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Beschluß, gleich allen Beschlüssen theoretischer Natur, bindende Kraft nur für Diejenigen, welche für ihn gestimmt haben.

Anders verhält es sich dagegen mit dem Beschluß über die Gewerksgenossenschaften, der wesentlich auf Veran­Tassung unserer Partei gefaßt wurde, und den zu verwirklichen wir mit allen Kräften bemüht sein werden.

Der Punkt 10 des Eisenacher Programms hat zu mancherlei falschen Auffassungen Anlaß gegeben.

Carl Hirsch, auf dessen Antrag der betr. Punkt in das Programm aufgenommen ward, schreibt darüber an das Fell­eisen":

Es wäre eine große Illusion, zu glauben, daß die neun ersten Forderungen des Programms in einer Gesellschaft auch nur annäheind erfüllt werden können, welche auf der modernen Arbeitsweise begründet ist. Zufolge der modernen Arbeits­weise oder Großproduktion besteht ein immer größerer Theil der Bevölkerung aus Proletariern, d. h. aus Solchen, die nichts besitzen als ihre Arbeitskraft, die sie als eine Waare um die Herstellungskosten, d. h. für ihre eigene nothdürftige Lebensbedürfnisse verkaufen müssen, während sich andererseits der Besitz der Rohstoffe, des Landes und der anderen Arbeits­mittel in einer immer geringeren Zahl von Händen zusammen­zieht. Dieser Zustand ist durch allgemeines Wahlrecht, Urge­setzgebung, Volkswehr, freies Recht, gute Schulen, Beschränkung der Arbeitszeit, gerechte Besteuerung u. s. w. keineswegs be­seitigt; im Gegentheil aber ist dieser Zustand die Hauptursache der Unfreiheit, indem er das Volk am Denken verhindert und es abhält, eben jene in Punkt 1 bis 9 aufgezählten Forderun­gen energisch aufzustellen und zu verfechten. Der Ausweg aus Der Ausweg aus der Wüste der jetzigen Produktionsweise liegt also gerade in dem Genossenschaftswesen, besonders den Produktiv= Genossen­schaften, die der Ausgangspunkt für das zu erstrebende Kollek­tiv- Eigenthum sind, das die Lohnarbeit beseitigen wird. Wir müssen also auch vom heutigen Staate in ebendemselben Maße Förderung des Genossenschaftswesens verlangen, wie all=. gemeines Wahlrecht u. s. w. Ob das friedliche Verlangen Aussicht auf Erfolg hat, lasse ich hier mit demselben Grund dahingestellt, als die Frage, ob jemals in der heutigen Gesell­schaft eine progressive Einkommensteuer, oder ein obligatorischer Volksunterricht, oder eine Jury in Civilstreitigkeiten denkbar wäre, und verweise über diese Frage auf die Artikel über ,, die indirecten Steuern und den Aftersozialismus" im ,, Demokr. Wo­chenblatt", Januar und Februar 1869. ,, Unter Demokra  = tischen Garantien" nur soll Staatscredit verlangt und gegeben werden. Darunter ist zu verstehen, daß man Vorkehrungen gegen casaristischen Mißbrauch der Arbeiter treffen muß, z. B. daß nicht die jeweilige Regierung, sondern die Gesetzgebung den Kredit bestimmt, und daß die zur Ausführung der Kredit­gesetze beſtimmte Bank unabhängig von der Regierung und unter der steten Kontrole des Volkes und der Betheiligten steht. Es lassen sich noch mancherlei solcher demokratischen Ga­

rantien denken.

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Aus Frankreich  .

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Paris  , 24. September. Die Kammermitglieder werden durch die unbestimmte Fortdauer einer von vornherein übel aufgenommenen Ver­tagung täglich rappelköpfischer. Zwei Mitglieder der 116 haben diese Woche ihren Entschluß ausgesprochen, nach Ablauf der fonstitutionellen Frist, innerhalb welcher die Kammer einberufen werden muß sie geht in einem Monate zu Ende die selbe selbst einzuberufen, wenn die Regierung es nicht thue. Die offiziösen Blätter machen sich zwar über diesen Entschluß lustig; aber man hat auch im Anfange darüber gelacht, als pie dynastische Opposition ihre Interpellation zu unterzeichnen begann. Später jedoch, als sich mehr und mehr Mitglieder Des Centrums und der Rechten anschlossen, beeilte sich die Re­hierung über Hals und über Kopf, eine Constitutionsänderung

anzufündigen und die Kammer zu vertagen. Nun aber fin= den wir heute schon im Moniteur"( Oppositionsblatt der Gemäßigten) ein neues Kammermitglied, Herrn von Choiseul  , sich seinen Wählern gegenüber entschuldigen wegen seines bis­herigen Nichtanschlusses an die 116, und diese Gelegenheit be­nugen, um ebenfalls gegen die fernere Vertagung der Kam­mer zu protestiren. Wenn das so fortgeht, wird eines schönen Morgens die Kammer plötzlich einberufen werden.

Bürger Langlois, ein Pariser   Delegirter auf dem Baseler Congreß, verwahrt sich im heutigen ,, Avenir" gegen die ,, kom= munistischen" Tendenzen der Congreßmajorität. In derselben Nummer des genannten Blattes drückt Bürger Seinguerlet seine Entrüstung über den Baseler Congreß aus, der angeblich diktatorische Tendenzen à la Schweizer   verfolge, wogegen das Organ der Volkspartei und der ,, Beobachter" auch schon pro­testirt habe.

Gegen diese schlecht unterrichteten Delegirten, Correspon­denten und Beobachter wird diese Woche, wahrscheinlich im ,, Reveil", der wahre Sachverhalt veröffentlicht werden, wie ihn Eccarius auf seiner hiesigen Durchreise den Freunden mit­getheilt hat. Da er den meisten Delegirten selbst unbekannt geblieben ist und eine Art von geheimer Geschichte des Baseler Congresses bildet, so wird es vielleicht auch den Lesern dieses Blattes nicht uninteressant sein, das Wesentliche aus dieser geheimen Geschichte zu erfahren.

Die Congreßmajorität bestand aus zwei Nüancen. Nur eine derselben, die innerhalb der Majorität selbst eine sehr kleine Minorität bildete, die Bakunin'sche, kann als kommuni­stische im rohen Sinne des Wortes bezeichnet werden. Sie war es, welche die Abschaffung des Erbrechts in willkürlicher, diktatorischer und anarchistischster Weise vorschlug, eine Propo­sition, die bekanntlich vom Congresse beseitigt wurde, dessen Botum in dieser Frage Vielen, auch dem Bürger Langlois, wie er selbst eingesteht, und ohne Zweifel auch dem Bürger Seinguerlet ein Räthsel blieb. Es ist keines mehr, wenn man die Nüance Bakunin innerhalb der Majorität berücksichtigt.

( Unser Correspondent gibt hier einige Details, deren Ver­öffentlichung wir aus Parteirücksichten unterlassen. D. R.  )

Der Majoritätsbeschluß, der vom Congreß in der Frage des Bodeneigenthums gefaßt wurde, ist kein kommunistischer im rohen oder diktatorischen Sinne des Wortes. Es ist nur eine theoretische Resolution, welche es im Prinzip ausspricht, das der Fortschritt der Wissenschaft und Industrie dahin führe, das fleine Grundeigenthum und die kleine Bodenkultur aufzuheben und umzuwandeln in Großkultur und kollektive Produktion. Diese Resolution überläßt es dem ferneren Studium, so wie der geschichtlichen Entwicklung der verschiedenen Ortsverhält nisse, eine solche Umgestaltung näher zu bestimmen. Die Collektivisten verhalten sich, mit einem Worte, zu den Baku­ nin  'schen Communisten, wie die kulturhistorischen Bestrebungen zu jenen der barbarischen, rohen Gewalt.

Der langjährige Redakteur der ,, Opinion nationale" Ju­les Labbé, hat diese Woche dem Herrn Guéroult aufgekündigt. In dem Absagebrief heißt es, die Zeit wäre gekommen, wo man Partei nehmen müsse. Bis jetzt wäre er nicht gehindert gewesen, seine republikanischen Gesinnungen in dem Blatte aus­zusprechen. Da aber Herr Guéroult nun offen Partei für den Prinzen Napoleon   nehme, so könne er als Republikaner nicht länger Redakteur seines Blattes bleiben.

Ein Mitglied des Centralkomités des Friedens- und Frei­heitskongresses, Emile Accollas, erklärt in dem ,, Reveil" seinen Austritt aus der Liga. Der eben stattgehabte Congreß in Lausanne   sei seinem ursprünglichen republikanischen Programm untreu geworden. Wo heute die radikale Bourgeoisie sich nicht mit den sozialdemokratischen Arbeitern verbindet, wird sie immer mit der Zeit reaktionär. Trotz aller Victor Hugo  'schen sozia= listischen Phrasen hat der Lausanner   Congreß dieses Jahr wirk lich einen neuen Schritt rückwärts gemacht. Das sollten die Herren Seinguerlet und Compagnie ein wenig beherzigen.