Wir haben erfahren, daß Millionen von Männern und Frauen, trotzdem sie unter dem eisernen Stiefel des Henfers standen, gewagt haben, rot zu wählen und in heroischer Treue zur Partei standen. Wir haben erfahren, daß die sozialdemo= trattsche Partei wieder zu sich gefunden hat. Den Beweis dafür brachte die Konferenz vom 26. April in Berlin , wo die Männer ihres Vertrauens einstimmig erklärten, daß gegen den internationalen Kapitalismus nur auf internationaler Basis ein Kampf möglich sei. Wir haben den rührenden Brief von Otto Wels , in dem er erklärte, Mitglied des Büros der fozialdemokratischen Internationale bleiben zu wollen. Wir im Ausland haben dann ebenfalls begriffen, wie sehr Stampfer mit seiner Auffassung recht hatte, daß um gewisse Dinge zu beurteilen, man nicht vergessen darf, daß Deutsch­ land ein Käfig voller entfesselter wilden Tiere ist und daß es in der Tat allzu leicht ist, von draußen her die zu kritisieren und zu beurteilen, die im Käfig drin sizen. Aber es ist zweifellos, daß für den Kampf gegen den Faschismus im Innern Deutschlands und um außerdem den außerhalb Deutschlands lebenden Sozialisten sichere Informationen zu tommen zu lassen, eine Zeitung wie die Deutsche Frei heit" eine unbedingte Notwendigkeit ist.

Die Genossen, die sie leiten werden, sind uns seit langem bekannt. Wir wissen, welche Dienste sie in hartem Kampf für den Sozialismus und die Demokratie geleistet haben. Wir haben volles Vertrauen in sie, daß sie die ihnen gestellten großen Aufgaben restlos erfüllen werden.

Wir wünschen der Deutschen Freiheit" ein langes Leben. Mögen alle, die dazu in der Lage sind, sie unterstützen, sie verbreiten, für sie werben und ihr so helfen den Kampf zu bestehen im Geist jener Worte des sterbenden Faust:

Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie erobern muß."

Die betrogene

A.

Vandervelde.

Der Oberschieber des Dritten Reichs, Bank- und

Der neue Vorwälis"

grüßt die Deutsche Freiheit"

Fast genau an demselben Tag, an dem der Vorwärts" als Wochenblatt im Ausland wiedererstanden ist, erhebt sich auf dem letzten freigebliebenen Stüd reichsdeutscher Erde die Deutsche Freiheit".

Daß heute ein Deutscher, der sagen will was er denkt, sich in den Schutz des Völkerbundes oder einer einzelnen fremden Nation begeben muß, ist eine nationale Schande für Jahrhunderte. Aber die Schuld an dieser Schande tragen nicht wir, sondern diejenigen, die die Wahrheit aus Deutschland vertrieben haben. Nun muß sie eben aus dem Ausland wieder nach Deutsch­ land hinein!

Man wird die Grenzen gegen sie zu sperren versuchen- wen wundert das? Ein Syftem, das auf Volksbetrug und Lüge beruht, muß die Wahrheit als Todfeindin betrachten und bekämpfen. Eine Regierung, die tausend Versprechungen gegeben und keine einzige eingelöst hat, eine Regierung, die auf allen Gebieten so flägliche Mißerfolge zu verzeichnen hat

d 910

wie die Hitler- Regierung, muß alle Kritik zum Schweigen bringen, wenn sie nicht binnen drei Tagen davongejagt sein will.

Der Kampf gegen die Wahrheit ist für diese Regierung und deren System ein Gebot der Selbsterhaltung. Darum hat sie die sozialdemokratische Presse unterdrückt und dieser Verbrecherstreich mit der idiotischen Lüge begründet, Sozialdemokraten und Kommunisten hätten gemeinsam den Reichstag in Brand stecken lassen. Jetzt raft sie vor Wut, weil die sozialdemokratische Presse rund um die Grenzen ihres Machtbereichs wieder aufzuerstehen beginnt. Ihr Toben beweist uns, daß wir auf dem richtigen Wege find, wir werden ihn weitergehen, was auch kommen mag. Denn am Ende steht doch für uns der Sieg. Für unseren Feind aber, das nationalsozialistische Regiment, ein Verrecken in Schmach und Schande!

Prag , 17. Juni 1983.

Friedrich Stampfer .

Deutsche Volksvertreter im Kerker

Börsenfürst Schröder, bettelt um Arbeit für die Unter Bruch der Reichsverfassung eingesperrt armen Teufel der A.

Da haben nun die SA.- Proleten Jahr um Jahr für bas Dritte Reich gearbeitet. Sie sind marschiert und marschiert, sie haben den Herren Führern zugejubelt und haben als Entschädigung aus der Feldküche gelebt. Wenn erst, so glaubten sie, die marxistischen Bonzen verjagt sind, dann fängt das Paradies für die SA. an. Es fing aber ganz anders an und setzt sich auch ganz anders fort. Die " Herren Offiziere" eilen an die reich gedeckten Tische des Staates vom Minister und Reichsstatthalter abwärts bis zu den Kommissaren. Für die SA. bleibt nur die Stempel. stelle und die Massenküche übrig.

Nun sollen die Unternehmer helfen, weil dem großen Adolf keine Hilfe für seine SA. einfällt. Vor uns liegt folgende Karte:

Es ist die Pflicht der deutschen Wirtschaft, bei kom: menden Neneinstellungen zunächst die älteren SA.- Leute au berücksichtigen, die seit Jahren erwerbslos, nur für die nationalsozialistische Bewegung fämpfend, gar nicht die Zeit gehabt haben, sich um eine Stellung zu bemühen. Alle Firmen, welche vor Neneinstellungen stehen, werden daher gebeten, fich an die SA. der Standarte 16, Röln- Riehl, Kaserne Barbarastraße, zu wenden. Von dort werden geeignete SA.- Männer aus allen Berufen mit Lebenslauf, Zeugnissen usw. sofort nachgewiesen.

Röln, den 29. Mai 1938.

Die Industrie und Handelskammer K. Frhr. von Schröder

"

Eggermann" Freiherr von Schröder ist der Kölner Großbankier, burch dessen Hände jahrelang die Vermittlung der schwer­industriellen Summen für die Arbeiterpartei" Hitlers erfolgt ist. Bank- und Börsenfürst Schröder hat zusammen mit dem bös hereingefallenen von Papen die Kanzler schaft Hitlers durch Kulissenschiebung vorbereitet. Die SA. hat allen Grund, diesen Bankmillionär für ihre trostlose Lage verantwortlich zu machen.

Brief vom Rhein !

Biebe Freiheit"!

Glücauf zu deinem Erscheinen in Saarbrücken . Wir wissen alle, daß Du einstweilen im faschistischen Deutschland nicht leben kannst und lassen uns durch das Schlagwort Emi­grantenpolitif" nicht irre machen.

Hier sind wir wieder besetzes Gebiet. Nur mit dem Unter­schied, daß alle Besaßungsmächte zusammengenommen ein­schließlich der Marokkaner und Senegalneger in zehn Jahren nicht soviel verboten, hausgesucht, beschlagnahmt, geprügelt und gemordet haben wie die braune Besatzungsarmee Hitlers an einem Tage. Dabei erfahren wir nur einen kleinen Teil der Vorkommnisse.

In unseren Großstädten gibt es jetzt wieder mancherlei Etappenfiguren. Schmerbäuche, die sich in eine Uniform preffen. Allmählich macht sich auch die Stimmung bemerkbar, die es bei den Frontsoldaten gegen die Etappenschweine" gab. Die Begeisterung bei der SA. und der SS. ist schon lange nicht mehr einheitlich. Größer und größer wird die Zahl der Braunen und Schwarzen, die mit Ingrimm be­obachten, wie die fetten Posten verteilt werden, wie die mit allerlei Gehalt und Spesen Gesegneten sich in den guten Restaurants breit machen und die SA. nach wie vor Hülsen­fruchtsuppe löffelt. Auch fragt man sich, wer das Benzin für die Autos der zahllosen Naziführer bezahlt.

Die Fetteuerung ist das Tagesgespräch überall, wo man mit den Groschen rechnen muß. Auch der Mittelstand bekommt allmählich lange Gesichter. Den Nußen aus dem Juden boykott haben nur einige große christliche Kaufhäuser und Spezialgeschäfte. Der kleine Ladenbesitzer spürt nur die fin­tende Kauftraft der Massen und die wachsende Unsicherheit der Preisbildung und der Währung. Dazu kommt, daß die Steuern rüdsichtsloser eingetrieben werden denn je. Die Erwerbslosigkeit geht ja nun mächtig zurüd. Wenigftens in der papierenen Statistit. In Wahrheit wächst das Elend von Tag zu Tag.

Ter befte Grabmesser ist das Anwachsen der Schlangen für Raritasipenden. Um ein paar Groschen oder den Gegenwert von ein paar Groschen stehen die Leute stundenlang, wie im Ariege um ein paar Gramm Fett.

Die Reichsverfassung sieht vor, daß die Mitglieder der Bolksvertretungen immun sind. Als im Februar 1931 der Reichstag die Immunität derjenigen Naziabgeordneten aufhob, gegen die Dutzende von Strafverfahren eingeleitet waren, da tobten die Nazis und boykottierten den Reichs­tag. Seit dem 5. März 1933 sind ohne Beschluß des Reichstages von der Verfolgung der kommunistischen Abgeordneten ganz zu schweigen Abgeordneten ganz zu schweigen Dutzende sozialdemo kratische Abgeordnete verhaftet. Gegenwärtig find fol­gende sozialdemokratische Abgeordnete inhaftiert:

Eggerstedt, Kiel , verhaftet seit Mitte Mai, angeb: lich wegen seiner Tätigkeit als Polizeipräsident in Altona ; Faust, Bremen , verhaftet seit Anfang Mai, angeb= lich zu seinem eigenen Schuß in Haft genommen;

Finke, Herford , verhaftet seit März, wegen Vers breitung von harmlosen Mitteilungen an Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei;

Fleißner, Dresden , verhaftet seit Anfang März, ledig­lich, weil er sich ein Tag jenseits der deutschen Grenze auf­gehalten hat;

Hartsch, Chemnit, verhaftet Mitte Mai, Ursache unbekannt;

Kuhnt, Chemnty, nach schweren Mißhandlungen durch SA. und SS. verhaftet Anfang März wegen seiner Tätigkeit im November 1918 als Präsident der Republik Oldenburg. Jedoch ist bisher kein Verfahren eingeleitet

worden;

Dr. Leber, Lübed, verhaftet am 23. März, L. ist in zwischen zu anderthalb Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil er sich bei einem Ueberfall von Nazis auf ihn und seinen Begleiter zur Wehr gesezt hat;

Lipinski, Leipzig , verhaftet am 16. Mai, Grund unbekannt;

Dr. Marum, Karlsruhe , verhaftet seit Anfang März, ursprünglich in Schuzhaft, ist Mitte Mai mit anderen politischen Gefangenen unter den schmählichsten Umständen auf einem Karren ins Konzentrationslager geschleppt wors den. M., einer der angesehenften Rechtsanwälte Badens tann

Ganz groß ist unleugbar die Konjunktur in braunen Tuchen aller Art. Da kann die Fabrikation kaum noch mit­kommen. Wer es irgend kann oder nötig hat, schaltet sich durch eine braune Uniform gleich. Das ist die Schutzfarbe im Zuchthaus Deutschland . Man glaubt dann wenigstens vor dem Gröbsten geschützt zu sein. Kinder und Jugendliche stellen einen großen Teil der Uniformierten. Auch in die Schulen ist das Hitlerhemd starf eingedrungen. Hitlerifen sieht man zu Hunderten marschieren und auf militärische Kommandos Uebungen machen. Dann wundert man sich noch, wenn das Ausland von Militarismus in Deutschland spricht. Das Material liefern nicht die Landesverräter" sondern die Nazis.

Die alte Verwaltung hat praktisch abgedankt. Niemand glaubt mehr daran, daß Polizeipräsidenten, Regierungs= präsidenten und sonstige präsidiale Gehaltsempfänger in Freiheit eine Entscheidung treffen fönnen. Junge SA und SS. - Leute haben mehr zu sagen als die hohen Verwaltungsjuristen. Das bedeudet für manchen SA.­Führer eine gute Nebeneinnahme. Im Orient nennt man so etwas Backschisch. Manche SA.- Leute wissen sich auf andere Weise zu helfen. Sie suchen von jüdischen Firmen Waren auf Kredit zu erlangen. Der Jude mag dann sehen, wie er an sein Geld kommt.

Mancher hohe Nazi- Funktionär versteht das Geschäft noch besser, wenn nicht für sich, so für seine Nächsten, und man soll doch seine Nächsten lieben. So ist die Firma Brüggemann in Köln eine Hauptlieferantin für Naziuniformen, ebenso wie sie im Kriege feldgraue Uniformen lieferte, Pifanter­weise ist aber der Schwiegersohn von Brüggemann ein Herr Dr. Riesen Nazi- Oberbürgermeister von Köln . Man nennt deshalb die Lieferungen Brüggemanns Riesengeschäfte". Das ist aber nur fölsche Grielächerei. Die Riesengeschäfte macht gar nicht Riesen, sondern nur sein Schwiegervater, rnd Vetternwirtschaft gibt es bekanntlich im Dritten Reich nicht.

Es gibt auch gehässige Leute bei ben Nazis, die nicht recht begreifen, weshalb gerade der Bruder des Reichsmini fters Dr. Goebbels vom fleinsten Versicherungsange: stellten zum großen mit Miniftereinkommen gefegneten Bersicherungs- Generaldirektor avancieren mußte. Darüber spricht die SA. viel. Sie nimmt sich sogar heraus,

nichts anderes, als seine sachliche politische Tätigkeit zur Last gelegt werden;

Meier, Babe n, seit Anfang März in Schutzhaft, wird ebenfalls nur wegen seiner politischen Gesinnung festgehalten; Pohle, Striegan, verhaftet seit Ende April, Ursache unbekannt;

Puchta, Bayreuth , verhaftet seit Anfang März. Hier liegt ein persönlicher Racheatt des jezigen bayrischen Kultusministers Schemm vor, der bisher Naziführer in Bayreuth war;

Reuter, Magdeburg , verhaftet seit Anfang Juni, angeblicher Grund: seine Tätigkeit als deutscher Kriegs­gefangener in Rußland im Jahre 1918;

Schirmer, resden, verhaftet seit Anfang Mai, Begründung unbekannt;

Seger, Dessau , verhaftet seit Anfang März, nachdem ein Attentat der Nazis auf ihn und seine Frau mißglückt war. S. war bei den Nazis wegen seines Kampfes gegen den Militarismus besonders verhaßt.

Aber auch Dußende von Abgeordneten der Länder­parlamente find ebenso grundlos inhaftiert, wie die vor­ftehend angeführten 16 Reichstagsabgeordneten. Die Jmmunität besteht nicht mehr. Sie ist von den Nazis prak tisch beseitigt worden. Jede Aeußerung selbständiger poli­tischer Auffassung wird mit Schutzhaft, Gefängnis oder Ronzentrationslager beantwortet.

Neuerdings wurden noch verhaftet: Roßmann, M. d. R., Stuttgart ; Mierendorff, M. d. R., Darmstadt und Dahrendorff, M. d. R., Hamburg .

Wie der Mensch in seiner Vollendung das vornehmste Geschöpf ist, so ist er auch, des Gesetzes und Rechtes ledig, das schlechteste von allen. Die bewaffnete Ungerechtigkeit ist am ärgften... Deshalb ist der Mensch ohne Moralität das ruchloseste und rohefte Geschöpf. Die Gerechtigkeit aber, der Inbegriff aller Moralität, ist ein staatliches Ding.

Aristoteles : Politik i. Buch, 2. Kap.

ihren Propagandaminister einen frummen Hund" zu nen nen, der erst durch Heirat Millionär geworden sei und nun seine arm gebliebene Familie durch einen der fettesten Posten für seinen Bruder versorge.

Der Judenboykott geht kräftig weiter. Vor manchen jüdischen Geschäften werden in den Hauptverkaufszeiten Kunden mit sanfter Gewalt am Betreten, der Räume gehindert. Vor andern stehen Hitler - Damen mit breiten Schleifen: Kauft deutsche Waren, fauft nur in deutschen Geschäften!" Wenn Leute mit Nazi- Abzeichen in jüdische Geschäfte gehen, werden die Namen der Käufer festgestellt. Sie fliegen, in­weigerlich aus der Partei hinaus, wenn es dabei bleibt. So mancher erhält auch eine fräftige Abreibung.

Jüdische Vertreten werden, zumal an fleinen Pläßen, von christlichen Raufleuten, mit denen sie jahrzehntelang Ge­schäfte gemacht haben, nicht mehr empfangen. Die Kaufleute haben. Angst, boykottiert zu werden. Beamten ist das Kaufen in jüdischen Geschäften verboten.

Groß ist die Bettelei für SA. und Stahlhelm. Sie wird weithin als Belästigung empfunden.

Wenn irgendwo in den übrigens recht leeren Kaffeehäusern und Gartenwirtschaften einer den Mut hat, nichts in die Sammelbüchse zu geben, darf man darauf gehen, daß auch die Nachbarn die Spende ablehnen. Allgemein ist die Furcht, irgendwie als national unzuverlässig aufzufallen. Daher auch das große Schweigen in den Straßen- und Eisenbahnen. Feiner traut seinem Nachbarn.

Der Sozialismus ist nicht tot. Er und wir leben. Wie, barüber kann jezt öffentlich nicht gesprochen werden. Die Verleumbung unserer Partei und ihrer Führer hat vor­übergehend Schaden angerichtet. Allmählich merken sehr viele, daß es mit dem Korruptionsgeschrei nicht stimmt. Gerade die maßlosen Uebertreibungen haben diese Aktion abgeschwächt. Ja, es gibt schon eine Menge Menschen, die allmählich ahnen, daß wir erst jetzt in einem wirklich forrumpierten Deutsch­ land leben.

Wir geben uns über das Tempo der Entwicklung feinen Träumereien hin. Es wird ein langer und schwerer Rampf, aber Hitler wird ihn nicht gewinnen.

R. Heinisch.

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