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Danfare

Fretheil

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

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Nummer 8-1. Jahrgang

Saarbrücken, Donnerstag, 29. Juni 1933

Chefredakteur: M. Braun

Herr Reichskanzler!

Am 20. Juni erschien die erste Nummer der ,, Deutschen Frei­heit". Schon am 19. Juni haben Sie der Reichspost die Beförde­rung verboten. So fürchten Sie eine einzige unabhängige Zei­tung. Wir pfeifen auf Ihr Verb. Die ,, Deutsche Freiheit" geht ohne Reichspost über alle Gren­zen Deutschlands .

Freiheit!

Leistet Hindenburg Widerstand?

Das R'ngen zwischen den nationalsozialistischen Parteibonzen und dem Reichspräsidenten - Die Weigerung Hindenburgs, einen Nachfolger Hugenbergs zu ernennen- Das hochpolitische Kulissenspiel

Berlin , den 28. Juni 1983.( Eig. Drahtber.) Vor einigen Tagen schon war in der ausländischen Presse gemeldet, daß Reichsminister Hugenberg seinen freis willigen Rücktritt angeboten habe. Diese Meldung war von nationalsozialistischer Seite lanciert. Sie traf damals nicht zu. Herr Hugenberg hat in einem persönlichen Bericht dem Reichspräsidenten lediglich Mitteilung gemacht von den Borstößen der preußischen Regierung und einiger anderer Länderregierungen gegen die Deutschnationale Partei, Ein Rücktrittsgesuch hatte er bis gestern nicht eingereicht. Das gegen hat Reichskanzler Hitler schon am 23. Juni durch ein Schreiben an den Reichspräsidenten die Entlassung Sugen berg gefordert. Dieses Verlangen hat Hindenburg , den man zur Sicherung vor der nationalsozialistischen Kampfzone nach feinem öftlichen Gut Neuded gebracht hat, klar abgelehnt. Er wies darauf hin, daß diese Entlassung den feierlichen Ab­machungen vom 30. Januar widerspreche. Der Reichspräfi: dent erklärte ferner, er weigere sich, einen Nach folger für sugenberg zu ernennen, ganz gleich, wer auch immer dieser Nachfolger sei. Die Nationalsozialisten wollen als Nachfolger den Bauerns führer Darre zum preußischen Landwirtschaftsminister, den

Landbundführer Willikens zum Reichsernährungs: Drittels seiner verfassungsmäßigen Mitglieder noch legitis minister und den Wirtschaftsberater der NSDAP., Kepp: ler, zum Reichswirtschaftsminister machen.

Inzwischen soll Dr. Hugenberg tatsächlich sein Rücktritts= gesuch eingereicht saben. Es ist noch nicht klar, ob dieses Ge: such nun die volle Kapitulation der Schwarzweißroten vor dem Hakenkreuz und die Unterwerfung des Reichspräsidenten unter die Diktatur der nationalsozialistischen Parteibonzen bedeutet oder ob der Reichspräsident seine Weigerung, einen Nachfolger zu ernennen, aufrecht erhält. Bis vor weni: gen Stunden hat der Reichspräsident den Standpunkt eingenommen, daß das Ausscheiden auch nur eines einzigen Ministers aus dem derzeitigen Reichskabinett das Ermächti gungsgesetz für den jezigen Reichskanzler Hitler automatisch außer Kraft segen würde. Diese Erklärung ftützt der Reichs: präsident, wie er durch den Staatssekretär Meißner dem Reichskanzler mitteilen ließ, ausdrücklich auf die ihm vor­gelegten Protokolle der Sigungen des Reichskabinetts. Staatssekretär Meißner fügte hinzu, daß der Reichspräsident ernste Zweifel hege, ob der Reichstag in seiner jetzigen zu sammensetzung und nach zwangsweiser Ausschaltung eines sammensehung und nach zwangsweiser Ausschaltung eines

miert sei, ein neues Ermächtigungsgesetz zu beschließen. Der Reichskanzler Hitler war zum Nachgeben bereit. Er steht aber unter dem Druck seiner radikalen Freunde Göring und Göbbels , auf die ihrerseits wieder die radi­tale Massenstimmung wirft. Der Reichskanzler selbst be= fürchtet, daß ihn der Konflikt mit Hugenberg und die Spannung zwischen Hindenburg und den Nationalsozialisten zum Konflikt mit dem Großgrundbesig treibt. Auch wenn der Reichspräsident sich entschließt, den Rücktritt Hugenbergs zu genehmigen, ja selbst wenn er fich zwingen läßt, einen oder mehrere nationalsozialistische Nachfolger zu ernennen, bleibt der große Konflikt bestehen.

Inzwischen ist durch die Selbstauflösung der deutschnatio­nalen Front nach außen hin die Kapitulation der Schwarzs weißroten vollzogen. Die deutschnationalen Abgeordneten wollen als Hospitanten in die nationalsozialistische Fraktion eintreten. Das würde bedeuten, daß der Großgrundbesitz und die Schwerindustrie hoffen, innerhalb der Nationalsozialistis schen Partei besser ihre Interessen vertreten zu können, als von außen her durch Hugenberg und die Deutschnationalen.

,, Triumphzüge" mit Gefangenen

Wehrlose werden dem nationalsozialistischen Mob ausgeliefert

Vor einigen Tagen wurde die Verhaftung des hessischen fozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Dr. Mieren­dorff gemeldet. Nicht mitgeteilt wurde, wie die Verhaftung erfolgte. Mierendorff, der sich verborgen hielt, hat einen Brief an einen Freund geschrieben, um diesen in einem Kaffeehaus in Frankfurt zu treffen. Der Brief war unter­seichnet Carlo". Die Polizei öffnete den Brief wie so viele andere und ließ das Kaffeehaus überwachen. Mierendorff wurde verhaftet. Da sich herausstellte, daß nichts gegen ihn vorlag, sollte er auf ausdrückliche Anordnung des national sozialistischen Polizeipräsidenten enthaftet werden. Die SS., die das erfuhr, drang mit einem Rollkommando in das Polizeipräsidium ein, entriß Mierendorff den Polizei­beamten, die ihn schüßen wollten, und entführten ihn nach Darmstadt . Schon auf dem Wege wurde er schwer mißhandelt. In Darmstadt schleppten ihn die SS. - Leute durch die Straßen, wobei sie die Menge auf­heßten, mit Mierendorff abzurechnen". Die Folge war, daß der kriegsbeschädigte Mann durch einige Straßenzüge Spießruten laufen mußte. Er wurde geschlagen, mit Steinen beworfen und bespuckt.

Sowohl der hessische Ministerpräsident als auch der Polizeipräsident von Darmstadt wurden von diesen Vor­fällen sofort verständigt. Sie weigerten sich aber, gegen die unmenschlichen Vorfälle einzuschreiten. Arbeiter, die Mieren­dorff zu Hilfe eilen wollten, wurden von der SS. miß­handelt und mit dem Konzentrationslager bedroht.

Mierendorff hat übrigens als junger Kriegsfrei­williger im Felde von Wilhelm II. Allerhöchst selbst für hervorragende Tapferkeit das E. R. I, erhalten.

Der frühere Oberpräsident Schlesiens, Lüdemann, wurde verhaftet und in Breslau öffentlich zur Schau gestellt. Er kam in die Behandlung" des berüchtigten Fememörders Heines, der jetzt Polizeipräsident von Breslau ist. Damit uns niemand der Uebertreibung beschuldigen kann, drucken wir einen Bericht aus dem rechtsnationalen Berliner Tag" ab. Diese wohl nicht anzuzweifelnde Darstellung zeigt, wie in Deutschland politische Gefangene behandelt werden. Der Tag" also schildert diese widerlichen Auftritte so:

Herr Lüdemann marschiert

Drahtbericht unseres Korrespondenten

Breslau , 28. Juni.

Die Einlieferung des in Berlin verhafteten früheren Oberpräsidenten der Provinz Niederschlesien , des Sozial: demokraten Lüdemann, in das Breslauer Konzentra: tionslager gestaltete sich zu einem ungewöhnlichen Schau­spiel. Viele Taufende Breslauer bildeten Spalier und brachen in Berwünschungen aus, als Lüdemann vorbeis

marschierte. Er mußte, seinen kleinen Koffer in der Hand, den Weg vom Polizeipräsidium zum Konzentrationslager in Begleitung von 10 SA.- Männern zu Fuß zurücklegen. Polizeipräsident, Obergauführer Heines, hielt bei Lüde manns Ankunft im Konzentrationslager vor den Insassen eine Ansprache, in der er das verbrecherische Treiben dieses fozialdemokratischen Bonzen schilderte und dann erklärte, Lüdemann werde demnächst in Begleitung von fünf SA­Lenten nochmals durch das Oberpräsidium, seine frühere Wirkungsstätte, geführt werden. 10 Lagerinsassen, fleine von den Bonzen verführte Arbeiter, würden aus Anlaß der Einlieferung Lüdemanns sofort entlassen. Polizeipräsident Heines wies weiter darauf hin, daß Lüdemann, wie man genau wisse, noch vor kurzem in Berlin von seiner großen Pension, die er leider noch immer erhalte, geschlemmt hätte. Jetzt werde er wohl von seiner Pension für eine bessere Verpflegung der übrigen Lagerinsassen sorgen. Lüdemann antwortete darauf schnell: Ich kann nicht zuungunsten meiner Angehörigen über das Geld verfügen." Anschließend mußte Lüdemann sofort mit Erdarbeiten beginnen.

sein ständiges Eintreten für die Arbeiter zum besonderen Vorwurf machten.

Dem Maurer Steenberg wurde als Grund für seine Vers prügelung, als er seine dänische Staatsbürgerschaft hervors hob, eben sein Dänentum angegeben.

Darüber erzählt Steenberg noch weiter: Am 16. April morgens 7 Uhr meldete ich mich bei dem Wachthabenden und bat, mit dem Kommandanten sprechen zu dürfen. Auf " Bist Du Däne" sagte der Wachtposten und schlug mich die Frage, was ich wollte, erklärte ich, daß ich Däne bin. mit aller Kraft mit einem Knüppel ins Gesicht. wobei er mich einen Schwindler nannte. Damit war das Gespräch" beendet. Aber nachmittags kam ein Inspizieren­der auf mich zu und fragte, ob ich es wäre, der behaupte, Däne zu sein. Als ich das bejahte, erklärte er, daß wollen wir untersuchen, Du Schwindler, das sage ich Dir!" Es folgten weitere Prügel, schließlich aber ge= lang es dem Maurer Steenberg doch, das zuständige dänische Konsulat zu verständigen und durch dessen Bemühungen wurde er befreit.

Wenn so schon die nationale" Preffe über die Behandlung 1300 rebellierende SA.- Männer eines in den 50er Jahren stehenden Mannes durch junge Burschen berichtet, mag man sich erst die Wirklichkeit vor­stellen.

Däne im Konzentrationslager Geprügelt wurde täglich"

Der Kopenhagener Social- Demokraten" vom 16. d. M. veröffentlicht den Bericht des 37jährigen Maurers Johan Steenberg über seine Erlebnisse in den Gefängnissen und Konzentrationslagern Hitler- Deutschlands. Steenberg ist im deutsch - dänischen Grenzgebiet zu Hause, er hat 7 Jahre

in der deutschen Armee gedient, davon 4 Kriegsjahre und er ist dreimal erheblich verwundet worden. Er ist jedoch dänis scher Staatsbürger.

Die Zahl der Lagerinsassen gibt Steenberg auf zirka 900 an, davon 30 Frauen. Unter den Gefangenen waren 180 Sozialdemokraten, die übrigen Juden oder Kommunisten, auch Mitglieder anderer Parteien, darunter Zentrumslente. Geprügelt wurden Gefangene täglich, das war geradezu schon eine offizielle Einrichtung. Die Lagerwachen unterzogen sich mit wahrer Leidenschaft dem schändlichen Wert, die wehrlosen Gefangenen beftialisch zu mißhandeln. Jeder kam schließlich einmal dran. Zu den Opfern gehörte auch der bekannte sozialdemokratische Rechts­anwalt Frant aus Dortmund , dem diese Sozialisten"

Hannover , 27. Juni. ( Eig. Ber.) Ende der vergangenen Woche ist das Konzentrationslager bei Wilsede in der Lüne­ burger Heide , das mit rund zweitausend Kommunisten und Sozialdemokraten belegt war, plößlich geräumt worden. Die Insassen wurden zum geringen Teil entlassen, zum größeren Teil auf andere Konzentrationslager verteilt. Das Lager in Wilsede , dessen Bewachung einem starken Kommando der SS. unterstellt worden ist, wurde gestern neu belegt und awar bezeichnenderweise mit dreizehnhundert SA - Leuten, die wegen Rebellion ausgeschlossen worden sind und von denen einige noch immer die Parteikleidung der Hitlerpartei tra­gen. Der Zutritt zum Lager ist im weiten Umkreise abge sperrt.

Und wann wird Hugenberg eingeliefert?

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Am Donnerstag, dem 15. Juni, kam es in Dresden zu einer schweren SA. Revolte. In einer Versammlung der SA : kam es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen der SA. und ihren Führern. Als es den Führern der SA. nicht gelang, die Ruhe herzustellen, griff die SS. ein und setzte die rebellierenden SA. - Leute feft. 100-150 SA.- Leuten wurde die Uniform abgenommen und die Meuterer" wurden ins Konzentrationslager Hohenstein gebrachy

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