Reichswehr lehnt ab

Die geheimnisvollen Flugzeuge

Berlin , 27. Juni. ( Eig. Ber .) In seiner Eigenschaft als Luftfahrtminister des Reiches hat Herr Göring an alle Be

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Die Geisterflugzeuge

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hörden des Reiches und der Länder die Aufforderung ge- Man weiß noch immer nicht.. Aber zur Stimmungsmache langt es

richtet, sofortige Untersuchungen wegen der beiden Flug­zenge, die am 28. Juni Berlin überflogen haben sollen, an= zustellen und die Ergebnisse dieser Untersuchungen laufend ihm vorzulegen. Auf dieses Schreiben hat der Reichswehr­minister, General von Blomberg, geantwortet, daß sich die ienststellen der Reichswehr und der Reichsmarine an dieser Untersuchung nicht beteiligen werden.

Steuerkorruption straffrei! Korruptionsdezernent Freißler verordnet...

Der Leiter des Korruptionsdezernats, Dr. Freißler, erläßt eine Bekanntmachung folgenden Inhaltes:

An sich obliege selbstverständlich dem Korrup tionsdezernat das Aufspüren jeder Art der Steuerhinter: ziehung. Es sei aber streng zu beachten, daß nicht jede Art von Steuerhinterziehung strafrechtlich und steuerrechtlich zu verfolgen sei. Denn es sei oft vorgekommen, daß natio= nale Persönlichkeiten nur deswegen sich eines Vergehens gegen die Steuergeseßgebung schuldig gemacht hätten, um auf diese Weise den Kampf gegen das System der Weimarer Republik besonders erfolgreich zu führen. In solchen Fällen sei es natürlich nicht die Aufgabe des Korruptionsdezernats, einzuschreiten.

Der Landgerichtspräsident Dr. Dietrich Hechingen hat bekanntlich bereits eine Liste der Handlungen auf­gestellt, die straffrei bleiben, wenn sie im Interesse der NSDAP . begangen wurden.( Mord, Totschlag, Spreng stoffattentate, Brandstiftungen, Körperverlegungen usw.). Dieser Reihe ist nun noch die Steuerdefraudation hinzuzufügen.

Der Elserne Vorhang

Das Geheimnis um den Bankrotthaushalt

Aus Berlin wird gemeldet:

Wilhelm Goering hat Wilhelm II. über. troffen. Dieser ließ zu Anfang des Krieges die Kriegs­erklärung an Frankreich u. a. mit dem französischen Bombenabwurf über Nürnberg begründen. Aber er war damit nur ein Stümper gegenüber dem augenblick­lichen Nazi- Reichsluftfahrtminister: Der läßt nur ein paar Flugblätter über Berlin und einige andere Städte ab­werfen, und trifft damit, vorläufig noch ohne Bomben, sowohl den inneren wie den äußeren Feind"! Ein fixer Junge- allerdings nicht schlau genug, um die teuflisch- klug ausgeheckten Pläne ebenso skrupellos zu tarnen, wie sie entworfen und durchgeführt werden.

Das war schon so beim Reichstagsbrand. Der neue Nero Deutschlands brauchte diesen Brand des Parlaments nicht um der lyrischen" oder perver­sen Inpressionen willen, sondern zur sofortigen Lahm­legung des Marxismus und zur hemmungslosen Ent­fachung eines Wahlterrors mit dem Ziel der Wahl­fälschung. Das war damals verbrecherisch raffiniert ausge­dacht, mit minutiösester Organisationstechnik vorbereitet und mit einfach verblüffender und gehäufter Ueberrum­pelung des deutschen Volkes durchgeführt worden. Und als es dann soweit war, ging die mephistophelische Rech­nung dennoch nicht restlos auf und aus gravierenden Fehlerquellen dieses großen Verbrecherplanes ergab sich ein Lapsus nach dem anderen. Der blutige Wiz der Zeitgeschichte hat sie sämtlich in folgender Anekdote zusammengefaßt: Dem preußischen Polizei- und Reichs­luftfahrtminister und gleichzeitigem Ministerpräsidenten und Statthalter von Preußen Goering wird gemeldet: ,, Der Reichstag brennt!" Er zieht die Uhr heraus und stellt fluchend fest: 3ehn Minuten zu früh!" Auch die merkwürdigen Propellergeräusche der deren deutschen Städten sind etwas allzu pünktlich und zu früh in ein und derselben Melodie von der gesamten gleichgeschalteten deutschen Presse vernom­men und kommentiert worden:

Zeitungen, die die Einzelheiten des Reichsetats veröffent: angeblich unbekannten Flugzeuge über Berlin und an­lichen, haben mit Verbot zu rechnen.

Was soll das Geheimnis? Ist es die Angst vor den Bankrottzahlen? Oder soll insbesondere der Reichswehr = Haushalt so geheimnisvoll behandelt werden?

Funktionärverhaftungen In der oberrheinischen Sozialdemokratie

Köln , den 28. Juni. ( Eig. Ber.) Sämtliche Landtagsabgeordneten der Sozialdemokratischen Partei im Bezirk Oberrhein sowie die noch auf freiem Fuß befindlichen Mitglieder der Bezirksleitung, der Bes zirkssekretär und sämtliche Parteisekretäre nebst einer An: zahl nichtbeamteter Funktionäre find verhaftet und in Kons zentrationslager gebracht worden.

Einen der Funktionäre der Kölner Sozialdemokratie hat man aus einer Schwurgerichtssitzung, bei der er als Ge= schworener fungierte, herausgeholt und abgeführt. Die Fahn­dung der SA.- Banditen nach sozialdemokratischen und freis gewerkschaftlichen Funktionären dauert an.

Frankfurter Brief

,, Einstimmige" Wahl

Im Juni.

Jüngst wurde berichtet, daß in Fanffurt a. M. der bis­herige fommissare Bürgermeister einstimmig zum Ober­bürgermeister gewählt worden sei. Der Tatbestand sieht so aus: Die Einladungen zu der Stadtverordnetensizung, in der die Oberbürgermeisterwahl vorgenommen wurde, gingen eine Stunde vor Beginn heraus. Ein Teil unserer sozial­demokratischen Stadtverordneten konnte dieser Sizung über­haupt nicht beiwohnen. Sieben Genossen waren anwesend und stimmten gegen die Wahl des Herrn Pg. Krebs zum Oberbürgermeister. Von diesem Votum unserer Genossen wurde feine Notiz genommen. Bemerkenswert ist noch, daß Minister Göring bei seinem letzten Besuch in Frankfurt a. M. Herrn Krebs bereits als Oberbürgermeister bestätigte. Die durch das Gesez vorgeschriebene Wahl durch die Stadt­verordneten wurde nachträglich vorgenommen.

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In der vorletzten Frankfurter Stadtverordnetenversamm lung wurden unsere Genossen von den Nazis mit Koppel­

Der Naz'spleẞbürger

Das deutsche Spießbürgertum mit seinem Haß gegen die Sozialdemokratie, mit seinem geringen politischen Instinkt trägt die eigentliche Schuld, an der politischen Entwicklung der letzten Jahre in Deutschland . Dieses Spießertum ist es auch, das den Hauptteil der nationalsozialistischen Gefolg schaft stellt. Das muß ein merkwürdiger Sozialismus" sein, der mit diesen hin und wieder allerdings wild werdenden Spießern gemacht werden soll.

Wie es mit der Dentweise diefer Leute wirklich steht, das soll ein kleiner, absolut wahrer und nach vielen Seiten hin symtomatischer Vorgang zeigen, der sich vor einigen Tagen an einem sogenannten Weiher im Grüngürtel der Stadt Köln abspielte. Der Bericht stammt von einem als Zuhörer Beteiligten.

Ein dicker Spießer steht seit Stunden und angelt. Er hat bereits drei fette Sarpfen in seinem Nez. Da kommen einige Arbeiter hinzu und bald ist ein Gespräch im Gange.

Ein Arbeiter: Ja, ich z. B. schon seit zweieinhalb Jahren." Der Spießer:" Das ist sehr schlimm, aber glauben Sie mir, auch ich und viele Mittelständler können ein Liedchen von der Not des deutschen Menschen in den letzten dreizehn Jahren singen."

Ein zweiter Arbeiter: Sie sehen allerdings nicht so aus, als ob ihre Not sehr groß ist."

Der Spießer( wütend): Was verstehen Sie davon. Ich muß z. B. jede Woche 150 Mark Steuern zahlen."

" Der erste Arbeiter:" Donnerwetter, das sind ja im Jahre 7800 Mart. Da müssen Sie aber ein Einkommen haben."

Das beweist eine Meldung der Agence Havas ", die in der Nacht von Freitag auf Samstag aus Berlin folgende Nachricht verbreitete:

" Die durch die Conti- Agentur verbreitete Nachricht ist ein Communique. Dieses Communique wurde an alle Zeitungen versandt mit folgender Instruktion: Die Information soll nicht im Text veröffentlicht wer­den, aber mit Komentar verschiedener Art versehen, in allen Zeitungen unverzüglich auf der ersten Seite erscheinen."

Außerdem fügte die Havas - Agentur hinzu, daß um 28.20 Uhr auf Telefonanruf das Tempelhofer Flugfeld antwortete, von der Information der Conti- Agentur nichts zu wiffen. Um 23.25 Uhr habe die Luftpolizei, die in derselben Angelegenheit angerufen worden sei, eben­fals erklärt, von der Sache nichts zu wissen, obwohl die Conti- Agentur in ihrem Tert angegeben hat, die Luft polizei sei in Kenntnis gesetzt worden.

Aber man könnte obendrein einige peinliche Fragen an Herrn Goering richten, so zum Beispiel die folgenden: 1. Wie kommt es, daß das Flugzeug, das über Linz in Desterreich nationalsozialistische Flugblätter ab warf, nach den inzwischen erfolgten Beschreibungen genau mit denen übereinstimmt, die Berlin über­flogen haben?

riemen aus der Sizung geprügelt, weil sie gegen einen notionalsozialistischen Antrag stimmten. Diese Heldentat" meldete feine Zeitung.

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Der langjährige Gewerkschaftsfunktionär Hermann Hempel in Frankfurt a. M. hat sich vergiftet, nachdem er von den brutalen Machthabern fristlos entlassen worden war.

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Am Freitag und Samstag fanden große Aktionen gegen den Stahlhelm und seine Nebenorganisationen statt. Die Stadt bot das Bild eines Heerlagers. Die gesamte SS. und SA. leistete der Polizei Helfersdienste, oder besser gesagt, leiteten die Aktionen der Polizei. Namhafte Führer der Deutschnationalen wurden bei diesen Aktionen verhaftet. Unter der Bevölkerung herrscht große Aufregung.

Der Spießer: Einkommen? Ich habe nur drei Häuser und ein ganz fleines Geschäft. Die Häuser werfen nicht den geringsten Gewinn ab. Aber Steuern, besonders Hauszins steuern, muß ich in unheimlicher Höhe entrichten."

Der zweite Arbeiter: Ich habe nicht einmal eine eigene Wohnung, bin auch bereits fast drei Jahre erwerbslos, habe Frau und Kind. Ich habe seit Ende des Krieges, nachdem ich fast zwei Jahre vor dem Kriege attiv gedient hatte und nach vierjähriger Teilnahme am Weltkriege, bis vor drei Jahren regelmäßig verdient. Ich hatte mir eine Wohnungseinrich tung nach und nach zugelegt Heute stehen meine Möbel auf dem Boden und ich befiße, wie gesagt, eine eigene Wohnung nicht mehr. Dafür aber bin ich von den SA.- Leuten vor etwa drei Wochen nachts beschimpft als Landesverräter", mit der Pistole bedroht und geschlagen worden. Sehen Sie, lieber Herr, das ist mein Schicksal. Was sagen Sie nun?"

Der Spießer( wütend werdend): Dann sind Sie wohl Sozialdemokrat? Ich war es auch dreißig Jahre. Jetzt bin ich überzeugter Nationalsozialist. Die SPD. hat uns belogen und betrogen, dem Mittelstand Steuern aufgehalst, besonders die Hauszinssteuer, die Moral im Lande untergraben, indem sich die Bonzen bereicherten. Auch ich bin belogen worden." Der erste Arbeiter: Nun hören Sie aber auf. Sie haben fich fa recht lange belügen lassen. Sehen Sie sich blok vor, daß Sie jest nicht wieder von ihrer neuen Partei be­logen werden wir wissen schon lange, daß die National­sozialisten aus Lug und Trug beftchen. Sie werden es ja auch wissen. Nur ihr Haß gegen uns läßt Sie auf die Nazis schwören. Uebrigens, Sie haben uns soeben offenbar selber

2. Warum hat eigentlich nicht ein einziger deutscher Grenzposten gemeldet, daß an dieser oder jener Grenze fremde Flugzeuge die Grenze überquert hätten und angegeben, aus welchem Lande diesel­ben kamen? Hatte man vielleicht ein Dementi aus diesen Ländern zu erwarten? Sind also die Flug­zeuge in Deutschland selbst gestartet?

3. Welcher Befehl lag eigentlich den Protestkund­gebungen aus ,, allen Teilen des Reiches" gegen die Fliegeraktion zugrunde, die mit solcher Promptheit und Uebereinstimmung eintrafen, daß sie die vor= bereitete Absichtlichkeit gar nicht zu ver bergen vermochten?

4. Welche Vorbereitungen vor Abwurf der Flugzettel sind den Telegrammen an Völkerbund , Abrüstungs­konferenz und sonstigen Stellen in und außerhalb Europas , die mit allzu offensicht licher Stimmungsmache zugunsten der deutschen Luftausrüstung versandt wur­den, voraufgegangen?

5. Welcher mangelhafte Antimargist hat den konfusen Inhalt des angeblich margistischen Manifestes eigentlich verfaßt? Da es sich nur um einen Pseu. dosozialisten handeln kann, muß man wohl auf einen Nationalsozialisten tippen?

6. Warum fehlt es eigentlich bis heute noch an jeder Präzision in der Angabe der Zeit, der 3 eug nisse und sonstigen Belege für diesen mysteri­ösen Vorgang? Warum wußte weder das Flugfeld Tempelhof , noch die Luftpolizei Bescheid, und warum waren diese Stellen und Behörden nicht alarmiert worden?

Man könnte noch einige solcher indiskreten Fragen an Herrn Wilhelm Goering richten aber sie würden ebensowenig beantwortet werden, wie die voraufgegan­genen. Warum auch?: Der 3 weck ist so klar und die Absicht ist so durchsichtig, daß sich daraus die Fragen von selbst beantworten! Das außen und mehrpolitische Ziel der Luftaufrüstung Hitler­Deutschlands und das innen politische Ziel einer neuen, insbesondere antimargistischen Terrorwelle be­sagen alles!

Daß aber die merkwürdigen Goeringschen Propeller­geräusche dann allerdings den Effekt hatten, daß die ganze übrige Welt und auch Innerdeutschland sie viel hellhöriger und deutlicher vernahmen, als es sonst selbst bei den allerschwersten Maschinen möglich ist das lag wieder nicht in der Absicht ihrer An- ie kurbler! M. B.

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Einerseits und außerdem

Ein merkwürdiger Aufklärungsversuch

Zu dem Abwurf von Flugblättern über der Reichshaupt stadt läßt die Naziregierung amtlich" erklären, daß diese Flugblätter nicht von denten Flugzeugen abgeworfen fein tönnten. Denn erstens set dieser Typ in Deutschland unbekannt, außerdem aber habe die Luftpolizei ge= meldet, daß an feinem Ort in Deutschland weder ein Start noch eine Landung derartiger Maschinen erfolgt sei. Dieselbe scharffichtige" Luftpolizei hat leider nicht bemerkt, ob die Flugzeuge die Grenze überflogen haben. Sie bemerkte die Flieger merkwürdigerweise nur über einigen Großstädten...

Bei Beginn der letzten Sigung des Provinziallandtages für Hessen- Nassau wurden unsere Abgeordneten von der SS. verhaftet und in das Kasseler Braune Haus überführt.

Die Verhaftung unserer Abgeordneten war ein Rechen­exempel der Nazis, denn durch das Fehlen unserer Stimmen bekamen wir keinen Vertreter im Staatsrat; die Nazis da­gegen einen Siß mehr.

Die Begeisterung für die nationale Erhebung und ihre Führer flaut ab. Es ist festzustellen, daß bei dem andauernd befohlenen Hissen der Fahnen weniger diesem Befehl Folge leisten. Bei dem Besuch des Herrn Propagandaministers Göbbels in Frankfurt a. M. war diese Tatsache besonders bemerkenswert. Die Frankfurter besinnen sich nach und nach auf ihre gute Vergangenheit als freie und demokratische Staatsbürger.

angelogen; denn Sie sind niemals Sozialdemokrat gewefen. Wer nimlich bei uns einige Jahre in der Sozialdemokratie war, bleibt es. Das werden Sie vielleicht früher erleben, wie Sie glauben. Wer aber dreißig Jahre in der Partei mar, der muß ein selten großes Rindvieh sein, wenn er nicht wenigstens etwas gelernt hat. Von Ihnen habe ich die Ueberzeugung, daß Sie uns dumm angelogen, auch in der Steuersache, haben. Aber Sozialdemokrat waren Sie nie. Auf Wiedersehen im vierten Reich."

Der Spießer( hinter den abziehenden Arbeitern her schimpfend): Ihr seid ja wie die Kommunisten, so fanatisch. Ihr wollt auch teilen. Aber Kommunismus darf es in Deutschland nicht geben. Deshalb bin ich Nationalsozialist. Bei aller Komik im Aeußern der Szene ist doch aber der Schluß besonders beachtenswert. Ang it vor dem Kommu­nismus ist in erster Linie die Ursache für die politische Hal­tung nicht nur dieses Einzelnen, sondern weiter Schichten des deutschen Bürgertums. Eigene Ueberzeugung haben diese Leute nie gehabt. Interessen, bis auf eines, auch nicht. Dieses eine Interesse aber war und bleibt Besiz. Angst vor dessen Verlust leitet sie bei ihrer sogenannten poli­tischen Haltung. Das dürfen wir bei der Beurteilung der weiteren politischen Entwicklungsmöglichkeit im Reiche nicht unbeachtet lassen.

Und noch etwas anderes: Die Kommunisten waren und bleiben der Bürgerschreck. Deshalb mußte der Reichstag an­gesteckt werden. Damit wurden die guten Bürger am 5. März für die Nazis geworben. Wehe aber den Nazis, wenn ein mal dokumentarisch nachgewiesen werden kann, wer den Reichstag angesteckt hat. Dann wird sich manches ereignen,