Deutsche Stimmen

Feuilletonbeilage der ,, Deutschen Freiheit"

Die erste Nazi- Komödie

Einer macht sich über seine Leute lustig

onjunktur, eine Revolutionskomödie"- fo nennt sich ein Theaterstück, das soeben im Münchener Re­fidenztheater zur Uraufführung gelangte. Sein Autor ist ein Herr Dietrich Loder , der, wie es scheint, seine natio­nalsozialistischen Pg's besonders gut kennt. Denn im Be­richt des Völfischen Beobachters" über den Inhalt des Stückes heißt es wörtlich:

" Denn die Tendenz dieser revolutionskomödie ist hoch, attuell, sie ist herrlich: Sie geht gegen das bor­nierte deutsche Protfitbürgertum und sein erbärmliches Ver­halten unmittelbar vor und nach dem 30. Januar 1933. Die famos erdachte Handlung schafft die Gelegenheit, die bürger­lichen Ehrenmänner mit der leicht angestaubten Hemdbrust" in ihren unerfreulichsten Ausgaben als Steuerhinterzieher, Tantiemenschinder, Postenjäger, Geschäftspatrioten, Zivili­fationsliteraten, Fraktionsvorstände der bürgerlichen Mitte ( gemäßigt national) usw. auf einem Haufen zusammen vor­zuführen. Vor dem 30. Januar mit vereinten Kräften gegen die Nationalsozialisten, gegen die Schreihälse", die" Radika linskis", die Narren", gegen die man sich distanzieren" muß! Nach dem Sieg der nationalen Revolu tion feig, würdelos, aber mit ausgestreckten Armen heil" rufend schon wieder die Kon­junttur" witternd! Und wenn's auch nur in Form eines fetten Staatsauftrages wäre, wofür man mit Ver­gnügen den Herrn Staatssekretär als Schwiegersohn anzu­erkennen bereit ist.( Kunststück!) Als der Mann noch unbe­fannter Oberführer der SA. und häufiges Opfer des Re­publick- Schutzgesetzes war, befürchtete der Herr Bankdirektor das Schlimmste für seine Firma, sobald er sich auch nur öffentlich sehen ließ mit dem unmöglichen Menschen!"

Dietrich Loder hat mit sicherem Blick die in der Tat wun­beste Stelle getroffen, die aus Anlaß der nationalen Revo­lution an dem an und für sich schon morbiden und an­gefaulten Körper der bürgerlichen Gesell­fchaft aufgebrochen ist. Die zweifelhaften Ehrenmänner so­wohl, nie auch die erfreulicheren Erscheinungen dieses

Vereinfacht!"

Die Fakultäten an den Hochschulen ausgeschaltet Bon alters her hatten die Fakultäten an den beutschen

Unversitäten das Vorschlagsrecht zur Besetzung eines Lehrstuhls. Sie hielten eine Auslese unter den geeigneten Bewerbern und reichten dann ihre Vorschläge dem Ministe­rium ein. Eifersüchtig wachten bisher die deutschen Hoch­schullehrer über dieses Recht. denn es war für sie das wesentlichste Stück der akademischen Frei­heit in ihrer Gelehrten- Republik.

Damit ist es nun aus! Amtlich wird mitgeteilt:

Der Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, Rust, hat den Fakultäten mitgeteilt, daß er in der nächsten Zeit von dem üblichen Verfahren bei Nenbesetzungen von Professuren abweichen wird. Es sollen in einer Reihe von Fällen von den Fakultäten feine Listen mehr eingefordert, sondern den Fakultäten Gelegenheit zur Stellungnahme zu bestimmten Vorschlägen gegeben werden. Eine derartige Vereinfachung des Berufungs verfahrens ist notwendig geworden, weil sonst die rechts zeitige Neubefegung der freien Stellen gefährdet ist. Das bedeutet das Ende der Selbständigkeit der Fakultäten. Jezt müssen sie die Vorschläge des Ministers anhören, der ihnen gnädigst eine Stellungnahme" gestattet. Wehe ihnen, wenn sie im heutigen Dritten Reich eine andere Auffassung über die Berufung eines Kollegen verträten als er! Dann sind ihnen braune Briefe oder ernste Vorhal­tungen des Herrn Kommissars" sicher. An die Stelle der freien Wissenschaft tritt der Ellenbogen der kreatur.

Es wird weiter entlassen.

Die nichtplanmäßigen außerordentlichen Profefforen an der Universität München Dr. Heilner( Physiologie), Dr. Otto Neubauer( Innere Medizin), Dr. Karl Süß­ heim ( Geschichte der mohammedanischen Völker) und Dr. Ludwig Steinberger( Mittlere und neuere Geschichte), sowie die Privatdozenten für Kunstgeschichte Dr. Ernst Michalski und Dr. Ernst Strauß wurden mit so­fortiger Wirkung aus dem bayerischen Staatsdienst entlan

Drüben...

London : Der

französische W

riot und Professor Einstein , der aus Deu.jayiano vertriebene Gelehrte, sind in diesen Tagen gemeinsam zu Ehrendoktoren ber Rechte an der Universität Glasgow promoviert worden. Paris : Die Pariser Akademie der Wissenschaften ernannte Professor Dr. Einstein zu ihrem ausländischen Mitglied.

Der Weg zum Frieden

" Die Reichsregierung hat sich entschlossen, für das Reichs­beer eine neue Felduniform einzuführen. Sie geht auf lang­jährige, nunmehr abgeschlossene Versuche zurück."( Deutsche Allgemeine Zeitung", Berlin , vom 20 Juni.)

Sehr aufschlußreich

Aus Hans Wendts Referat über den Film SA.- Mann Brand": Es ist sehr aufschlußreich, daß der Landwirt Huber, der seinen Nationalsozialismus bis zum Siege der Bewe gung im Nachttischfasten verbirgt und erst nach dem 5. März die Hakenkreuz flagge zeigt, ben lebhaftesten Beifall des Publikums davonträgt."( Deutsche Allgemeine Beitung", Berlin .)

...

Stückes sind uns aus der Geschichte der letzten Wochen und Monate wohl vertraut. Vor allem in dem charakterschwachen Bankdirektor, dessen Vaterlandsliebe mit der Höhe der er­zielten Dividende steigt und fällt, hat Loder den Typ der deutschen Spießbürger schlechthin getroffen."

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Wahrhaft herrlich! Diese Ritter der Konjunktur- sie plätschern jetzt in den neuen Gewässern, haben das Haken­treuz an ihrem Rockaufschlag, seßen das SA. - Käppi auf und bieten das nationalsozialistische Bekenntnis an jeder Straßenede an, zwecks Propaganda und Geschäft, das braune Deckblatt über der Profitzigarre.

Aber was sind das für Leute, die in München eine solche Satire beklatschten- genau so, wie es ein angeregtes Nazipublikum allenthalben beklatschen würde? Da saßen der Herr Ministerpräsident Siebert, der Herr Justiz­minister Frant unter vielen braunen Uniformen. Sie gingen, wie es in dem Bericht heißt, angeregt und ver­ständnisvoll" mit. Ja, diese Herrschaften haben Verständnis für Situationen, in denen sie selber stecken. Denn sie sind geradezu Muster Exempel der Ron­junktur, hochgehoben durch Volksgunst, im Besitz von Ge

finnung, die heute klingende Münze einbringt und einen

Ereignisse und Geschichten

wollüftigen Ueberblick über viele frumme Rücken gewährt.

Kurz, in dem morbiben und angfaulten Körper der bär­

gerlichen Gesellschaft sien die uniformierten Spießbürger des Dritten Reichs wie die Maden im Sped: Postenjäger, Parteibuchbeamte, Bon­zofratie mit Aufschlägen und Herren. Auch das ist uns, um mit dem Herrn Kritiker zu reden, aus der Geschichte der letzten Wochen und Monate wohlvertraut".

Und der Herr Autor Dietrich oder selbst? Er schreibt Konjunktur" er macht Konjunktur. Er wird für den traffen Zugriff ins eigene Nest gelohnt durch Tantiemen und darf sich freuen, den zahlreichen literarischen Kollegen, die jezt gleichgeschaltet und gleichgefärbt sind, knapp um eine Nasenlänge vorausgewesen sein.

Museumsverwaltung ,, gereinigt"

Jm Konzentrationslager

Bon Theodor Kramer.

All dies, den lehmigen Grund, bestreut mit Schlacken, die Gräben rings, die unter Wasser stehn, die sandgeteerten Dächer der Baraden hab' ich vor Jahren schon einmal gesehn. Wie heut verfilzte Stacheldraht die Pfosten, nur trug ich damals selbst Montur, Gewehr und Bajonett und stand vorm Gitter Posten und meine Beine waren nicht so schwer.

Doch stumm wie heute haßte ich die Schnallen und preßte meine Schläfen an die Wand nachts, wenn es niemand sah; beim Händeballen war's, daß ich Stück für Stüd die Welt verstand, Und als ihm später alle dort entrannen, bekämpfte ich den Zwang in falter Wut,

im Haus, im Saal und bei den Schmierölkannen, bis man uns faßte; und man faßte gut.

Den einen wird man packen und erschlagen, wenn er vor früh auf die Latrine geht; den andern wird man erst ins Ruhrhaus tragen, wenn falt der Schweiß ihm auf der Stirne steht. Kann sein, die werden einen von uns biegen... es braucht vielleicht ein Menschenleben lang; doch nichts kann auf die Dauer unterkriegen, was in uns lebt; wach hält es schon der Zwang.

Kleine Zitate

Was man in der Nazi- Presse liest

Im Berliner Tageblatt" findet sich folgende Dreizeilen­notiz: Der Vorstand des Lessingbundes in Wolfen­ büttel hat beschlossen, den Bund aufzulösen und sein Ver­mögen dem Kampsbund für deutsche Kultur zur Verfügung zu stellen."

Der kleine olenjunge, die Scheuerfrau, der Portier oder der unbeachtete Nachbar, die riesige Masse derer, die nur Objekte des Geschehens waren, sie prüfen heute und sie richten".( Aus der Glosse Die Ab­rechnung" im 3. Heft der Monatsschrift Die Tat", Jena .)

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Auf einer von der Zentrale der Hausfrauenvereine Groß­Berlins veranstalteten Rundgebung für deutsche Fette be= ministerium, bei allem Verständnis für die Eindämmung

Die Hervorragenden verschwinden die Zweit- tlagte Frau Clara Mende , Referentin im Reichswirtschafts­klassigen werden auf ihre Plätze beordert des Verbrauchs von Margarine, die durch die Verteuerung

Herr Rust, der preußische Nazi, Kultusminister, hat den Ge neraldirektor der Staatlich- n Museen, Geheimen Re, gierungsrat Professor Dr. h. c. Waetzold sowie den Di­rektor der Nationalgalerie( einschließlich der Sammlung im Kronprinzensaale) Geheimen Regierungsrat Dr. Justi be­urlaubt, ferner den Geheimen Regierungsrat Dr. Friedländer von der Leitung der Direktion der Ge­mäldegalerie im Kaiser- Friedrich- Museum entbunden.

der Fette bedingte schlechtere Ernährung in unge­zählten deutschen Familien.

Wir lesen über die Aufgabe des deutschen Schulfunkes in den offiziellen Mitteilungen der Reichsrundfunkgesellschaft" in Berlin : Die Hitler- Jugend ist in allen ihren Unterfor­mationen die ausschließliche politische Er= ziehung- sgemeinschaft der jungen deutschen Gene ration. Heute hat sie ihren Geist auch in die Schule ge­tragen. Und der Schulfunt will mithelfen an der Vertiefung dieser neuen geistigen Haltung.

Zur Leitung sind vertretungsweise berufen worden: an die Generaldirektion der Staatlichen Museen der Professor Dr. Kümmel unter Beibehaltung der Direktion der Asia­tischen Abteilung, an die Nationalgalerie der Direktor des Städtischen Museums für Kunst und Gewerbe in Salle an Ein altes Lied

der Saale , Professor Dr. Schardt, an die Gemäldegalerie der Direktion der Städtischen Sammlungen in Düsseldorf Professor Dr. Roetschau. Gleichzeitig ist an Stelle des bereits früher beurlaubten Professors Dr. Glaser der Pro­fessor Dr. Hermann Schmit in Berlin mit der Direktion der Staatlichen Kunstbibliothek vertretungsweise beauftragt worden.

Waeßold, Justi und Friedländer haben dem Berliner Mu­seumswesen jahrzehntelang Haltung und Gesicht gegeben. Gegen ihre Kunstpolitik läßt sich manches sagen, aber jeder von diesen dreien war eine Persönlichkeit, die kraft hervor­ragenden könnens an den Platz gehörte, auf dem sie stand. Wer kommt an ihrer statt? Leute der zweiten Klasse, Männer von lokaler Bedeutung, aber bewährt in recht­zeitiger Anpassung an die neue Offizialgesinnung. Nur von Kümmel weiß man, daß er schon vor Jahren Proben eines überhitten Teutonismus abgelegt hat, die in der ganzen Welt Heiterkeit hervorgerufen haben.

Gedanken

Von Miquel de Unamuno

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Alles, was sich auf die Rassenlehre und Völker: Innde bezieht, ist eine recht heifle Angelegenheit, Sobald von der Reinheit des Blutes und der Nasse gesprochen wird, rufe ich stets sofort alles zur Hilfe, was in mir an Steptizis­mus vorhanden ist. Selten sind dann nämlich diese ethnolo=

auf neu aufgefrischt

Jetzt wird das Horst- Weffel- Lied von allen Fachleuten bürgerlicher Zunft als das neue deutsche Volkslied gepriesen. Eingeweihten ist bekannt, daß diese Melodie schon lange in in Deutschland eingeführt war. Während des Krieges wurde die Melodie zum Argonnenlied benußt. Argonnerwald, Argonnerwald, ein einziger Friedhof bist du bald!" Dann gehörte es zu den bekanntesten Lieder der Nationalisten. Dem Kaiser Wilhelm haben wirs geschworen, dem Kaiser Wilhelm reichen wir die Hand". Und später haben die Kom­munisten bei jeder Demonstration dies Lied gesungen. Dem Karl Liebknecht haben wir geschworen, der Rosa Luxemburg reichen wir die Hand!"- Und nun mit einemmale entdecken es die Hitlerianer und ihre kritiklosen Anbeter als neues Volkslied. Dabei kam bekanntlich der Nationalheilige Horst Wessel aus der Kommunisten front und hat sicher von dort die Melodie mitgebracht. Genau so ist es mit dem Rot­gardistenmarsch. Dieses Brüder, zur Sonne, zur Freiheit" hat Hermann Scherchen aus Rußland nach Deutschland ge= bracht. Rußland und Scherchen werden verdammt, aber ihre Lieder singt man doch,- Und das Lieblingslied des Herrn Göring":" Wann wir schreiten"? Stammt das nicht vom ersten Reichstreffen der Sozialistischen Arbeiterjugend in Weimar ? Wurde es nicht durch die SAJ. tatsächlich zum deutschen Volkslied? Die Sozialisten sperrt man in Kon­werden die Lieblinge zentrationslager, aber ihre Lieder Görings.

gischen Betrachtungen wirklich wissenschaftlich begründet, fon: Ein deutscher Dance

bern fie bernhen fast immer auf Leidenschaften und Affekten. Einer Sache lönnen wir uns bei Rassenfragen absolut sicher sein, nämlich der, daß wir nichts sicheres wiffen, und es ist feine geringere Sache, zu wissen, daß man nichts weiß.

Ich pflege deshalb immer die Frage nach der Rasse durch die nach der Sprache zu erfeßen. Denn, wenn es einerseits sehr schwierig ist, die Naffe eines Europäers zu bestimmen, so ist es doch leicht festzustellen, in welcher Sprache er denkt, und die Sprache ist das Blut der Seele und sozusagen Fuhr­werk der Gedanken.

Wenn ich jemanden weh tne und verleße, betrübt es mich stets. Aber es ist leider eine Tatsache, daß der abstrakte Tadel, nach der Art der Moralisten, die gegen das Laster als solches tämpfen, sehr wenig Wirkung hat, wenn er sich nicht gegen einen bestimm'en Lasterhaften wendet. Mit den geistigen Lastern ist es ganz dasselbe, die Affäre Dreyfus 3. B. hat in Frankreich einen viel größeren Einfluß gehabt, als wenn man nur allgemein gepredigt hätte, ohne individuelle Beziehung.

Bevor noch Hitler die Macht ergriffen" hatte, hatte der deutsche Buchhandel schon so ne Ahnung. Alle die Bücher, deren Autoren den neuen Herren nicht genehm waren, wur­den, so rasch es nur ging, zu tief herabgesezten Preisen los­geschlagen. Die schönsten Werke der deutschen Literatur waren in den feinsten Ausgaben um ein Spottgeld zu haben. Da. hatte nun in Breslau , in der Stadt, wo der Fememörder Heines die Nazis fommandierte, ein Buchhändler eine Prachtausgabe der Werke Heinrich Heines ins Schaufenster gestellt: Heines gesammelte Werke, 12 Bände, 7,50 Mart." Kamen da nun zwei stramme Nazistudenten vorüber. Ne, fieb mal. guag!" rief da gleich der eine, wär hädde das für meeglich gehalten, daß unser Heines oochn Dichdr is d!"" Nee, nee," sagte da der andere ebenso bewundernd, und gleich zweelf Bände und fir fibn Marga fuffzigg! Mensch, da machn wa aber schnelle hinein, bevors noch een andrer siehd! Das isd doch n Gelegenheitsggauf!" Und drin waren die beiden im Laden. Der Buchhändler soll sich sehr gewundert haben.