse mit Journalisten gefüllt sind, die vor Einführung der Schwurgerichte für Preßvergehen verurtheilt wurden. Wir sehen nicht recht ein, worin die ,, Verlegenheit" bestehen soll, zumal es notorisch ist, daß die Herren Bürgerminister noch unmittelbar vor der Frist, wo die Schwurgerichte ins Leben zu treten hatten, Preßprozesse auf's Aeußerste beschleunigen ließen, bloß um einer Verurtheilung sicher zu sein. Was die bezeichnete Anomalie betrifft, so existirt dieselbe beiläufig in noch viel höherem Grade in unserem Musterländchen Sachsen . Hier haben wir schwurgericht liche und berufsrichterliche Behandlung der Preßprozesse zu gleicher Zeit, was an die berühmte 1848er ,, Republik mit dem Großherzog" erinnert und die kuriose Folge hat, daß, wer eines leichteren Preßvergehens angeklagt ist, be= rufsrichterlich verurtheilt, und wer eines schwereren, schwurgerichtlich freigesprochen wird.
General Prim hat Befehl ertheilt, alle verfügbaren Truppen nach Cuba einzuschiffen, weil der dortige Aufstand um jeden Preis unterdrückt werden müsse". Der tolle Renommiſt!
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Es gibt nur Einen Preis, um den dies zu bewerkstelligen ist die Freilassung der Insel; der Aufstand ist schon zu weit gediehen. Beiläufig hat die Peruanische Republik bereits die provisorische Regierung in Cuba anerkannt, und die große nordamerikanische Republik hat gedroht, ein Gleiches zu thun. Die Krakehlereien zwischen dem Sultan und seinem übermächtigen Vassallen, dem Vizekönig von Egypten, find noch nicht zu Ende. Es schien in den letzten Tagen, als sei für den Moment ein Abkommen getroffen worden, allein plötz lich heißt es, daß sich wieder eine Streitfrage erhoben hat, und zwar eine finanzielle( in Geldsachen hört bekanntlich die Gemüthlichkeit auf). Der Vizekönig will nämlich der Pforte das Egyptische Budget nicht zur Genehmigung vorlegen und auch nicht auf das Recht, Staatsanleihen zu machen, verzichten. Wie kann der Sultan aber auch so verkehrt sein, einem Fürsten die Freiheit, seine Unterthanen zu schinden und Schulden zu machen, beschränken zu wollen?
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Ueber den Stand der Dinge in den südamerikanischen Republiken namentlich über den Krieg in Paraguay schreibt man der ,, Agence Havas" aus Buenos- Ayeres vom 8. Auguft Folgendes: Seit Abgang des englischen Dampfers ,, Dupleir" ist die Lage der Argentinischen Republik mehr und mehr kri tisch geworden. Eine Revolution gegen die Politik des Präsidenten Sarmiento ist in den Nordprovinzen zu gewärtigen. Der General Taboada, Gouverneur der Provinz Santiago de Citero, ist thätig damit beschäftigt, seine Streitkräfte zu ver einigen und ladet die anderen Gouverneure ein, die ihrigen zu mobilisiren, um sie gemeinsam gegen die Nationalregierung zu führen, wenn der Moment gekommen sein wird, sich gegen sie zu erheben. Der Präsident Sarmiento hat seinerseits Truppen von der Grenze zurückgezogen, um sie im Voraussicht eines pronunciamento des General Taboada nach dem Innern zu schicken. Die Ursache der fortgesetzten Unzufriedenheit unserer Bevölkerungen ist das unsinnige Bündniß mit Brasilien , welches für die Interessen der Republik verhängnißvoll ist. Unsere Bevölkerungen haben endlich eingesehen, daß der Krieg, an welchem wir gegen Paraguay Theil nehmen, ausschließlich zum Vortheil Brasiliens ist, des natürlichen und historischen Widersachers der Republiken des La Plata. Den Nachrichten zufolge, die wir vom Kriegsschauplage in Paraguay haben ist von den Alliirten am 19. Juli eine Recognoscirung gegen As cura versucht worden; sie haben während eines ganzen Tages die paraguayischen Positionen aus solcher Entfernung beschoffen, daß nicht ein einziges Geschoß sein Ziel erreicht hat. Nach dieser nußlosen Kanonade haben sich die Brasilianer zurückge zogen, ohne daß es die Paraguayer für der Mühe werth ge halten haben, ihr Feuer mit einem Schuffe zu beantworten. Der brasilianische General Portinho, welcher, von den Missionen ausgehend, den Parana in der Absicht überschritten hatte, gegen Villa Rica zu marschieren, ist von einer Colonne paraguayscher Kavallerie angegriffen und gezwungen worden, seinen Marsch zu ändern und auf seine Unternehmung zu verzichten. Er mußte die Ufer des Tebicury zu gewinnen suchen, um sich auf die Panzerschiffe Brasiliens zu stützen und seine Vereinigung mit der Armee des Grafen Eu zu bewerkstelligen. Man hat bereits seit einigen Monaten angekündigt, daß die Alliirten die Bildung einer sogenannten provisorischen Regierung in Assomp tion decretirt haben, bis jetzt hat man sie aber noch nicht einzusetzen vermocht. Es sind wenigstens zwanzig Bewerber vor handen, welche sich dazu drängen, Mitglieder dieses Schattens einer Regierung zu werden. Die wenigen Paraguayer, die in Assomption existiren, sind unter sich nicht einig, namentlich aber wollen sie von einer Einmischung Brasiliens in die inneren Angelegenheiten ihres Landes nichts wissen. Dies ist die große Schwierigkeit in welcher sich Brasilien in Paraguay befindet."
Noch ungünstiger spricht sich der Buenos Ayres Stan dard" über die Lage der Brasilianer aus, und behauptet dieses Blatt aus sicherster Quelle mittheilen zu können, daß die brafilianische Regierung den unmittelbaren Abbruch des Kriegs be schlossen habe. Wir balten dies für sehr mahrscheinlich
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