heit des Holzes hätten sich die Einſtriche gesenkt gehabt, etwa 4-5 Zoll, was von der 7. bis 10. Bühne deutlich zu sehen gewesen. Die Senkung der Einſtriche sei seit etwa 6 Wochen wahrgenomen worden. So ähnlich lautet eine Zeugenaussage nach der anderen. Der Director Müller dagegen gesteht zwar zu, am 28. Juni aufmerksam gemacht worden zu sein, daß einige Erdstriche nicht mehr ganz gerade ständen und neu ein­gezogen werden müßten, womit er sich einverstanden erklärt habe. Allein die Wahrnehmung sei nicht geeignet gewesen, die Nähe einer Gefahr anzudeuten und daher die Reparatur auf nächsten Sonntag anberaumt worden. Nachdem der Director mit den gravirenden Zeugen- Aussagen bekannt gemacht worden, zeigt er große Bestürzung" und erklärt, daß die Zeugenaus jagen große Unwahrheiten enthielten, vielleicht nur vorgebracht, um eigne Nachlässigkeiten zu beschönigen. Davon, daß die Was­ferleitung nicht in Ordnung gewesen, habe er nichts gewußt. ,, Bekannt sei ihm gewesen, daß ein Theil der Zimmerung an­gefault sei. Bisher habe aber das Holz, wo es am faulsten war, noch keinen Druck zu erleiden gehabt. Von einer Schacht verdrückung sei ihm nie etwas gemeldet worden. Nur diese, nicht aber die Fäulniß der Hölzer könne Gefahr bringen." Am 18. Juli erfolgte die Entlassung des Directors aus der Haft. Die Untersuchung wurde jedoch fortgesetzt und noch eine große Anzahl von Zeugen vernommen, die alle gleich den zuerst ver­nommenen den überaus schlechten Zustand des Schachtes behaup­ten und ihre Behauptungen durch haarsträubende Schilderungen von Einzelheiten belegen. Die Kohlenwerks Inspektion hatte ,, keine Wahrnehmung gemacht, welche darauf hindeutete, daß die Bimmerung des Schachtes dem etwa von dem hinterliegenden Gebirge auf sie ausgeübten Drucke nicht entspreche." vorliegende 8. Heft der ,, Allgem. Gerichtszeitung" enthält nur die erste Hälfte der Untersuchung. Man muß das Erscheinen des 9. Heftes abwarten, um zu erfahren, wie es gekommen, daß die Untersuchung erfolglos geblieben und deshalb eingestellt worden ist."

Das

( Wir suspendiren unser Urtheil bis zum Erscheinen des nächsten Heftes der Allgemeinen Gerichtszeitung". Die Red. d. ,, Dem. W.")

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Chinesische Briefe.*)

I.

Der Oberfeldherr des Nordchinesischen Bundes hält jetzt im ganzen Reiche Revuen ab. Darob großer Jubel unter den Chinesen, die überall, wohin der Herrscher kommt, große Festlich­keiten veranstalten. Es thut der Bildung und Gefittung der Chinesen durchaus keinen Eintrag, daß sie, welche sich das kultivirteste Volk der Erde nennen, an findischen Soldaten= spielen, die, wenn sie von erwachsenenen Leuten ausgeführt werden ,,, Militärparaden" heißen, ein himmlisches Vergnügen finden. Der Herrscher selbst, bereits in den Siebenzigern, lebt von Neuem auf, wenn ein Regiment Soldaten an ihm vorbeizieht, besonders wenn es zu denen gehört, welche vor drei Jahren gegen den füdchinesischen Bund mitgekämpft haben. In diesem Falle ist es Sitte, daß bei dem auf die Parade folgenden Schmause, der gewöhnlich so viel kostet, als alle Arbeiter der größten Fabrif wöchentlich zusammen Lohn erhalten, das Gespräch auf die Heldenthaten jedes Einzelnen gelenkt wird, wobei natürlich der Herrscher vor Allem seine eigene Lebens­geschichte erzählt, deren wichtiges Moment, wie er selbst sagt, das ist, daß er die Krone von Gottes Tisch genommen habe. Einmal hätte ihm das übel bekommen können, der Engel im Himmel, so heißt es nämlich, welcher die Kronen verwahrt, vermißte eines Tages eine derselben. Er stieg zur Erde hinab und klopfte bei allen Herrschern an, mit der Frage, ob sie nicht wüßten, wer ihm die Krone gestohlen habe. Alle ver= wahrten sich energisch dagegen, als ob sie Mitschuldige des Diebstahls feien, verwiesen den Engel aber bezüglich des Eigen­thums ihrer Kronen auf das noch bestehende Erbrecht, kraft dessen sie ihnen zugefallen seien. So kam der Engel auch zum

*) Der Verfasser der ,, Berliner Briefe" verzichtet wohl heute auf Maman feines chinefifchen Collegen! Die Red.

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,, Aha!"

Herrscher des Nordchinesischen Bundes, mit der Aufforderung, sich über den rechtmäßigen Erwerb seiner Krone auszuweisen. Der Herrscher aber mit der ihm, wie allen Hochgebornen, eigenthümlichen Hoffarth verweigerte die Revision der Staats­urkunden und berief sich auf die aller Welt bekannte, in der Kirche zu Kongsbor vollzogene Krönung, bei welcher er die Krone ,, von Gottes Tische genommen" habe. sagte der Engel ,,, nun haben wir den Spizbuben; von Gottes Tische fehlt eben eine Krone und du selbst sagst, daß du sie von da genommen habest!" Da ward dem Herrscher angst und bange und er ließ seinen Kanzler Kramsib rufen, den großen Nordchinesischen Bauernfänger, der als hochweise ge= priesen ward im ganzen Land. Bauernfänger aber nannte man ihn nicht deshalb, weil er den Herrschern, deren Länder er weggenommen, Geld zum Ersatz versprochen aber nicht gegeben hatte, sondern deßhalb, weil er alle seine früheren Feinde, die man bei den Chinesen ehemals Freie" nannte, durch schlaue Reden auf seine Seite gebracht hatte. Kramsib nun machte mit dem Engel kurzen Prozeß und sagte: ,, Macht geht vor Recht! das merke dir ein für allemal. Wie wir in den Besitz der Krone gekommen sind, das ist ganz egal. That­sache ist, daß wir sie haben, also gehört sie uns." Sprach's und ließ den widerspenstigen Engel in das in der Residenz neuerbaute Kloster sperren. Darauf kam ein zweiter Engel vom Himmel, der nicht wie der erste barsch war, sondern den Weg der Güte, der Aussöhnung und Vermittelung ein­schlagen wollte und den Herrscher durch Vernunftgründe von seinem Unrechte überzeugen wollte. Oberster Feldherr, Be­schützer der Wissenschaften und Hort der Kirche," redete er ihn an ,,, bist du geneigt Gottes Wort aus meinem Munde zu hören?" ,, Warum sollte ich nicht? Stets bin ich ein williger Diener der Kirche gewesen. Ich habe noch nie zur Gründung eines Klosters die Concession versagt, alle freisinnigen Lehrer werden gemaßregelt, alle Seelsorger können sich dicke Bäuche anschaffen; sprich, was willst du noch mehr?"

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,, So höre! In der Bibel heißt es: Gebet Gott , was Gottes ist und dem Kaiser was des Kaisers ist. Da nun be= fanntlich Gott Alles gehört, so kommt auf den Kaiser Nichts. Also: Gib die Krone her!"

Als Kramsib, der hinten gelauscht hatte, das hörte, sprang er hervor mit den Worten: ,, das ist ein Hochverräther, ein Republikaner, er agitirt für Steuerverweigung, er gehört zum Revolutionscomitee! Majestät, das können wir nicht länger zusehen. Ich schlage vor, daß man dem Himmel den Hoch­verrathsproceß erkläre und ich gebe meinen Kopf, wenn unser Obertribunal auch nur einen einzigen von den Engeln freispricht!"

So geschah es und der Prozeß zwischen dem Herrscher des nordchinesischen Reiches und dem Himmel in Betreff des rechtmäßigen Eigenthums der Krone schwebt augenblicklich in erster Instanz.

Offener Brief an Hrn. Dr. 3. B. v. Schweiker in Berlin .

Ihre Haft ist vorbei, Herr Doktor! Jetzt können Sie sich nicht mehr hinter der wohlfeilen Ausflucht verstecken, daß man Sie nur an­greife, wenn Sie um der Arbeitersache willen in Haft feien, jetzt können Sie Rede stehen und werden es müssen, oder aber Sie werden der Welt beweisen, daß Sie die Antwort auf die Beschuldigungen ,, Ihrer" Gegner schuldig bleiben müssen, weil Ihnen die Antwort unmög= lich ist.

Wir haben schwere, sehr schwere Beschuldigungen gegen Sie. Ich werde mich bemühen, das Allerwichtigste in gedrängter Kürze herauszugreifen.

I. Sie streben mit den schändlichsten Mitteln nach der

absoluten Herrschaft über die deutschen Arbeiter.

Präsident, unbeschränkter Präsident des Allgemeinen deutschen Ar­ beitervereins , Präsident des Arbeiterschaftsverbandes und alleiniger Eigen- it thümer des alleinigen Parteiorgans ,, Sozial- Demokrat" zu sein und zu bleiben, das ist Ihre Parole. Wer noch daran zweifeln wollte, der lese tel nur Ihren allerneuesten Erlaß in Nr. 108 Ihres Blattes!

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Um Ihren Zweck zu erreichen, haben Sie seiner Zeit das Protokoll der Braunschweiger General- Versammlung gefälscht, die Protokolle der Generalversammlungen von Hamburg und Barmen- Elberfeld unter 1: drückt, haben Sie in Ihrem Blatte alle selbstständigen Charaktere, die fich nicht unbedingt Ihrem persönlichen Willen unterwarfen, verdächtigt, verläumdet, die Einsendungen und Rechtfertigungen derselben unterdrückt; dagegen alle Diejenigen, von denen und so lange Sie eine unbedingte