Demokratisches Wochenblatt.

No. 44.

Organ der sozial- demokratischen Arbeiterpartei.

Leipzig  , den 29. September.

1869.

Das Blatt erscheint Mittwochs und Sonnabends. Abonnementspreis vierteljährlich bei allen deutschen   Postanstalten sowie hier am Platze ein­schließlich Bringerlohn 12, Ngr.; einzelne Nummern 1 Ngr. Abonnements für Leipzig   nimmt entgegen Herr G. Richter, Peterssteinweg 7, Leipziger Confumverein, Üniversitätsstraße, und die Expedition d. Blattes in der Wohnung des Herrn A. Bebel, Petersstraße 18. Für Dresden   Filialexpedition( interimistisch) M. Hendel, Wallstraße 10. Agent in London   für England, Indien  , China  , Japan  , Australien  , Südamerika   2c. die deutsche Buchhandlung von Franz Thimm, 24 Brook Street, Grosvenor Square, London  . Agent für London  : A. Duensing, Foreign Bookseller, Librarian and Newsagent, 8, Little Newport Street, Leicester Square, W. C.  

Vom 1. Oktober an erscheint das ,, Demokratische Wochenblatt" unter dem Namen:

Der Volksstaat,

Organ der sozial- demokratischen Arbeiterpartei,

und sind alle Bestellungen auf der Post unter dieſem neuen Namen aufzugeben.

Das Blatt erscheint wie bisher wöchentlich zwei Mal( Mittwoch und Sonnabend) und kostet in allen deutschen   Staaten mit Ausnahme Preußens 12 Sgr., in Preußen mit Zuschlag der Stempelsteuer 15 Sgr. pro Quartal.

Kreuzbandsendungen des Blattes kosten innerhalb des deutsch  = österreichischen Postvereins 20 Sgr., für die Schweiz 1 Thlr., für England, Frankreich  , Belgien  , Holland   und Amerika 1 Thlr. 7% Sgr. pro Quartal, und ist der Betrag im Voraus zu bezahlen.

Alle Geldsendungen für das Blatt find an A. Bebel, Leipzig  , zu richten.

Inhalt: Politische Uebersicht. Programms. Aus Frankreich  . Gewerksgenossenschaftliches.

-

-

Der Punkt 10 des Eisenacher Offene Antwort an Hrn. L. Fränkel. Correspondenzen.- Anzeigen.

Politische Uebersicht.

Die Krankheit Bonaparte's hat aller Welt die That­sache enthüllt, daß das Französische   Kaiserreich im Abster= ben ist und daß spätestens der Tod des Kaisers das Signal zu einer Revolution geben wird. Diese Enthüllung hat eine vollständige Veränderung in der Europäischen   Situation, oder richtiger in der Stellung der Europäischen   Monarchien zu einander zur Folge gehabt. Wie der nahende Prairiebrand die wilden Thiere, die sich sonst auf's Tödtlichste befehden, friedlich zusammenführt, so läßt der kommende Weltbrand die Fürsten   Europa's ihre Zwiftigkeiten vergessen und treibt sie zum Bündniß gegen den gemeinsamen Feind. Was gilt dem Hohenzoller die ,, deutsche Kaiserkrone", was dem Habsburger   die Stellung Desterreichs in Deutschland  ", was dem Czaren sein göttliches Anrecht auf die Türkei  ", wenn Hohenzoller, Habs burger, Czar ihre Throne wanken, sich in ihrer Existenz be­

droht fühlen?

Wir erwähnten schon das Letztemal der Gerüchte von Annäherungsversuchen zwischen Preußen und Dester reich. Man schreibt uns darüber aus Berlin  : Von hier aus werden frampfhafte Anstrengungen gemacht, um mit Defterreich in ein gutes Einvernehmen zu kommen. Deshalb wurde Bismarck  in den Hintergrund geschoben. Man fürchtet, daß Oesterreich die Revolution, die unausbleiblich ist, wenn Napoleon   abdankt oder stirbt, zur Vergeltung benutzen möge. Ob man seinen Zweck erreichen wird? Es wird wohl auf den Preis ankommen, den man bietet, da es Beust und dem Wiener Hof ebenso= wenig Ernst ist mit den liberalen Reformen, wie niß, so wird die Demokratie das Opfer sein." dem Breußischen Hof nach 1806. Gelingt das Bünd­

Daß derartige Unterhandlungen obschweben und auch be­reits zum Theil ihren Zwed erreicht haben, unterliegt absolut feinem Zweifel. Nicht minder gewiß ist, daß, was unser Ber­ liner   Correspondent über die reaktionären Neigungen des Dester­reichischen Hofs sagt, durchaus der Wirklichkeit entspricht. Einen Beweis dafür liefert ein Prozeß, der vor einigen Tagen in Innsbruck   spielte. Hören wir, was ein Correspondent der Frankfurter Zeitung  " schreibt:

,, Wien  , 23. September. Professor Greuter, der Wort­führer der ultramontanen Fraction im österreichischen Abgeord­netenhause, ist gestern Nachmittags vor dem Bezirksgericht in Innsbruck   von der Anklage, durch seine Rede im Überziller= thal am 27. Sept. 1868 das Verbrechen der Majestätsbe­leidigung und der Störung der öffentlichen Ruhe begangen zu haben, freigesprochen worden. Greuter hatte den versammelten Bauern gesagt, der Kaiser habe das antikatho­lische Schul- und Ehegesetz nicht unterzeichnen wollen, aber da seien seine Räthe vor ihn hingetreten und hätten ihm er­klärt, wenn er nicht unterschreibe, so gebe es Mord und Re­volution in seinem Reich, und so habe sich denn der Kaiser fügen müſſen. Die t. t. Staatsanwaltschaft war der Ansicht, daß in dieser Aeußerung, an deren thatsächliche Begründung sie nicht glaubte, das Verbrechen der Majestätsbeleidigung 2c. enthalten sei, da Franz Joseph I.   beschuldigt wurde, daß eri sich durch Drohungen zu einem Acte, der gegen seine, beffere" Ueberzeugung war, habe bestimmen lassen. Der Strafantrag Lautete auf sieben Monat schweren Kerker mit einem Fasttag in jeder Woche. Prof. Greuter trat jedoch den Beweis der Wahrheit an und seine Mittheilungen waren derart, daß der Gerichtshof ein freisprechendes Urtheil fällte. In officiellen Kreisen, hat der Ausgang dieses Proceſſes einen sehr unange-­nehmen Eindruck gemacht, da durch die Angaben des Ange­klagten die Würde der f. t. Majestät in hohem Grade com­promittirt erscheint. Nach Greuter's Mittheilungen, an deren Richtigkeit der Gerichtshof nicht gezweifelt hat, war Kaiser:

Franz Joseph L., der am Abend des 3. Juli 1866,, zusam­