Innerdeutsche Machtkämpfe
Entlassung von Reichswehr - Generälen abgelehnt- SA. - Revolten setzen sich fort- Ein französisches Urteil
Berlin , 10. Juli. ( Eigener Bericht.) Der Reichskanzler hat bei seiner letzten Zusammenkunft mit dem Reichspräsidenten von Hindenburg die sofortige Entlassung von vier Generalen der Reichswehr gefordert: awei Gruppenfommandeure und zwei Divisionskommandeure. Der Reichspräsident hat diese Forderung des Reichstanzlers abgewiesen. Er hat es abgelehnt, wegen dieser Forderung Hitlers auch nur mit dem zuständigen Reichswehrminister General von Blomberg Fühlung zu nehmen, und hat kein Hehl daraus gemacht, daß die Wehrmacht und alle sie betreffenden Fragen zu seiner ausschließlichen Kompetenz gehören.
Auf einem bisher unbekannten Wege ist die Tatsache dieser Hitlerschen Forderungen der Generalität mitgeteilt worden; und eine dahingehende Anfrage des Reichswehrministers sah sich der Reichspräsident gezwungen zu bestätigen.
Das Vorkommnis hat im Offizierkorps Erregung hervorgerufen. Die„ Gleichschaltung" der Reichswehr stößt auf Schwierigkeiten.
Die SA.- Opposition gegen den neuen Kurs, der durch die Reichenhaller Rede Hitlers eingeleitet und durch seine Ausführungen vor den Statthaltern in verschärfter Form bestätigt worden ist, greift immer weiter um sich. In zahlreichen Städten, wie in Gera , Greiz , Altenburg , Zwickau , Halle, Eisleben , Stettin , ist die gesamte SA. kurzerhand aufgelöst worden. An anderen Plätzen, wie vor allem in HamburgAltona und im Ruhrgebiet , wo wegen der außerordentlichen numerischen Stärke der SA. und wegen ihrer proletarischen
Struktur die Frage nicht ungefährlich zu liegen scheint, schweben noch Erörterungen. Das Zentrum der Opposition befindet sich in Berlin . Der Chef des Stabes der SA. , Staatssekretär Röhm, ist von München nach Berlin berufen worden; Herr Röhm hat den Abgeordneten Schulz( bekannt aus seiner früheren Tätigteit als Fememörder) mit der Reglung der Berliner Verhältnisse beauftragt und hat ihm außerordentliche Vollmachten erieift. Inbesondere ist dem Kommissar Schulz die gesamte Berliner und Brandenburger SS., deren Gegensatz zur SA. bekannt ist, unterstellt worden.
Der bisherige Berliner SA.- Führer Ernst ist seines Amtes enthoben worden.
Der offiziöse Temps" hält Hitlers Stel Iung für erschüttert. Der heutige„ Temps " beschäftigt sich in seinem Leitartikel eingehend mit der Lage in Deutsch land . Die Zeitung registriert die bekannt gewordenen Vortommnisse der letzten Wochen, wie die Auflösung ganzer SA- Formationen, die Protestkundgebungen der Nationalsozialisten gegen den„ Reichenhaller Kurs", die Einrichtung von Konzentrationslagern für rebellische SA. - Leute usw. und meint dann:
" Herr Hitler wird sich sehr stark machen müssen, wenn er verhindern will, daß er nicht eines schönen Tages von feinen eigenen SA.- Lenten weggespült wird. Wird er hente diese Kraft noch befizen? Schließlich war es doch der " Führer", der diese sogenannte nationalsozialistische, alles zerstörende Welle entfesselt hat! Es ist eine blutige Illus fion anzunehmen, daß der Anstifter die von ihm gezeugte Welle einfach wieder anhalten kann, wenn es ihm gerade beliebt!"
Der„ Temps " läßt schließlich durchblicken, daß nach seiner Ueberzeugung das„ Dritte Reich " am Vorabend schwerster innerer Kämpfe steht. Er überschätzt aber wahrscheinlich die Reife dieser Entwicklung, die trotz zahlreicher Einzelrebellionen nur langsam zu größeren Aktionen führen wird.
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Der Sohn des verstorbenen Reichspräsidenten, der Redaks teur Friz Ebert, ist, wie der„ Berliner Börsen- Courier" meldet, nach langem vergeblichem Suchen aufgefunden und in Schuzhaft genommen worden. Er wird in ein Konzens trationslager gebracht werden.
Die„ Germania " meldet: Im Einvernehmen mit dem Bundesführer der NS. - Studentenschaft wurde gestern der nationalsozialistische Landtagsabgeordnete Landtagsabgeordnete Rechtsanwalt Forschbach( Dortmund ) zum Führer des gesamten Kartell verbandes der katholisch- deutschen Studentenverbindungen ( C. B.) bestellt.
Als erste Amtshandlung hat der neue Führer des G. V. den österreichischen Bundeskanzler Dr. Dollfuß und die übrigen Mitglieder der österreichischen Bundesregierung wegen ihrer reichsfeindlichen Haltung aus dem E. V. auss geschlossen.
Die Kirche beugt sich
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Der Abschluß des Konkordats Die katholischen Priester dürfen künftig kein Wort mehr gegen den Hitler- Terror sagen Weder im Amt, noch privat
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Die Paraphierung des Reichskonkordats ist Samstag aben Die Quittung an das Zentrum
6 Uhr durch Kardinalstaatssekretär Pacelli und Vizekanzler v. Papen im Vatikan vollzogen worden. Zu der endgültigen Unterzeichnung wird der Vizekanzler, der heute abend Rom wieder verläßt, in zwei bis drei Wochen nach Rom zurückfehren. Die Veröffentlichung des Reichskonkordates wird erst nach seiner Unterzeichnung erfolgen. Das Ergebnis der achttägigen Verhandlungen, die von Anfang an auf beiden Seiten im beften Geist geführt worden sind, ist auch im Vatikan mit größter Befriedigung" aufgenommen worden. Hitler erläßt die folgende Verfügung:
Durch den Abschluß des Konkordates zwischen dem Heiligen Stuhl und der deutschen Reichsregierung erscheint mir ge= nügende Gewähr dafür gegeben, daß sich die Reichsanges hörigen des römisch- katholischen Bekennt nifies von jegt ab rüdhaltlos in den Dienst
In Saarbrüden eingetroffene Flüchtlinge berichten, daß Freitag in Wattenscheid ( Ruhrgebiet ) eine Stadtratssigung stattfand. Vor Eintritt in die Tagesordnung erklärte der Führer der dortigen NSDAP., daß die Zentrumsfrattion fein Recht mehr habe, an der Sigung teilzunehmen! Es wurde erklärt, daß die NSDAP . selbst die neuen Stadtvers ordneten an Stelle der bisherigen Zentrumsvertreter be stimmen werde, da feiner der bisherigen Zentrumsfrattion mehr das Recht haben werde, im Stadtrat zu erscheinen. Die Zentrumsfrattion mußte den Sizungss jaal verlassen!
bes neuen nationaliosialistilen Staates Müller bläst zum Şammeln
#tellen werden.
Ich ordne daher an:
1. Die Auflösung solcher katholischer Organisationen, die durch den vorliegenden Vertrag anerkannt sind und deren Auflösung ohne Anweisung der Reichsregierung erfolgte, find sofort rückgängig zu machen.
2. Alle Zwangsmaßnahmen gegen Geistliche und andere Führer dieser fatholischen Organisationen find aufzus heben. Eine Wiederholung solcher Maßnahmen ist für die Zukunft unzulässig und wird nach Maßgabe der bestehenden Gefeße beftraft.
Ich bin glücklich in der Ueberzeugung, daß nunmehr eine Epoche ihren Abschluß gefunden hat, in der leider nur zu oft religiöse und politische Interessen in eine scheinbar unlösliche Gegenfäglichkeit geraten waren.
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Der volle Wortlaut des Konkordats soll erst in vierzehn Umrisse ganz deutlich. Unter Druck und Terror gefeßt, he
Tagen veröffentlicht werden. Aber schon jest zeigen sich seine
stürmt von den deutschen Kirchenfürsten, hat sich der Vatikan
gefügt, genau so wie gegenüber Mussolini . Der Unterschied
besteht nur darin, daß hier der Konflikt mit der Kirche ein Jahr währte, während man mit Hitler- Deutschland schon nach kurzer Verhandlung einig wurde. Der römische Korrespondent der Germania " will wissen, daß die Bekennt nisschule, der Religionsunterricht unter der Leitung der Kirche, das Recht der Kirche auf Erhaltung der freien Betätigung und kulturellen Verbände gesichert sind. Die Konkordate mit Bayern , Preußen und Baden werden aufrecht erhalten. Wesentliche Bestimmungen des badischen Kontorbates werben fünftig auf Württemberg , Hessen und Sachsen ausgedehnt.
Aber das ist nicht das Entscheidende. Aus Hitlers Verfügung geht deutlich hervor, daß der Terror gegen katholische Priester, geduldet von der nationalsozialistischen Führung, seinen Zweck erreicht hat: die offizielle Liquidation des politischen Ratholigismus, also der 3entrumspartei, unter päpstlichem Segen. Die Priester haben sich aus Seelsorgern in Mithelfer am nationalsozialistischen Staat zu verwandeln. Weder in Ausübung ihres religiösen Amts, noch in Privatgesprächen dürfen sie fünftig ein Wort der Kritik gegen den Hitler- Terror wagen. Sie dürfen Gottes Wort lehren, aber sie müssen schweigen, wenn sie die Durchführung der christlichen Sittengebote im Hitler- Slaate verlangen.
Die gesamte fatholische Presse ist gänzlich verstummt. Sie gibt das Zentrum wortlos und widerstandsIo8 preis. Sie ist damit zufrieden, daß wenigstens die katholischen Verbände, wenn sie sich auf religiös- ethische Aufgaben beschränken, ein Scheinleben führen dürfen.
Das katholische Deutschland begrüßt mit Freude das neue Reichskonkordat und hat den sehnlichen Wunsch, daß durch dasselbe eine Aera harmonischer Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Neich und dem Heiligen Stuhl eingeleitet werden möge.
So schreibt ein Zentrumsblatt im Saargebiet, die„ Saarbrücker Landeszeitung". Das ist der jämmerliche Schlußstrich unter die Geschichte der Zentrumspartei , die heroisch begann und sich selber auflöfte. Das ist das Echo auf den Verzicht allen fatholischen Eigenlebens außerhalb des religiösen Bereichs! Man freut sich und begrüßt" es... Der Papst ist einverstanden! Alles ist in Ordnung!
Weh dem, der nicht pariert
Wehrkreispfarrer Müller erläßt folgenden Aufruf an die Gemeinden der altpreußischen Landeskirche:
" Der Kommissar für die Evangelische Landeskirche in Preußen hat mir das Recht der obersten Leitung der Evan gelischen Kirche der Altpreußischen Union
übertragen. Ich übernehme die Leitung des evangelischen Oberkirchenrates in der festen Zuversicht, daß ich auch an dieser Stelle dazu beitragen kann, das begonnene Einigungswerk der deutschen evangelischen Kirchen im Sinne der kirchlichen Selbsthilfe so rasch wie möglich zu Ende zu führen. Das evangelische Kirchenvolk wartet allerwärts auf den Bau der deutschen Evangelischen Kirche. Darum ist jetzt vordringliche Pflicht, die Verfassung, die dem Leben dieser Kirche Form und Regel geben soll, in fürzester Frist fertigzustellen. Diese Bauarbeit gelingt nur, wenn sie in Einmütigkeit und stiller Sammlung geschehen kann. Alle Störungsversuche durch unsachliches Reden und Handeln sind jetzt nicht mehr zu verantworten. Es müssen jezt alle, die Presse eingeschlossen, zusammenstehen.
Ich rufe die Glieder unserer Kirche auf, in treuer Fürbitte sich unter mich und meine Mitarbeiter zu stellen.
In der legten Zeit waren mehrfach Gerüchte aufgetaucht, baß es beabsichtigt sei, Ostpreußen vom preußischen Staate zu trennen und unter einem Reichsstatthalter zum Bundess land zu machen. Ministerpräsident Göring erklärt dazu, daß dieser Gedanke nicht einmal ausgesprochen werden dürfe. Es gebe keine Loslösung Ostpreußens in irgend einer Form vom preußischen Staate, und Verbreiter ders artiger Gerüchte würden sofort strafrechtlich belangt werden.
Der wachsame Daladier
Ein Hüter des ,, humanen Gewissens" gegen Hitler Deutschland Erfolge der französischen Politik in West und Ost- Lob für SowjetRußland
Am heutigen Sonntag haben dret französische Minister in der Provinz Neden gehalten. Es sprach in Apt im Departes ment Baucluse Ministerpräsident Daladier , in St. Aignan im Departement Loir- et- Cher Außenminifter Paul Boncour und im Departement Allier Budgets minister 2 amoureng.
hat eine Art Rechenschaftsbericht über die Innens und die Außenpolitik seiner Regierung gegeben. Er erklärte, daß er den französischen Franken verteidigen wolle und die Negies rung das Parlament im Monat Oktober auffordern werde, mit einer endgültigen Sanierung der Finanzen das notwendige Wert des öffentlichen Heils zu krönen.
Das Defizit seiner( rechtsradikalen) Vorgänger habe er um mehr als 10 Milliarden herunterges drückt, und nunmehr falle seiner Regierung die Auf: gabe zu, die finanziellen und wirtschaftlichen Probleme der Zukunft in einem Geiste allgemeiner Gerechtigkeit zu vollenden, wobei er jedoch in schroffer Weise jedem Drud von außen her wie von der Straße entschieden ablehnte. Was die Außenpolitik seiner Regierung anbetrifft, so führte der französische Ministerpräsident aus, er glaube, daß feine Regierung mit Wa chamkeit die großen Interessen
Frankreichs und des Friedens verteidigt habe. 3m
Mittelpunkt dieser Politik habe der Völkerbund ges standen, und man habe entschlossen jede Politik der Jolierung des Nationalismus und der Illufionen abgelehnt.
Wenn sich im internationalen Leben ein humanes Problem ftelle, habe die französische Regierung ftets ihre Stimme ertönen lassen, die getreu sei dem Geiste der Freiheit und der Gerechtigkeit. So habe jüngst vor dem Völkerbundsrat der Vertreter Frankreichs den notwendigen Protest des humanen Gewissens zum Ausdruck gebracht( gegen Hitlerdeutschland. D. Red.).
Auf die Abrüstungsbebatte übergehend, erklärte Daladier, daß Frankreich ernste Beweise seines Willens, die Rüstungen herabzusehen, ohne das Ergebnis der Arbeiten der Abrüftungskonferenz abzuwarten, gegeben habe. Frants reich freue fich, daß die Sowjetregierung einen Fortschritt dadurch ermöglicht habe, daß sie den Begriff des Angreifers formulierte. Daß die Abrüftungskonferenz jegt vertagt wurde, sei nicht auf Frankreich zurückzuführen; denn seine
Stellungnahme sei flar. Es sei bereit, an der Abrüstung teilzunehmen, wenn sie gemeinsam durchgeführt werde; aber es wolle die Sicherheit haben, daß die Abrüstung teinen Hinterhalt bedente. Dess halb fordere es eine ernst e, ständige, mobile und automatische Kontrolle, die sich ausdehne auf die Fabrikation und den privaten Handel mit Waffen. Der französische Ministerpräsident verwies alsdann auf den Biererpatt hin, den Frankreichs Alliierte von der Kleinen Entente und Belgien gebilligt hätten und der als der Abschluß einer Politik bezeichnet werden könne. Frants reich wolle die Aussprache mit einem großen Nachbarn( ges meint ift Italien ), von dem man zu lange durch Meinungsverschiedenheiten getrennt gewesen sei, fortseßen.
Daladier lobte auch den mit Sowjetrußland abgeschlossenen Nichtangriffspakt und wies darauf hin, daß mit Rußland durch die Militärattaches und durch nügliche Besprechungen wirtschaftlicher Art ein Meinungsaustausch herbeigeführt wurde, von dem man für die beiden Länder ausgezeichnete Ergebnisse erwarte. Schließlich betonte der Ministerpräsi dent die guten Beziehungen zu den Vereinigten Staaten und zu Großbritannien . Frankreich wolle nicht nur seine eigene Freiheit garantieren, sondern auch die Unabhängigkeit aller Bölter sicherstellen.
wies in seinen Ausführungen ebenfalls wie Daladier auf die Friedenspolitik Frankreichs hin und hob hervor, daß es gewillt sei, die Ententen zu erweitern und den Frieden zu konstruieren.
In diesem Gedankengang erwähnte er den Vierers pakt sowie den osteuropäischen Nichtangriffss pakt und den Patt, der in London jezt unterzeichnet wurde, um den Begriff des Angreifers zu firieren. Folgen werde ein baltisches Abkommen und vielleicht noch andere Abkommen mit Staaten, die die französische Diplomatie bereit sei durch einen direkten oder ins direkten Beistand zu unterstützen.
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