DAS BUNTE BLATT
TAGLICHE UNTERHALTUNGS- BEILAGE
Der Brand im Funkhaus
Francois Dupont, ein in seinem Heimatsort nur wenig bes kannter und wenig gelesener Schriftsteller, war während des ganzen Tages in heiterster Stimmung. Heute abend soll die Novelle, die er für seine beste hält, von Monsieur Leger, einem der beliebtesten Schauspieler der Stadt, im heimats lichen Rundfunk gelesen werden. Heute abend will er den Nachbarn, die nicht an sein Talent glauben, den Freunden, die ihn verspotteten, beweisen, daß er ein Künstler ist, auf den nicht nur die ganze Stadt, nein die Provinz, das Land, die Nation stolz sein darf. Wenn seine Meisternovelle „ Das Schicksal der Edlen" den Aether durchtönt, werden Frauen, alle Männer, wird alle Welt, die hört, erschüttert sein, die Jugend Frankreichs wird ihm dankbar, beglückt zujubeln, die Verleger werden ihn um sein Produkt bestürmen, und sein Leben wird ein Dasein des strahlenden Ruhmes, des fetten Erfolges werden. So wird es sein.
Und dann wird er sich auch eine Schreibmaschine kaufen. Die Schreibmaschine fehlt ihm schon längst. Selbst Monsieur Leger wird, Das Schicksal der Edlen" aus dem handgeschriebenen Manuskript vorlesen müssen. Aber er wird nicht stottern. Dupont hat ja so oft, so eindringlich mit ihm geübt. Jede Silbe sißt, jeder Ton, jedes Komma. Das Meisterwerk wird eine Meisterinterpretation erfahren.
Jezt ist es wenige Minuten vor acht. Von acht ihr bis neun Uhr zwanzig steht ein Sinfoniekonzert, Beethoven , im Programm, doch die Zeit von neun Uhr zwanzig bis neun Uhr vierzig gehört ihm, Francois Dupont, feinem Wert, seinem Ruhm, seinem Schicksal, dem Schicksal der Edlen". Ab neun Uhr vierzig wird sein Name ein großer Glanz, Francois Dupont der Dichter von morgen, der Poet der Nation sein. Schon steigt die Spannung in demselben rapiden Maße, in dem die Rotweinflasche, mit deren Inhalt Dupont frohgelaut das Glück des Rommenden begrüßt, lichter wird. In majestätischer Würde klingt Beethovens Fünfte aus dem Lautsprecher. Eine ganz paffende Einleitung-", benkt Dupont selbstbewußt. Große soll man zusammentun. Nachher wird niemand abschalten, im Gegenteil, die Zahl der Hörer wird noch größer werden, ganz Frankreich wird lauschen. Hoffentlich bleiben die paar atmosphärischen Störungen weg
Aber
Dupont stutt.
Jene Störungen werden immer stärker, das Hören bereitet feinen Genuß mehr.
Er versteht nicht viel von der Technik der Radiofunkübertragung, was verstehen Dichter von der Technik überhaupt, aber so viel weiß er, daß so heftige, häufige Mißtöne ungewöhnlich sind und kaum in atmosphärischen Störungen begründet sein tönnen...
Der Sherlock Holmes " der Archäologie
Die Ausgrabungen des Sir Flinders Pertie in Palästina. Vor einem auserwählten Publikum hielt Sir Flinders Bertie, ein englischer Archäologe, seinen ersten Vortrag über seine sensationellen Ausgrabungen in Palästina. Der jest 80jährige Gelehrte, den man in wissenschaftlichen Atreisen wegen seiner Findigkeit den Sherlock Hol mes " der Archäologie nennt, ist vor kurzem aus dem Orient zurückgekehrt, um dem englischen Publikum über die bisherigen Ergebnisse seiner palästinensischen Arbeit Rechenschaft abzulegen.
Sir Flinders Pertte verbrachte einige Jahre in Gaza , in der wichtigsten Stadt von Südpalästina, wo es ihm gelang, fünf altertümliche Paläste, die mehrere tausend Jahre vor Christus erbaut worden waren, auszugraben. Der Gelehrte ist der Meinung, daß die Geschichte Aegyptens und Syriens nach der von ihm gewonnenen wissenschaftlichen Ausbeute revidiert werden müsse. Bereits im vierten Jahrtausend v. Chr. hätten die Aegypter Syrien und Palästina erobert, und die Spuren einer hochentwickelten Kultur seien auf diesem Gebiet von ihnen hinterlassen worden. In einem der von Pertie ausgegrabenen Paläste fand der Archäologe sogar ein Badezimmer in unversehrtem Zustande.
Einige Gegenstände, die Sir Flinders Pertie mit nach England gebracht hat, beweisen, daß die Aegypter des vierten Jahrtausends v. Chr. bereits mit den Völkern ganz Europas und Asiens in Verbindung standen. Zwei goldene Ohrgehänge, die ausgegraben wurden, dürften keinesfalls aus ägyptischen Werkstätten stammen, sondern gleichen jenen tunstgewerblichen Arbeiten, die in Irland um jene Zeit hergestellt wurden. Ein Schwert verrät seinen Ursprung von den Ufern des Kaspischen Meeres.
Nach der Meinung des Gelehrten haben im Laufe der Jahrtausende sechs verschiedene Völker Aegypten erobert, darunter auch ein Stamm, der aus dem Kaukasus gekommen war und die Aegypter besiegte. Sir Flinders Pertie hält dret Vorträge in London und kehrt dann zu seinen Ausgrabungen nach Gaza zurück. Seine neu entwickelten Theorien haben in archäologischen Kreisen das größte Aufsehen erregt.
Der Eispickel als Beweis
Der Mont Everest doch erstiegen
Ein Eispickel spielt zur Zeit in der wissenschaftlichen Welt
eine sensationelle Rolle. Nach Ansicht des Engländers Lord Conway haben die seit der letzten Expedition zur Bezwingung des Mont Everest verschollenen Bergsteiger Mal lery und Irvine allen gegenteiligen Ansichten zum Troßz den Gipfel des„ Unbezwinglichen" dennoch bezwungen. Als Beweis seiner Behauptung versucht Lord Conway den Eispickel anzuführen, der von zwei Mitgliedern der jetzigen Expedition gefunden worden ist, und von dem man weiß, daß er Mallory gehörte. Lord Conway begründet seine Anficht folgendermaßen:
Als Mallory und Irvine zuletzt gesehen wurden, hatten sie nur noch 100 Meter bis zum Gipfel hinter sich zu legen. Die Schwierigkeiten dieser letzten Aufstiegsetappe können aber nicht mehr allzugroß gewesen sein, da beide an die dünne Höhenluft gewöhnt waren und ihnen noch einige Stunden mit Tageslicht verblieben. Warum sollten sie also gerade auf diesem letzten Wegestück verunglückt sein? Lord Conway ist vielmehr der Ansicht, daß die Bergsteiger nach der Bezwingung des Gipfels den Eispickel altem Bergsteigerbrauch zufolge auf ihm zurückgelassen haben.
Merkwürdig merkwürdig
Und bricht das Orchester jest nicht sogar ab? Und- spricht da nicht einer? ,, Meine Damen und Herren die Sendung wird unters brochenes brennt im Funkhaus- Aus.
Es brennt im Funkhaus?
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Es brennt im Funkhaus, bevor„ Das Schicksal der Edlen gelesen wurde?
Es brennt im Funkhaus, bevor die Welt weiß, was für ein großer Mann Francois Dupont ist?
Es brennt im Funkhaus, und das Manuskript verbrennt mtt ihm?
Es brennt im Funkhaus, und die Welt wird nie wissen,
was sie verlor?
Ein furchtbarer Schreck durchblitt den Dichter, eine graufige Angst, ein wilder Schauer. Er sieht den schwarzen Wol tenvorhang vor der Sonne seines Ruhmes. Was kann er tun, durchzuckt es ihn, das Gebält zu zerstören, was fann er
Was es affes gibt
Schallplatten ofine Ende
Das Ei des Kolumbus"
Durch einen neuerdings gemachten Verbesserungsvorschlag wird eine pausenlose Wiedergabe von Schallplatten möglich gemacht.
Bekanntlich werden zur Wiedergabe langer Vorträge auf Schallplatten zwei abwechselnd laufende Geräte und ein doppelter Satz beiderseitig besprochener Platten erfordert. Die ersteren können nicht entbehrt werden, wohl aber die doppelten Platten, und zwar dadurch, daß die Fortsetzung einer Plattenvorderseite nicht, wie bisher, auf deren Rück feite, sondern auf einer anderen Platte aufgenommen wird. also Beispielsweise wurde bei einer in sechs Abschnitten auf drei Platten- festgehaltenen Rede auf Platte 1 Teil 1 und 4 aufgenommen; auf Platte 2 kamen die Teile 2 und 5. Wie man sieht, hat das„ Ei des. Kolumbus " heute noch seine Logik...
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tun, durchſtürmt es ihn, zu siegen, zu ſiegen, trozdem zu Autofahren auf dem Dacie
fiegen?
Und schon hat er einen Gebanken, ben er für rettend hält. Schon trennt er sich, feine leichte Trennung sonst, von der breiviertelleeren Weinflasche, schon schlägt er die Tür seines Häuschens hinter sich zu, schon springt er in ein Taxi, schon fährt er ins Zentrum seiner Stadt, zum Funkhaus, zur Brandstätte, die von tausend und aber tausend Schaulustigen gespannt und gebannt umstanden wird. Mit dem Mute des Verzweifelten durchbricht er die Absperrungskette, schreit, vom Wahnsinn getrieben, den Feuerwehrleuten zu, daß er sein Manuskript retten müsse, von dem keine zweite Abschrift existiert, das Schicksal der Edlen", das große Manuskript seines großen Ruhmes, das erhabene Werk der Nation, die gewaltige Dichtung, die Voltaire in den Schatten stelle und Anatole France zum dilettantischen Narren mache fein Wort versteht die Feuerwehr, kein Wort.
Sie kann den Wahnsinnigen nicht hindern.
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Sie kann den Dichter nicht retten; wohl kann sie gegen das Feuer, nicht aber kann sie gegen den Teufel kämpfen. Francois Dupont stürmt vor, stürzt in sein Verderben. Gebält erschlägt ihn und Flammen fressen seinen mageren Leib. Bei den Aufräumungsarbeiten waren irgendwelche Reste von Francois Dupont nicht mehr gefunden worden. Wohl aber entdeckte man, noch völlig unversehrt, fein säuberlich ge= heftet,„ Das Schicksal der Edlen". Die literarische Abteilung hatte das Feuer nur ein bißchen angeleckt.
Das Manuskript wird den Erben zugestellt werden.
Durch die Schneestürme mag dann dieser Eispidel von ber Spizze heruntergeschleudert worden sein, so daß er an den Ort gelangte, wo er von der jeßigen Expedition gefunden wurde.
Verwecfiselte Annoncen
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In Basel ist dieser Tage von Strolchenfahrern", wie die Schweizer die Schwarzfahrer nennen, ein Automobil gestohlen worden. Der Inhaber des Wagens sah die Gauner davonfutschieren und raste auf seinem Fahrrade hinterher. Schließlich fonnte er die Diebe einholen, tlammerte sich an den Wagen, schwang sich ganz wie Harry Piel auf der Flimmerleinwand auf das Dach seines Autos und eine wilde Jagd begann. In kluger Voraussicht nahmen die Diebe eine halsbrecherisch scharfe Kurve, und der Passagier auf dem Dache flog im hohen Bogen in den Straßengraben. Mit erheblichen Verlegungen wurde er später ins Hospital geschafft. Sein Auto fand man in der Nacht- ohne Insassen - wieder auf.
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Streit um einen Floh
Uebereifrige Tierschützer
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In einem Unterhaltungslokal in Belgrad produzierte sich vor kurzem ein origineller Dompteur. Er unterhielt das Publikum mit einem einzigen, in einer bauchigen Flasche eingesperrten Floh. Zu Beginn der Vorführung zog er den Stöpsel aus dem Flaschenhals und steckte den Finger hinein: Fütterung. Nachdem der Floh sich fattgegessen hatte, wurde die Flasche wieder versperrt und unser Dompteur zog eine Flöte aus der Tasche, mit der er lustige Weisen spielte. Und oh Wunder! Der Floh beginnt nach dem Rhythmus der Musit in der Flasche herumzuhüpfen. Dieser Flohtanz hat die Mitglieder des Belgrader Tierschutzvereines aufs höchste entrüstet und sie erstatteten die Anzeige bei der Behörde. nicht etwa deswegen, weil sie in der Produktion eine- Nackttanzvorführung erblickten, sondern, weil sie diese Dressur als einen Fall von grausamer Tierquälerei verurteilen. Ob sich wohl diese braven Leutchen des Nachts von den Flöhen falls sie welche haben zwicken lassen, ohne zu Vergeltungsmaßnahmen zu greifen?
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Einmal, während der Feiertage, geschah in der Druderet Der Sieg der Komik
eine peinliche Sache, die übrigens nicht besonders wichtig und nicht mit dem Gesetz in Konflikt kam. Als der Sezer die Annoncen gesetzt hatte und die Zeilen in Rahmen fpannen wollte, ließ er den ganzen Satz fallen. Kunterbunt, wie alles durcheinander lag, nahm er es auf und druckte es. Da kam dabei heraus:
Portier, drei Stock hoch, sucht Stellung als Kindermädchen. Blumen und Schlangen" von 2. J. Palmin teilen gramgebeugt das Hinscheiden ihres Gemahls und Vaters, des Kammerherrn A. K. Pustokwassow, mit
Der Filmgeschmack der Schüler
Bei den Londoner Schülern ist dieser Tage eine Rundfrage veranstaltet worden, bet der sich 21 300 Schüler und Schülerinnen im Alter von 8-12 Jahren über ihren Filmgeschmack äußerten. Dabei wurden von nahezu sämtlichen Schülern die Kulturfilme, also Filme, welche geographische oder naturwissenschaftliche Aufklärung vermitteln, abgelehnt. Dagegen wurden die komischen Filme mit ungefähr 95 bis 98 Prozent Stimmen als ideale Themen bezeichnet.
Mit Genehmigung einer hohen Regierung ist ein Pudel Der alte Mond febt noci! entlaufen. Erzeugnis der Konditorei Sion.
Schwarzer Hengst, erstklassiger Traber, Spezialist für Frauen- und Nervenleiden, erteilt Fechtunterricht. Dampfschiffahrtsgesellschaft sucht Stellung als Mädchen für
alles.
Die Redaktion der Zeitschrift„ Niwa" bietet Einzelzimmer für Wöchnerinnen an. Diskretion und Komfort. Kinder und Soldaten zahlen die Hälfte. Die Gegenstände dürfen nicht berührt werden.
Aus der Kontursmaffe der Firma Kritschalow werden verfauft umzugshalber Magenkrebs und Knochenfraß. Wegen des drüben Wetters bester Zahnersatz bei Dr. Krach ter. Totenmessen täglich.
Neuheiten! Die schönste Damenwäsche und Brautausstattungen nur bei Student der Mathematik, mit goldener Medaille, der sich in schrecklicher Notlage befindet. Mittags- und Abendessen, reichhaltiges Menü.
Seit 1. Februar erscheint unzensiert die Hebamme Dyldina.
Nachahmung verboten.
Gliefwärmdienfied
Auf sächsisch.
Im ganzen Dierreich is gee Vieh So voller Reiz un Boesie, als wie dr Gliehworm, bei der Nacht de Runde mits Ladärnchen macht.
Das schillert hin un schillert her, un manchmal siehtmr ooch nischt mehr. Wenn eener denkt, jetzt, dibb ich druff da dauchts dann ganz wo andersch uff.
Schon viele hat de Wut gebadt, von so a winzchen Biest vergnadt. Drum wer geen Schbaß vertragen gann, der fasse ähmd geen Gliehworm an
abs
Der alte Mond lebt noch.
Die Tatsache, daß einige Formationen an der Mondoberfläche offenbar neueren Datums sind und somit auf eine Ausdehnung der Mondkugel zurückgeführt werden müssen, steht mit der alten Anschauung im Widerspruch, daß der Mond ein erstarrter Körper sei. Ein erfalteter Körper muß einschrumpfen. Die offensichtliche Dehnung des Mondes deutet dagegen auf höhere Temperaturen, die nur durch Zerfall radioaktiver Elemente erklärt werden können. Das Borhandensein solcher radioaktiver Elemente behauptet nun der Cambridger Astronom Forbes, wonach der Mond einen radioaktiven Kern hat, der Energie ausstrahlt und Wärme an die Oberfläche abgibt.
Gummi aus-
Alkohol
Wir kennen heute bereits mehrere Verfahren zur Herstel lung von künstlichem Gummi. Bisher sind diese Verfahren allerdings nur in verschwindendem Umfange zur Anwendung gelangt, weil infolge der Krise selbst für den natürlichen Kautschuk nicht genügend profitable Absatzmöglichkeiten vorhanden sind. Vor kurzem erreichte uns jedoch die Meldung, daß in der Sowjetunion eine Fabrik zur künstlichen Kautschukherstellung in Betrieb genommen wurde. Das Ausgangsmaterial bildet dort Spiritus.
Lachen nicht verlernen
Ruhm!
Neulich geht Gerhart Hauptmann in Berlin spazieren. Kommt ein Mann, klopft ihm auf die Schulter und sagt: " Entschuldigen Sie, find Sie nicht der Gerhart Hauptmann ?" -Würdig bejaht der Dichter. Ruft der andre freudig:„ Na, Mensch, Gerhard( mit hörbarem d), kennst du mich nicht mehr? Ich bin doch dein alter Schulkamerad, der Eberhard Müller! Na, sag mal, wie geht's dir denn? Was ist denn aus dir geworden?"
Moderne Auffassung