II. ,, Die Landesversammlung der Volkspartei empfiehlt zunächst, allenthalben nur solche Männer in die Gemeindebehörden zu wählen, welche sich verpflichten, die Prinzipien der Volkspartei in politischer wie sozialer und humanistischer Richtung ins Leben einzuführen. Der geschäftsleitende Ausschuß wird weiterhin beauftragt, noch rechtzeitig vor den Wahlen eine Flugschrift zur Belehrung der Bartteigenossen zu erlassen."
Eine sehr lebhafte und umfassende Debatte entspann sich über den nächsten Punkt der Tagesordnung: die Stellung der Volkspartei zu den Beschlüssen des sozialdemokratischen Arbeiterkongresse von Eisenach . Es erhielten die sämmtlichen Beschlüsse dieses Congresses ohne belangreiche Bemerkungen die Zustimmung der Versammlung bis auf den Punkt 10, Staatskredit für Productivgenossenschaften der Arbeiter betreffend. Jm Sinne der Genehmigung jener neun und Abwerfung jenes zehnten Punktes erfolgte auch ein Antrag des geschäftsleitenden Ausschusses an die Versammlung. Ein Gegenantrag, mit den Eisenacher Congreßbeschlüssen im Ganzen, wie fie liegen, also einschließlich des Punktes 10, sich einverstanden zu erklären, fand von einigen Seiten nicht minder lebhafte Vertretung als der erstgenannte Antrag. Schließlich bekam jedoch die Meinung die Oberhand, daß die Frage, welche Punkt 10 berührt, wenigstens noch als eine offene, in öffentlicher Diskussion erst weiter zu berathende und zu bereifende Frage zu betrachten sei, die Volkspartei demnach Grund hätte, wenn sie nicht die Eisenacher Beschlüsse pure anerkennen wolle, vorerst überhaupt nicht Stellung dazu zu nehmen, sondern den ganzen Gegenstand auf die nächste Landesversammlung zu verlegen. Durch Mehrheitsbeschluß wird die Sache in diesem Sinne erledigt.( Wir müssen sagen, daß wir die geltend gemachten Bedenken nicht verstehen. Keiner der Anwesenden hat an dem Bassus; staatliche Förderung des Genossenschaftswesens" Anstoß genommen; die Einwände richten sich allesammt gegen den Staatskredit für freie Produktivgenossenschaften". Ist nicht etwa der ,, Staatskredit" die mildeste Form, in der die ,, staatliche Förderung des Genossenschaftswesens", soll sie nicht eine hohle Phrase sein, sich vollstrecken kann? Die Redaktion.)
Berlin . Sonnabend, 18. Sept. fand hier die erste Versammlung der Parteigenossen statt; Vorsitzender war Hr. Wöllner, Schriftführer der Unterzeichnete.
Nach Verlesung der verschiedenen Bekanntmachungen des Parteiausschusses fand die Wahl des Ausschusses statt; sämmtliche Vorgeschlagene mit Ausnahme v. Bonhorst's, der ungefähr 3/4 der Stimmen bekam, erhielten eine an Einstimmigkeit grenzende Majorität.
Es wurde ferner beschlossen, den Parteiausschuß zu ersuchen, wenn möglich, für Berlin ein Monats- Abonnement des Volksstaat" zu gestatten, weil damit für einen bedeutenden Mehrabsazz Bürgschaft geleistet wäre.
War auch die Zahl der Parteigenossen( 33) bei der ersten Versammlung nur flein, so hoffen wir mit Zuversicht, daß sich unsere Zahl sehr bald vermehren wird, und lustig wird dann auch die alte, zer= jezte Fahne der Sozial- Demokratie in Berlin flattern, auf derselben die unvertilgbare Inschrift: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit!
Mit sozial- demokratischem Gruß
E. Müller.
Geyer, 16. September. Am vergangenen Sonnabend war ich wieder in Buchholz, und hatte endlich Gelegenheit, etwas Propaganda für die Arbeiterfache zu machen; es war eigentlich Versammlung des Posamentirvereins, nnd zwar die erste, welche sehr schwach besucht war. Zu einem Vortrag bot sich nicht die rechte Gelegenheit, dagegen ergriff ich in einer zweistündigen Debatte mehrmals das Wort, um über Sozialdemokratie zu sprechen, was die Anwesenden zum Theil etwas stuzzig machte. Man merkte es sofort, daß unsere Prinzipien so gut wie gar nicht bekannt waren, die Meister wollten zwar in politischer Beziehung mit mir sich einverstanden erklären, in sozialer Beziehung jedoch stand man noch auf Seite Schulze's(!) Dies wird sich durch öfteres Auftreten dort beseitigen lassen, und man mußte mir schon zugeben, daß der Arbeiter unfähig sei sich Kapitalien anzusammeln. Die Leute trauen sich eigentlich nicht recht heraus, wovon die Schuld wohl daran liegt, daß die Bewegung noch keinen Eingang gefunden hat und hier erst angefangen werden muß, weshalb ich in nächster Zeit in Buchholz sowohl als in Annaberg Volksversammlungen abhalten werde.
Borgangenen Sonnabend und Sonntag war Herr Erfurt aus Crimmitschau hier um sich über unsern Zustände zu unterrichten, welche, nebenbei bemerkt, ihren alten Stand behaupten. Natürlich ist ohne Capital keine Besserung zu erzielen; Herr Erfurt mußte selbst ge= stehen, daß es sehr schwer sei hier einzugreifen, die Verhältnisse sind zu schwierig. C. Demmler.
Reichenberg, 21. September. Mit unserem sozial- demokratischen Arbeiter- Verein geht es gut, und haben wir heute die Statuten an die Statthalterei eingereicht. Für unser Parteiorgan ,, Volksstaat" suche ich recht viele Leser zu gewinnen. Die Agitation auf dem Lande und in den Fabrikstädt'chen, als Gablenz, Liebenau, Krayzau, Friedland, Grottan, Wamsdorf, Zwickau , Gabel c. wäre eine obsolute Noth= wendigkeit, soll unsere Partei sich ausbreiten und bestehen. Die Gegenpartei wird ebenfalls eine Voltsversammlung halten, und der Delitzscher Schulze und, wie es heißt, sein Freund und Genosse Mar Hirsch werden dabei floriren. Joseph Krosch.
( Für uns kann die gegnerische Versammlung nur erfreulich sein, da wir voraussehen, daß die genannten Agenten der Bourgeoisie Fiasko machen werden, indem der sozialdemokratische Samen in Reichenberg gute
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Wurzel gefaßt hat. Die Parteigenossen mögen unterdessen sich rüsten; an unserer Beihilfe soll es nicht fehlen, wir werden nöthigenfalls auf dem Platze sein. Anm. d. Red.)
Frankenhausen in Thüringen , 20. September. Herr Röthing ( Leipzig ) und Vater( Hamburg ) famen, famen, ich war faum von dem Eisenacher Congreß zurück, hierher und suchten mich auf, fragten, ob es nicht möglich sei, eine Volksversammlung abzuhalten; ich sagte ,, ja!" das war an einem Mittwoch, und es wurde festgesetzt, Sonntag darauf eine Versammlung einzuberufen. Man versprach mir, wenn ich Nachricht nach Weißenfels gebe, dann würden die beiden genannten Herren kommen.
Nun heißt's im ,, Sozialdemokrat"( Nr. 110 unter ,, Leipzig ") daß feine Antwort gekommen wäre. Nein, Herr Röthing, ich will nachhelfen: das Ding ist anders, die Nachricht ist als telegraphische Depesche an Karl Schilling in Weißenfels gekommen, gerade als die Versammlung daselbst stattfand; ich hatte mein Wort gegeben, hab' es auch gehalten, Sie aber nicht, Sie fürchteten sich blos vor dem Cigarrenarbeiter Wiese; welcher Ihnen die Strike der Cigarrenarbeiter in Vegesack bei Bremen in das Gedächtniß rief.
Was wollten Sie Beide auch hier? Als ich sagte, ich wollte alles besorgen, mit dem Vorbehalt feinen Personenfultus zu treiben, da sagten Sie: ,, ich spiele gewiß auf Schweißer an, Sie wären selbst ein Gegner desselben!" Herr Vater sagte: Wir Arbeiter wollen unsere Sache selbst in die Hand nehmen, wir brauchen Niemand, Schweizer so wenig als Bracke!" Darauf hin sagte ich zu. Aber das Schönheitspflästerchen, welches Sie da bringen, gefällt mir nicht, ich hab' es aber anders ausgelegt, ich dachte: Wo kommt das Reisegeld her? Sie sagen doch selbst, daß es schweres Geld kostet, eine Reise nach Frankenhausen zu machen; aus Ihrer Tasche kam es doch nicht. Ich weiß, daß Sie sich gefürchtet haben, wiederzukommen, aber nur keine unwahrheit! Geld hatten Sie noch, die Reise zu machen. Mich hätte es sehr gefreut, wenn Sie gekommen wären, dann hätte ich sagen können: es gibt doch noch welche ,, dabei", die Wort halten.
A. Welke. Augsburg , 20. Sept.[ Abfertigung.] Herr Tauscher, Schriftsezer und Präsident der schweizerschen Manufaktur- Gerwerkschaft, der den Delegirten zu Eisenach durch sein fanatisches Gebahren schon bekannt ist, hat seit einiger Zeit in seinen Mitgliederversammlungen über mich geschmäht, sowie in dem zu München erscheinenden ,, Prole= tarier" Schmähartikel über mich geschrieben. Ich fand es nicht der Mühe werth, dieselben zu beantworten, da ich meine Zeit nüzlicher verwerthen kann und muß.
In Nr. 108 des ,, Sozial- Demokrat" nun bringt genannter Tauscher einen Artikel aus Augsburg , in welchem, außer der von ihm veranstalteten und gänzlich verunglückten Arbeitseinstellung, auch meiner Person gedacht ist, weshalb ich mich diesmal meiner Parteigenossen wegen veranlaßt sehe, auf die Sache einzugehen, muß jedoch bemerken, daß ich, was auch weiter noch über mich geschrieben werden sollte, teiner Entgegnung würdigen werde. Um das Treiben Tauscher's aufzudecken, sei zuvörderst bemerkt, daß die Arbeitseinstellung zum guten Theil der persönlichen Eitelkeit Tauscher's zu danken war. Durch das Benehmen bei der letzten Volksversammlung im ,, Mohrenkopf" wegen der Landtagswahlen, ferner durch sein Benehmen bei den Arbeiterversamm lungen vor dem Eisenacher Kongreß, waren viele denkende Mitglieder stuzzig geworden und in letzter Zeit traten viele aus dem Verein aus Deshalb dachte Tauscher wie Dr. Schweizer: ein bequemes Zugmittel ist eine gelungene Arbeitseinstellung. Die Weber in Pfersee sind die am schlechtesten bezahlten aller Webereien Augsburgs . Ihre Forderung war eine gerechte und somit die Theilnahme des Publikums sicher. Alles war somit gut bis auf die Hartnäckigkeit der Fabrikanten über haupt und die Leere der Gewerks: sowie der Verbandskasse insbeson bere. Die Mildthätigkeit und Aufopferungslust der beschäftigten Ar beiter war groß, doch für die Länge nicht ausreichend, weil nur circo 12 Mitglieder in der Gewerkschaft waren, die übrigen 340-50 dagegen von freiwilligen Gaben erhalten werden mußten. Man hätte denter sollen, daß ein solches Unternehmen gehörig überlegt werde, indem eine mißlungene Arbeitseinstellung viele schwache Mitglieder und der Ge werkschaft noch Fern stehende stuzzig und abwendig macht. Es ist auc so gekommen. Viele von den Strikenden sind sehr aufgebracht, das den Versprechungen nicht nachgekommen worden ist. Von Anderen welche noch etwas zum Verseßen hatten, wanderte alles nur irgen Entbehrliche ins Pfandhaus oder zum Trödler, und nun sind Viele au lange Zeit in Elend und Noth versetzt, abgesehen davon, daß nun ein Fabrikantenfoalition entstanden, und von allen Forderungen keine durch gedrungen ist. Mit solchen Klagen famen Manufakturarbeiter zu mir um sich Rath zu erholen. Doch genug hiervon.
Gegen Schluß des Artikels kommt Hr. Tauscher auf die Metall arbeiterschaft zu sprechen und erwähnt, daß viele austreten und zu an dern Gewerkschaften übertreten wollten. Es ist möglich, daß es Solch gibt, aber der größte Theil wartet ab, bis die Sache zwischen Verban und Gewerkschaft entschieden ist. Ich meinestheils muß hier dem Fa natifer Tauscher aber sagen, daß gerade er es zumeist ist, der burd sein intriguantes Benehmen eine Gewerkschaft, welche die beste und so libeste war, so weit veruneinigte; indessen mag kommen, was will, i viel ist sicher, daß ich, sind die Wirren beseitigt, immer wieder ein stattliche Anzahl Mitglieder zusammen bringe, und die Uebrigen wer den schon wieder nachkommen. Dem Hrn. Tauscher möchte ich indesser