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Preis: 60 1. cts.

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Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Nummer 15-1. Jahrgang

Saarbrücken , Freitag, den 7. Juli 1933

Chefredakteur: M. Braun

Man könnte vielleicht ein Schiff voll Narren eine gute Weile vor dem Winde treiben lassen; aber seinem Schicksal trieb es ent­gegen, eben darum, weil die Nar­ren dies nicht glauben. Dieses Schicksal ist die Revolution, die uns bevorsteht. Karl Marx .

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Attentat auf Straßburger Sender

Der Plan cincs Bombenattentats- Durch Ausplaudern vorläufig verhindert Deutschland soll gegen Luxemburger und Straßburger Sender abgesperrt werden

Ein Bewohner der Pfalz mußte dieser Tage wie so viele andere die Grenze bei Luremburg überschreiten, weil er seines Lebens daheim nicht mehr sicher war. Er ist weder Jude noch Kommunist noch Sozialdemokrat. Sein Unglück ist, daß er genaue Kenntnis hatte von einem Attentatsplan auf den Straßburger Sender, und man wollte den zufällig Eingeweihten beseitigen oder einsperren.

Der Straßburger Sender, den man im Inneren Deutsch lands nur schwach hört, wird in der Pfalz , wo er gut zu verstehen ist, sehr unangenehm empfunden. Darum wurde am 27. April in Ludwigshafen der Plan ges schmiedet, den Sender lahmzulegen. Es wurden neben einigen Draufgängern drei nationalsozialistische Ars beiter hinzugezogen, die längere Zeit im Elsaß gearbeitet haben und die Gegend um den Straßburger Sender genau kennen. Fünf Verschwörer sollten in der Nacht zum 1. Mai das Bombenattentat auf den Straßburger Sender ausführen. Die Fahrt sollte über Saarbrücken und Forbach gehen. Nach dem Attentat sollte in Straßburg sofort das Ges rücht verbreitet werden, das Attentat sei von elsässis fchen Kommunisten ausgeführt worden. Der Anschlag

unterblieb nur, weil einer der Beteiligten furz vorber

Abfahrt, als er glaubte, schon etwas offenherzig sein au tönnen, Andeutungen machte, die einen anderen SS. - Mann

veranlaßten, mit dem Motorrad an dem Führer der Aktion

zu fahren, um die Erlaubnis zur Beteiligung zu erlangen. Als der Führer merkte, daß mehr Personen eingeweiht waren, als vorgesehen, war er flug genug, das ganze Unters nehmen sofort abzuftoppen. Der Plan ist aber trotz aller Schweiggebote da und dort besprochen worden. Unser Ges währsmann war einer der Verdächtigen und er mußte dess halb flüchten.

Im Zusammenhang damit veröffentlichen wir folgende Buschrift aus Deutschland :

Die deutsche Reichsregierung sucht Deutschlands Grenzen gegen alle nicht gleichgeschalteten Druckschriften abzuschlies Ben. Luftdicht ist das aber nicht möglich. So fizzen denn Tag für Tag hunderttausende kritische und zweifelnde Menschen vor ihren Radioapparaten und versuchen Straßburg " oder " Luxemburg " zu hören. Sie hoffen so wenigstens zu einigen Nachrichten zu kommen. Aus Zuschriften wissen wir, wie unsere Freunde fich freuten, als sie das Erscheinen der " Deutschen Freiheit" durch das Radio erfuhren.

Der Straßburger Sender wird nur in Westdeutsch­land gehört. Auch dort nicht gut. Der Sender ist verhältnis­mäßig schwach und wird zweifellos gestört. Anders ist es mit dem Luremburger Versuchssender. Er ist einer der stärk­

Vier Todesurteile

Im BVG.- Räuber- Prozeß

Berlin , 6. Juli. Im Prozeß gegen die BVG.- Räuber wurde das Urteil verkündet: Die Angeklagten Hildebrandt, Soheisel, Willy Krebs und Achtenhagen wurden wegen ge= meinschaftlichen Mordes, begangen in Tateinheit mit ges meinschaftlichem schwerem Raube mit dem Tode bestraft. Außerdem wurde auf schwere Zuchthausstrafen erkannt.

Der Angeklagte Winkel erhielt lebenslängliches Zuchts haus, Söhne sieben Jahre Gefängniß und Max Krebs zehn

Jahre Zuchthaus.

Der Angeklagte Klann wurde wegen Hehlerei zu vier Jahren Gefängnis und Stach wegen Hehlerei zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt.

Die vier Hauptangeklagten wurden zum Tode vers

urteilt.

Von der Kanzel verhaftet

Wie die ,, Freiheit" der Katholischen Kirche ge­

meint ist

Der Kaplan Bombitki von der Pauluskirche in Recklinghausen hielt am Sonntag eine Predigt, in der er sich mit der Aktion des preußischen Staates gegen die fatholischen Vereine tritisch befaßte und dem Staat jedes Recht auf Eingriffe in die Verhältnisse der katholischen Kirche absprach. Nach seiner polizeilichen Vernehmuna wurde Boms bigti in Schughaft genommen.

sten der Welt und sendet seine Wellen über ganz Deutsch - daß die Reichsregierung zunächst ein Verbot der größeren land.

Die Reichsregierung mit ihrem Propagandaminister er­wägt nun einen Schlag gegen den Luxemburger Sender. Beseitigen läßt sich der unangenehme Geselle nicht. So soll er denn dadurch ausgeschaltet werden, daß man dem gemei­nen Volke die größeren leistungsfähigen Apparate verbie­tet. Es soll der deutsche Voltsempfänger", das Rundfunkgerät für jedermann eingeführt werden. Das ist außerdem ein Bombengeschäft für die 28 deutschen Funk­fabriken. Die Aufträge werden nach einem bestimmten Schlüssel an sie verteilt. Der Preis ist trotz der scheinbaren, Billigkeit so, daß genügend verdient wird. Es ist möglich,

Radioapparate unterläßt, weil sie hofft, daß es ihr gelingen wird, den Voltsempfänger" für die breitesten Schichten einzuführen. Das Verbot der Apparate für Fernempfang steht aber im Hintergrunde, auch wenn es jetzt noch demen­tiert werden sollte. Das Ziel ist, möglichst alle deutschen Fa­milien unter die Wirkung der behördlichen Radiopropa­ganda zu bringen.

Diesem Zweck dient auch die vor wenigen Tagen ge­gründete Nationalsozialistische Rundfunkkammer." Sie ver­eint alle Rundfunkorganisationen, Schaffende und Hörer, unter der nationalsozialistischen Parteidiktatur und schließt jede eigene Meinung aus dem deutschen Rundfunkwesen aus.

General oder Revolution

Hitler zwischen Junkern und Massen- Aufmärsche u. Saalschlachten Reventlow unter Vorzensur- Generäle auf dem Beobachtungsstand Berlin , den 6. Juli( Eig. Drahtbericht).

Gestern hat in der Reichskanzlei unter dem Vorsitz des Reichskanzlers eine Besprechung der beteiligten Minister und Staatssekretäre unter Hinzuziehung von Interessenten eine Be­sprechung über Maßnahmen zum Wiederaufbau der ostpreußischen Wirtschaft statt. Diese Besprechung ist eine unmittelbare Folge des Besuches des Reichs­kanzlers in Neudeck. Dort hat der Reichspräsident dem Reichskanzler dringend nahe gelegt, mehr als bisher für die Sanierung des Großgrundbesitzes zutun und den« siedelungsbolschewi­stischen" Bestrebungen in der NSDAP . zu wehren. Aus taktischen Gründen hat der Reichs­präsident seine Mahnung nicht wie im Kirchenstreit veröffentlicht, aber der Reichs­kanzler hat zusagen müssen, sofort entsprechende Aktionen vorzubereiten. Es bestätigt sich, daß der Reichspräsident infolge der gespannten Lage einstweilen nicht nach Berlin zurückkehren soll. In den Reihen der Nationalsozialisten verschärft sich der Gegensatz zwischen den Anhän­gern der nur nationalistischen Revolution, die Hitler führt, und den Verfechtern der zweifen, der sozialistischen Revolution immer mehr. Der Hauptsitz der ehrlich revolutionären Elemente ift die SA. Sie soll daher nicht nur gefiebt, sondern verkleinert werden, damit sie wieder ein zuverlässiges Instrument in der Hand des Parteiführers wird. Darum sollen einstweilen Neuaufnahmen weder in die SA. noch SS. erfolgen dürfen. Man will die verkleinerte und ge. säuberte SA. möglichst durch allerlei materielle Zugeständnisse zufrieden halten und ist über­zeugt, dann jede pufschistisch- sozialistische Bewegung mit Gewalt niederschlagen zu können.

Die sozialistischen Rundgebungen mehren sich und die Sonn­tagsrede des Reichskanzlers, die sich gegen die zweite Revolu tion wandte, hat die Unruhe gesteigert.

In den Abendstunden des Montag durchzogen unter Führung von SA.- Leuten tausende Arbeiter die Straßen von Rönigsberg und forderten in Sprechchören: Her mit der sozialistischen Revolution!"

An der Kundgebung waren auch starke Abteilungen von Bauern beteiligt. Mehrfach wurden die alten sozialistischen Kampflieder gesungen. Gegen Mitternacht war auf dem Rathausplatz eine Demonstration. Mehrere Redner forderten das Weitertreiben der Revolution, insbesondere die Ent

eignung des Großgrundbesitzes und der Großindustrie. Die Polizei hielt sich auf Befehl des Oberpräsidenten Koch zurück. Eine Versammlung der SA. in Berlin - Norden, ebenfalls am Montag, verlief stürmisch, weil die Menge sich gegen die als gegenrevolutionär empfundene Rede des Reichskanzlers in Reichenhall wandte.

Es wurde eine Entschließung angenommen, die die sofortige Jnangriffnahme des sozialistischen Vieriahresplanes fordert. Es wurde ein Ausschuß gewählt, der sich mit fämt lichen SA.- Formationen im Reich in Verbindung setzen soll, um eine gemeinsame Aktion für den Sozialismus zu er­zwingen. Die anwesenden hohen Funktionäre der Partei wurden niedergeschrien. Mehrere SA. - Stürme in Berlin werden aufgelöst

In Breslau kam es am Montag zu einer blutigen Saal­schlacht zwischen SA. und SS.

Als sich ein proletarischer SA.- Mann gegen den feßigen Kurs der Reichsregierung und Hitlers Reichenhaller gegenrevo­lutionäre Rede wandte Der Versammlungsleiter entzog dem Redner das Wort. Der Mann weigerte sich, die Tribüne au verlassen. Als die SS. auf Befehl ihn aus dem Saal be­fördern wollte, stürzte sich die SA. auf die SS. Die Schuß

polizei räumte den Saal und hielt die SS. - Leute bis lange nach Mitternacht im Saal eingeschlossen. In das Polizei frankenhaus wurden sieben SS.- Leute eingeliefert, drei da­von schwer verwundet.

Zweifellos sind in den letzten Tagen im Reiche vielmehr solcher Zusammenstöße erfolgt, als öffentlich bekannt wurden. Die Art der Vorfälle scheint zu beweisen, daß auch schon eine zentrale Führung der Opposition vorhanden ist.

Die Nervosität in der Nationalsozialistischen Parteiführung wird auch dadurch gekennzeichnet, daß auf Befehl Hitlers die von dem nationalsozialistischen Reichstagsabgeordneten Graf Reventlow herausgegebene Zeitung Der Reichswart" unter Vorzensur gestellt wurde.

Graf Reventlow muß jede Ausgabe der Zeitung vor der Drucklegung der Pressestelle der Reichsregierung zur Zensur vorlegen. Die politischen Sünden Reventlows besteht darin, daß er ein entschiedener Antiklerifaler und ein erklärter So­zialist ist, wenn er auch die marristische Begründung des So­zialismus ablehnt.

Die wachsende Unsicherheit der Lage im Reich. bie Bus spigung der Wirtschaftskrise und die zunehmende Furcht des Bürgertums vor Unruhen haben zu einem Vorstoß des Reichswehrministers, General von Blomberg. geführt.

Er hatte sehr bewegte Aussprachen mit dem Reichskanzler, dem er keinen Zweifel darüber ließ, daß die Reichswehr sich gegen anarchische Zustände wende. General von: Blomberg und andere führende Reichswehrgeneräle befürchten schwere innere Konflikte bis spätestens im Herbst und stellen sich darauf ein. Ihre Politik ist, den Reichskanzler und die mehr oder minder versorgten Teile der SA. und SS. von den So­zialrevolutionären loszulösen und der wachsenden Revolu tionsstimmung einen bewaffneten konservativ- nationalen Blod mit charitativem Einschlag für die Massenopfer der auf lange hinaus unlösbaren Wirtschaftskrise au bilden.