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Ereignisse und Geschichten
„ Judenhap- pathologisch wie Wasserscheu" Damals wie heute
Ich fragte Shaw, was die Journalisten der vielen Länder, die er besuchte, ihn zuerst gefragt hätten. Er antwortete mit einem einzigen Wort: Hitler . Ich hatte später Gelegenheit, das Problem des deutschen Diktators mit ihm durchzugehen. Ich weiß, wie schwie rig er in trivialen Dingen ist, aber wie zugänglich, wenn ihn etwas interessiert und er etwas zu sagen hat. Ich wurde nicht enttäuscht.
" Nun, Mr. Shaw, sind Sie als Nationalsozialist zurückgefehrt? Sie tamen aus Italien und traten für Mussolint ein, Sie famen aus Rußland und traten für Stalin ein. Werden Sie nun auch für Hitler eintreten?" Shaw : Die nationalsozialistische Bewegung hat in vieler Beziehung meine warme Sympathie. Ich könnte gut behaupten, daß Hitler Karl Marg verworfen hat, um sich unter das Banner von Bernard Shaw zu stellen. Sie können sich daher meinen Schrecken vorstellen, als im kritischen Moment Hitler und die Nazis in der Judenfrage verrückt geworden sind. Hitler hat eine Macht in Händen, wie sie nur den gesündesten Staatsmännern anvertraut werden sollte. Und der erste Gebrauch, den er von ihr machte, war, daß er Torquemada wieder aufleben ließ, der glaubte, daß er die Welt rette, wenn er nicht nur die lebenden Juden verbrannte, sondern auch die Toten ausgraben und verbrennen ließ.
,, Wollen Sie. sich nicht mit Hitler schriftlich auseinandersetzen? Wir stellen Ihnen unser Organ zur Verfügung." Shaw:„ Es ist unnüß, gegen eine solche Krankheit zu argumentieren. Judenhaß ist so pathologisch wie Wasserscheu. Ein Staatsmann, der damit infiziert ist, fann ebensogut dazu übergehen, die Jesuiten . die Freimaurer , die Heren, die Lappländer und schließlich vielleicht auch die Preußen zu verfolgen. Die Ku- Klux- Klan- Ausschreitungen in Amerika sind bekannt als eine Abart des delirium termens.
Aber keiner der Ku- Klux- Klan- Anhänger ist bis jetzt Präsi
dent der Vereinigten Staaten geworden. Die National fozialisten leiden an einer sehr bösartigen, epidemischen Krankheit, und das Resultat ist, daß die britische Polizei Doktor Rosenberg zu beschüßen hatte, als er nach London kam, offenbar in der Erwartung, mit offenen Armen aufgenommen zu werden. Statt dessen wurde er behandelt wie ein tollwütiger Hund."
„ Es sieht so aus, als ob Hitler eine Verfolgung- Wahnsinn
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Art hätte."
Shaw: Nein, seine anderen Angriffe sind verständlich genug. Der Faschismus steht notwendig im Konflikt mit dem liberalen Parlamentarismus; die beiden sind wie Ghibellinen und Guelfen. Er ist auch im Konflikt mit dem Kommunismus, weil die beiden Rivalen auf dem Feld der Revolution sind. Die Verfolgung des Liberalismus und Kommunismus ist daher ganz natürlich."
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,, Also woher kommt die Verfolgung der Juden?"
Shaw:„ Dr. Rosenberg erklärt, daß der Jude ein Profit macher ist."
„ Natürlich ist er das. Aber das sind wir alle. Darin haben die Juden nichts besonderes voraus."
Und halte, was Du uns versprochen hast....
Die bayrische Geistlichkeit steht zum großen Teil in offener Opposition gegen das Regiment der Nationalsozialisten, das übrigens keineswegs in den Händen des Reichsstatthalters Epp, sondern vor allem in denen des Stabsführers Röhm ruht, gegen dessen Aktionen Herr von Epp vollkommen machtlos ist. Besonders empört ist, so teilt die deutschsprachige Prager Montagszeitung" mit, die bayrische Geistlichkeit über das amtlich eingeführte Schulgebet, das an jedem Unterrichtstag in den bayerischen Schulen gebetet werden muß und folgenden, von den Geistlichen, als Blasphemie empfundenen Wortlaut hat:
" Du lieber Gott, ich bitte Dich, ein frommes Kind laß werden mich. Schütz Adolf Hitler jeden Tag, daß ihn kein Unfall treffen mag. Du sandtest ihn in unsrer Not, bewahr ihn uns, o Gott ."
Daß sich der bayrische Volkswih bereits an das national sozialistische Regime heranwagt, beweist nicht nur das dieser Tage für Bayern erlassene Berbot, das Horst- Weffel- Lied mit unterlegten, die nationale Erhebung lächerlich machenden Tegten au fingen, sondern auch die nachfolgenden in Bayern verbreiteten Gebete:
„ Komm, Herr Sitler, fei unser Gaft Und halte, was Du und versprochen ha ft.* Und:
„ Lieber Gott, oh mach mich ftum in, Daß ich nicht nach Dachau tumm." In Dachau befindet sich bekanntlich das bayrische Konsentrationslager, das wegen der zahlreichen Morde, die dort an Schußhäftlingen verübt wurden, besonders gefürchtet ist. In zivilisierten Ländern
Das holländische, weit verbreitete und sehr angesehene Wochenblatt Haagsche Post" teilt in seiner Nummer vom 10. Juni wörtlich und fommentarlos folgendes mit:
Die Haagsche Post" in Deutschland . Die Haagsche Post" fann fünftig nicht mehr nach Deutschland geliefert werden, da sie dort tis auf weitern Befehl von der Naziregierung verboten worden ist. In sivilisierten Ländern bleibt sie wie seit je erhältlich
Direktion Haagsche Post".
Shaw:„ Gar nichts, außer daß der Jude oft das Spiel besser versteht, als diese flachshaarigen Holzklöße, die sich geschmeichelt fühlen, wenn mansie als nordisch bezeichnet. Dottor Rosenbergs Entschuldigung besagt nichts. Es ist richtig, daß die Nazis als erklärte Sozialisten verpflichtet sind, der Profitmacherei ein Ende zu bereiten. Aber wenn es für die Sozialisten etwas zu lernen gibt, sowohl aus meiner dringenden Unterweisung wie aus den bitteren Erfahrungen der Sowjets mit den Kulis, so ist es das, daß die sozialistische Regierung den Privatunternehmer nicht enteignen darf, bis sie soweit ist, um seinen Platz einzunehmen und seine Arbeit zu tun. Eine alberne Sache wie die Vertreibung Einsteins , die die Erinnerung an die französische Revolution zurückruft:„ Die Republik braucht teine Chemiker", hieß es, als Lavoisier guillotiniert wurde), spielt teine Rolle. Einstein ist außerhalb Deutschlands ein ebenso großer Mann, wie er es in Deutsch land war. Und wenn auch das Riesengelächter, das sich in der ganzen Welt erhob bei seiner Vertreibung, auf Kosten der Nazis ging, so können sie von seinem Gehirn, wenn er jenseits der Grenze ist, genau so profitieren, wie sie es von seinem Vermögen tun, das er zurücklassen mußte. Sie bringen sich auf diese Weise um alle Sympathien, auf die sie in der Offentlichen europäischen Meinung Anspruch haben."
" Hatten sie Sympathien?"
Shaw:„ Ganz gewiß hatten sie welche. Als Faschisten hatten sie die Sympathie Jtaliens. Als Sozialisten, die die bolschewistische, diktatorische Taktik befolgten, hatten sie die Sympathie von Rußland , trotz der Nebenbuhlerschaft von
Faschismus und Kommunismus. Und überall hatten sie die
Sympathie der breiten Massen, die sich ärgerlich abwenden von den Verzögerungen, den Ausflüchten, der windigen Un
fähigkeit und anarchistischen Berneinungen unseren
demokratischen parlamentarischen Systems. All diese Sympathie hat sich in einem Tag in ein ärgerliches Uebelwollen verwandelt durch den Ausbruch eines sinnlosen Judenhasses." ,, Können Sie das erklären?"
Shaw:„ Sehr wohl. Ein Freund Hitlers sagte mir, daß er gezwungen war, den Beutezug gegen die Juden gutzuheißen, so wie militärische Führer des achtzehnten Jahrhunderts gezwungen waren, ihren Soldaten das Plündern eroberter Städte zu gestatten. Aber wir können nicht glauben, daß die große nationalsozialistische Bewegung, die ihn zu seiner Vier- Jahre- Diktatorschaft ge= führt hat, nichts Edleres sein soll als die Schurkereien der Truppen von Tilly und Suwarow. Eine solche Rechtfertigung degradiert den Faschismus zu einer bloßen Rauferei. Hitler und Hauptmann Goering sollten alle ihre Anhänger unter Quarantäne setzen, bis sie als geheilt vom Judenhaß an= gesehen werden können. Soll ich hinzufügen, daß ich kein Jude bin? Ich gehöre der naiverweise noch anti- jüdischen Nation der Fren an. Die Jren wissen nicht, daß Christus ein Jude war. Vielleicht 99 Prozent der Nazis sind ebenso unwissend. Hayden Church( London ).
Sorgen! Sorgen!
" Jahrzehntealt sind die Bestrebungen der Kellner, an Stelle des unbeholfenen Fracks, vor allem im Sommer, eine neue, praktischere Berufskleidung zu schaffen. Nun ist seit einiger Zeit in großen Gaststätten der Reichshauptstadt der Versuch gemacht worden, eine neue Kellnerkleidung in Form einer I angen schwarzen Hose, eines brau nen Hemdes und einer langen schwarzen Krawatte einzuführen, aber nicht, ohne daß sich auch hiergegen, und wir mir scheint mit Recht, Widerstände bemerkbar gemacht haben.
Es besteht wohl kein Zweifel, daß die hier gewählte neue
Kellnerkleidung mit der Kleidung der SA. große Aehnlichkeit hat und ihr wohl auch bewußt nachgeschaf fen worden ist. Gerade aus diesem Umstand aber rühren die Widerstände gegen die neue Kleidung her, wobei es beson ders erfreulich ist, daß sie aus den Kreisen stammen, die als die anerkannten Berufsvertretungen sowohl der Gastwirte wie auch der Gastwirtsangestellten auch am ehesten das Recht dazu haben. So hat der Reichsverband nationaler Gastwirte und verwandter Betriebe e. V. den Wunsch geäußert, eine andre Lösung zu finden, um„ das SA.- Kleid nicht hinüberzuziehen in den Alltag der Berufsarbeit. Gewiß, Arbeit schände nicht weder den Menschen noch das Kleid, aber genau sowenig wie früher in den Militärkasinos in Uniform bedient worden sei, solle jetzt in den Gastwirtsbetrieben in einer Uniform bedient werden, die dem SA. - Kleid zumindest sehr ähnlich sei". ( Kölnische Zeitung ", 25. Juni.)
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Mit Blümlein bestickt. Schicksalsfcage des sächsischen Volkes
Dte sächsische Staatskanzlei hat am 7. Juni an die Bevöl
Frau von Stael über Deutschland
Die Liebe zur Freiheit ist bei den Dents fchen nicht entwidelt. Sie haben weder durch den gelernt, den man auf ihren Besitz legen fann." Genuß noch durch den Mangel derselben den Wert kennen
Mit Recht erstaunt man, daß das Gesetzbuch aus der Fendalzeit sich beinahe ohne jede Veränderung unter so anf= geklärten Menschen erhalten hat..."
" Die Deutschen , die in der Literatur das Joch der Regeln nicht ertragen können, möchten, daß ihnen in bezug auf ihr Verhalten jeder einzelne Punkt vorgeschrieben würde. Sie wissen nicht mit den Menschen umzugehen und ie weniger man ihnen Gelegenheit gibt, selbständig einen Entschluß zu fassen, um so zufriedener sind sie. Die politischen Institutionen allein können den Charakter einer Nation zur Entwicklung bringen, die Natur der Regierung Deutschlands aber stand nahezu in direktem Gegensatz zu der philosophi schen Aufklärung der Deutschen . Daher fommt es, daß sie die größte Gedankenkühnheit mit dem untertänigsten Charakter vereinen. Das Uebergewicht des Militärstandes und die Rangunterschiede haben ihnen in gesellschaftlicher Beziehung die größte Untertänigkeit zur Gewohnheit gemacht. Sie sind in der Ausführung jedes erhaltenen Befehles so gewissenhaft, als ob jeder Befehl eine Pflicht wäre. Die Gebildeten Deutschlands machen einander mit größter Lebhaftigkeit das Gebiet der Theorien Streitig und dulden in diesem Bereiche keine Fesseln, ziemlich gern aber überlassen sie dafür den irdischen Machthabern die ganze Wirklichkeit des Lebens. Der Geist der Deutschen und ihr Charakter scheinen keine Verbindung miteinander zu haben: der eine duldet feine Schranken, der andere fügt sich jedem Joch, der eine ist äußerst tatkräftig, der andere äußerst schwach kurzum, die Aufklärung des einen verleiht nur selten dem anderen Kraft."
Der Esel
Dec Esel tritt....
Spott über die, die wehelos sind
Satire war und ist von jeher im politischen, im Kulturkampf eine tüchtige Waffe.
Als der konservative Aristophanes das„ Bolt" ( den Demos) auf die Bühne brachte und ihm ein Rissen unter den Allerwertesten" legen ließ, den„ Allerwertesten", der, das als attische Volk bei Salamis auf den Ruderbänken gegen die Perserflotte arbeitete,„ zwitschernd" siegte, da saßen die Allerwertesten, die nach diesem derben Wiße die ruhmreiche Seeschlacht gewannen, auf den Bänken des Amphitheaters und konnten den Satiriker, wenn sie wollten, auch außpfeifen. Als Martin Luther und die Seinigen, als Thomas Murner und sein Anhang einander im Kampfe für und gegen Rom grob satirisch beflegelten, da wagten sie hüben und drüben ihren Spott gegen einen gegenwärtigen, wehrhaften Feind. Und auch unser Nestroy hat den mächtigen Zensor, den übermächtigen Polizeistaat des Vormärz selbst, von Angesicht zu Angesicht bekichert.
Politische Satire hat ihren realen, ihren sittlichen, ja auch ihren literarischen Wert vom Mut, von der Kühn= heit, von der Gefahr. Der Spott triumphierender brutaler Gewalt, die kontrollose Verhöhnung des niedergeknüppelten Gegners ist bisher stets der geschichtlichen Verachtung anheimgefallen. Wird es auch in Zukunft!
Wenn nun fürzlich der reichsdeutsche Rundfunk, der bekanntlich denen untersteht, die selbst bestimmen, was recht ist“.„ Bierzehn Jahre" Kasperltheater veranstaltete, um die zertrampelte deutsche Sozialdemokratie, kontrollos lügenhaft, hinterhältig getarnt, hemmungslos verleumderisch und grenzenlos dumm wehrlosen Hörergemeinschaften lächerlich zu machen, so ist das ganz abgesehen von künstlerischer Unfähigkeit und Unzulänglichkeit, nicht politische Satire, sondern Eselsfußtritt.
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Im neuesten Heft der italienischen literarischen Revue Occidente" unterzieht Umberto Barbaro den Verfasser der " Alraune " und des„ Horst Wessel ", der der Haus- und Modedichter aller Braunen ist, folgender Kritik:„ Es hat fast den Anschein, als wäre dieser Autor einzig zu praktischen Zwecken und für die Erfordernisse des Krieges von einem Propaganda büro der Entente erfunden worden, wie die deutschen Greuel und die abgeschla genen Kinderhände in Belgien . Absurder Mystizismus, der von den Gemeinpläßen der idealistischen Philosophie herkommt, bestialische und widernatürliche Sexualität, gemeine, schwerfällige und flegelhafte Ironie und, vor allem, Gefallen am Schrecken und Blut. Die ganze friegerische Rhetorik, die Totenkopfhusaren, die Plünderer in Soldatenstiefeln, die Fabrik zur Verwertung unverwesten Leichen- das alles wäre mit einem Schlage gerechtfertigt, wollte man Ewers als repräsentativen Schriftsteller seines Landes bezeichnen."
ferung einen Auffruf gerichtet, der folgendermaßen lautet: Marschiert mit Hitler - nicht mit Gott
„ Der Nationalsozialismus ist Lebensbejahung in höchster Potenz nach den Worten des Reichsministers Dr. Goebbels . Der Nationalsozialismus muß und wird der deutschen Frau auch eine neue deutsche Mode, unabhängig von der Ausländerei, schaffen. Die deutsche Mode soll lebensbejahend und damit nicht schlicht sein! Sie soll naturverbunden sein! Die deutsche Frau will an ihrer Kleidung wieder Blumen sehen! Diesem Wollen kommt auch die chicksalsfrage des sächsischen Volfes und damit des deutschen Volkes entgegen und macht das Tragen von Spizen und Blumen, diese Sehnsucht der deutschen Frau nach guten deutschen Formen, zu einer großen nationalen Pflicht!"
Aus einer Rede des Kultusministers Schemm in der nationalsozialistischen Frauenschaft des Kreises Mün chen :„ Ich verstehe nicht, daß man mit grünen Hemden, Schulterriemen und Gürtel militärische Uebungen vollführt und sagt: Wir arbeiten für den lieben Gott. Körperliche Ertüchtigung, Felddienstübungen sind eine Sache, die dem Staat gehört. Diesen Unterschied haben manche noch nicht begriffen? Deshalb müssen wir ihn ihnen beibringen. Allen, die unter der Ueberschrift Gott , Religion und Kirche militärische Uebungen durchführen, sage ich ins Gesicht, das fie es mit der Religion nicht ehrlich meinen, sondern mit der Religion politische Geschäfte verbinden."