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DAS BUNTE BLATT

Solnische Dörfer rebellieren

Furchtbare Not der Bauernschaft im ehemaligen Galizien  

In einer ganzen Reihe von Dörfern Galiziens   hat es in den letzten beiden Wochen schwere, blutige Unruhen ge­geben. Die amtlichen polnischen Berichte haben nach und nach zwanzig Tote und mehr als hundert Verletzte zu gegeben Nach Darstellungen, die in Polen   der Zensur ver fielen, scheint die Zahl der Opfer noch wesentlich höher zu sein.

Die Gegend, in der sich diese Vorgänge abspielten, ist rein polnisch besiedelt. Die Spannung zwischen Polen  und Utrainern, die in den letzten Jahren mehrfach zu blutigen Ausbrüchen führte, hat also mit den jetzigen Un­ruhen nichts zu tun. Die amtlichen Polizeiberichte führen die Revolte der Landbevölkerung gegen Steuereinnehmer, Guts­förster und Polizet, mit der die Kämpfe diesmal begannen, auf die Agitation der illegalen Kommunistischen Partei und der oppofitionellen demokratischen Bauernbewegung zurüd. Aber diese Darstellungen deuten mit keinem Worte an, warum eine solche Agitation hier solche Wirkung tun fonnte. Die furchtbare Not der osteuropäischen Bauernbevölkerung ist ein allzu gefährliches Thema. Die westlichen Bezirke des ehemaligen österreichischen Kronlandes Galizien   sind alter revolutionärer Boden. Noch lebt in der Erinnerng des pol­nischen Adels der Schrecken von mehr als einem Bauernauf­stand fort, der dort in vergangenen Jahrhunderten ge­tobt hat.

Nirgends in Polen   ist der Gegensas& wischen Groß und Kleinbesis auf dem Lande so schroff. Die Bauernfamilien find finderreich, das Erbrecht fieht die freie Teilbarkeit des Bodens vor. Die Folge ist, daß neben den Riesengütern der Magnaten immer mehr kleine und

kleinste Zwergbesize unter zwei Hektar bestehen. Mittlere Besitzgrößen fehlen dagegen in Galizien   fast ganz. Vielleicht ist das Elend der Kleinbauern in den ehemals russischen Bezirken Ostpolens teilweise noch trauriger. Aber dort ist bie ukrainische und weißrussische Dorfbevölkerung aus der Zeit der Zarenherrschaft gewöhnt, vieles geduldig zu er tragen; es muß schon eine langandauernde Hungersnot oder offene Gewalttaten der Regierenden geben, ehe es in den an die Sowjetunion   grenzenden polnischen Provinzen zu

Unruhen kommt. Aber der galizische Bauer hat in dem halben Jahrhundert vor dem Weltkrieg unter österreichischer Herrschaft doch etwas wie die Anfänge einer Entwicklung fennengelernt, die ihm ein Gefühl von Menschenwürde und den Willen zur Mitbestimmung des eigenen Schicksals gab. So empfindet er es als ein Unrecht, daß jetzt derselbe Staat, der ihn in der Agrarkrise dem Schicksal schlimmster Ver­elendung überläßt, trotzdem noch schwere Anforderungen an ihn stellt und ihm gerade in der Vorerntezeit, da Kisten und Scheunen leer sind, den Steuereinnehmer in die Hütte schickt. Man muß sich dabei vorstellen, wie es in dieser Hütte aussieht. Die Preise für seine Produkte, die der polnische Bauer in den letzten Jahren erhält, sind so niedrig, daß man dafür in den Städten des Landes so gut wie gar nichts taufen tann. Wäre die strohgedeckte Hütte nicht sein Eigen­tum, hätte der Bauer nicht etwas Kraut und Kartoffeln eigenen Anbaus, er müßte mit seinen Angehörigen schon längst zugrunde gegangen sein. Was Bargeld kostet, ist für das polnische Dorf im allgemeinen unerschwinglich ge­worden. Statt Petroleumlampen brennt man wieder Rien fackeln, statt Kochsalz braucht man Viehsalz, selbst Zündhölzer sind auf dem flachen Lande kaum mehr abzusehen. Das ländliche Genossenschaftswesen, seitweise schon intensiv freut. Ich wollte doch so gerne ganz braun brennen. Das ist Organisationen sind erst recht verfallen: soweit fie regie­rungstreu sind und von den Verwaltungsbehörden gefördert werden, können sie sich nicht gegen die allgemeine Miß­stimmung behaupten; find sie oppositionell, so unterliegen

ſie dem doppelten Druck der amtlichen Schikanen und der Wunder, daß die illegale Agitation der Kommunisten unter der verzweifelten und desorganisierten Kleinbauernschaft hie und da Fuß faßt? Die angeblichen revolutionären Aktionen", die die Kommunisten dann örtlich hervorrufen, bringen ihren Anhängern gewiß auch keine Besserung der Berhältnisse. Sie führen zu politischen und militärischen Gegenaktionen, blutiger Unterdrückung der Verzweiflungs­ausbrüche und neuem Versinken der Bauernschaft in pöllige politische Teilnahmslosigkeit.

wirtschaftlichen Not. Ist es unter solchen Umständen ein

Die Sommerbräune

Der Buchhaltergehilfe Bukaschkin stürzte ins Zimmer und rief ausgelassen, indem er seiner Frau seine gespickte Brief­tasche vor die Nase hielt: Anitschka, mein Engel! 800 Rubel! Vorschuß und Urlaub von morgen an! Pack unsere Sieben­sachen! Morgen geht es los! Nach Sotschi  !"

" Morgen schon?" fragte Anitschka besorgt. So schnell? Es ist doch noch so viel zu besorgen!"

Vormittags besorgen wir alles Nötige, kaufen die Fahr­farten und los!" erklärte Bukaschkin kategorisch. Also: 100 Rubel für die Reise, 100 Rubel für den Aufenthalt dort und 100 Rubel für unvorhergesehene Ausgaben und Einkäufe. Ich glaube, es wird reichen. Denk dir doch bloß: Den ganzen Tag am Strand! Meer, Sonne, Palmen, hols der Teufel!"

Ach, wie entzückend, das Meer!" verdrehte Anitschka die Augen. Ich kann mir denken, was man dort für Badeanzüge trägt! Und wie braun ich dort werde! Braun ist ja jetzt modern! Palmen- sagst du? Aber gibts dort nicht Tiger?"

Nein, dort gibts feine Tiger," beruhigte sie ihr Gatte, und wenns auch welche gibt, so beißen sie nicht. Mit einem Wort ein herrliches Land!"

Am nächsten Morgen gingen sie, ihre Einkäufe zu er­ledigen.

Ich brauche vor allem zwei Paar Badehosen und ein Paar Sandalen," erklärte Bukaschkin, während er Arm in Arm mit seiner Frau ging. Dann ein Paar dünne Hemden. ** Sonst nichts."

Ja, ich glaube, mehr brauchst du auch nicht," bemerkte Anitschka. Ich werde für mich auch nicht viel ausgeben, ich werde nur das Allernotwendigste kaufen. Erstens: 3wei Paar Sandalen. Auf der Rusneßistraße sah ich weiße, sie sehen ganz wie römische aus. Eine entzückende Fasson! Dann brauche ich drei Badeanzüge, einen hellblauen, einen gelben und einen rosa. Uebrigens nein, ich bin blond und Gelb kleidet mich nicht. Ich werde mir einen roten und einen schwarzen kaufen. Und dann zwei weiße Kleider. Ich werde doch nicht die ganze Zeit im Badeanzug herumlaufen. Na,

und dann natürlich einen Schal und einen Hut."

Wozu brauchst du denn zwei weiße Kleider?" fragte Bu kaschkin verwundert.

" Ja, wie denn sonst? Vielleicht gehen wir in ein Konzert oder ins Theater, ich kann doch da nicht eins von meinen Reisekleidern anziehen. Uebrigens, ich werde sehen. Viel leicht kaufe ich mir nur ein weißes und ein beigefarbenes." Das Ehepaar ging von einem Geschäft ins andere, wühlte aufgeregt in den Waren, feilschte bis zur Heiserkeit, und stürzte weiter, mit Pateten beladen.

Bukaschkin brummte erst über die unproduktiven Aus­gaben, erwähnte sogar das Sparsamkeitsregime, aber dann wurde er selbst mitgerissen: er holte immer neue Tscher­wonezbündel aus der Brieftasche, steckte den Rest in die Taschen, ohne nachzuzählen, und murmelte besorgt;

Von N. Karpow

Anitschka, sich zu, daß du nichts vergißt, sonst wirst du dafür in Sotschi   das Dreifache bezahlen. Brauchst du viel­leicht einen Schirm? Ach ja, Schirme sind ja jezt nicht mehr modern... Schau, was für ein reizender Schal!"

Wie Packesel beladen landeten sie schließlich ganz erschöpft am Bahnhofsschalter.

" Jetzt noch die Fahrkarten und dann nach Hause!" er= klärte pustend Bukaschkin. Er legte die Pakete auf die Bank, holte seine Brieftasche hervor, öffnete sie und stotterte ver­wirrt:

Anitschka, ja, was ist denn bas?"

Was ist denn los?" fragte fie besorgt.

Drei Rubel... So... Ein Rubel... Noch ein Rubel..." murmelte er und stöhnte plötzlich: Aus! Infer Geld ist dahin! Alles vergendet! Ein Fünfer ist nur noch da! Und du bist an allem schuld!"

" Ich?" empörte sich Anitschka. Du bist wohl ganz von Sinnen? Du hast es doch selbst ausgegeben! Warum hast du nicht das Reisegeld zurückgelegt? Da hast du Sotschi  ! Du unpraktischer Idiot!"

" Nach Hause!" zischte Bukaschkin wütend und sammelte die Pakete zusammen. Schweigend legten sie den Weg zurüd, einander vernichtende Blicke zuwerfend. Als sie die Woh­nung betraten, schleuderte Bukaschkin die Pakete auf den Fußboden und schrie:" So! Da hast du deine Strümpfe, Röcke, Kleider und die übrigen Herrlichkeiten! Und wegen dieser Schmarren verliert ein arbeitender Mensch seine gefeßliche Erholung, die ihm nach der Arbeitsgesetzgebung zufommt. Ist das nicht lächerlich? Die Palmen, das Meer alles zum Teufel!"

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Anitschka warf sich auf das Sofa und begann zu schluchzen. Bukaschkin ging schweigend auf und ab und fluchte leise vor sich hin. Schließlich beruhigte er sich und sagte sanft: Anitschka! Laß das Weinen. So fahren wir halt nicht hol sie der Teufel, diese Reise! Wir werden uns auch zu Hause erholen. Im Grunde genommen, was ist eigentlich

das Meer? Nicht der Rede wert. Sieh mal, wieviel neue Sachen du dafür hast!"

" Ja, aber die Bekannten werden uns doch auslachen," schluchzte Anitschka. Ich habe doch schon allen erzählt, daß wir nach Sotschi   reisen. Ich habe mich schon so darauf ge­ausgebaut, liegt heute hilflos danieder. Die politischen

jest so modern."

Das ist nicht so schlimm," tröstete sie der Gatte, morgen früh ziehst du deinen Badeanzug an und setzt dich auf den Balkon, dort kannst du dich auch von der Sonne braun braten lassen! Der Balkon geht freilich auf den Hof hinaus, die Luft ist dort auch nicht erstklassig, aber nichts zu machen! Dafür wirst du aber ganz braun werden!"

Anitschka hob den Kopf und lächelte unter Tränen... ( Aus dem Russischen übertragen von Nina Stein)

Der scfineffste D- Zug der Weft 150 Kilometer in der Stunde

Nachdem vor kurzem die Reichsbahn durch die Inbetrieb nahme des Fliegenden Hamburgers" einen neuen Rekord für Triebwagen aufgestellt hat, ist es jetzt gelungen, auch D- Züge mit fast ebenso großer Geschwindigkeit wie den Schnelltriebwagen zu fahren. Auf der neu elektrifizierten Strecke München  - Stuttgart   veranstaltete die Reichs­bahn kürzlich mit einer neuen elektrischen Lokomotive und einem aus sieben Wagen bestehenden D- 3ug Versuchs­fahrten, bei denen eine Höchstgeschwindigkeit von 151,5 ilometer je Stunde erreicht wurde. Der Zug wog 400 Tonnen und führte einen Meßwagen mit, in welchem die Fahrtergebnisse aufgezeichnet wurden. Bemerkenswert ist, daß der Zug innerhalb von 2 Minuten vom Stillstand auf eine Stundengeschwindigkeit von 110 Kilometer beschleunigt werden konnte.

Die neue Lokomotive, die mit neun anderen gleicher Bau­art von der Reichsbahn   und der AEG. entwickelt wurde, Ieistet 3000 PS. und wiegt 92 Tonnen, ist also leichter als eine Dampflokomotive geringerer Leistung. Auf Grund der günstigen Ergebnisse mit dieser neuen Type ist eine zweite Serie von neuen Einheiten bei demselben Hersteller in Aufs trag gegeben worden.

Ein Mammutsafin gefunden

In 3öhing bei Langenlois   wurde für einen Neubaut Erde ausgehoben. Dabei fanden die Arbeiter einen Mammutzahn von 92 Zentimeter Länge und 16 Zenti­meter Breite. Leider war der Zahn in drei Teile zer­brochen. Man nimmt an, daß an der Stelle noch andere Funde gemacht werden.

Bayrische Geschichten Biersuppen

Als ich zum ersten Male nach meiner Heimkehr in das Dorfwirtshaus ging, bekam ich alle möglichen Fragen über Berlin   zu hören, über die merkwürdigen, ja ganz merk würdigen Dinge", die es in Berlin   geben solle.

" Sagn's," fragte der junge Toni, is wahr, daß in Berlin  a Biersuppn essen?"

A geh," rief Kurbl dazwischen, so was tann's doch gar net gebn, so blöd is doch koaner, daß er a Bier einaschütt in a Suppn, statt das er's so sauft, wo's doch so gut schmeckt." " Doch," erwiderte ich, Biersuppe wird in Berlin   häufig gegessen."

Und da schütt ma wirklich an ganz richtigs Bier in die Suppn eina?"

"

#Ja." Ah, dös wird halt so a Berliner   Bier sein." Natirli, so a Berliner   Gsöff, um dos is eh net schad." ,, A, da hams ja tei A Bier is doch, und schad is doch."

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Malz drin in dem Bier.  "-" Und Hopfn a net."

Es gibt," sagte ich, auch Feinschmecker, die nehmen für die Biersuppe nicht Berliner   Bier, sondern echtes Löwenbräu." Echtes Löwenbräu?"

" In die Suppn eina?"- Gibts denn dös a?"

Und einmal bekam ich," fuhr ich fort, im Hause eines reichen Bankdirektors eine Biersuppe, die war aus echtem Salvator gemacht."

Herrgott sakre, ausfm echten Salvator!" " Ja," sagte der alte Jäger, der bis dahin geschwiegen hatte, die Preißen, die ham halt teine Jdeale nicht."

Karl Valentin Karl Valentin  

hat bekanntlich die ganze Welt bereist, mit Ausnahme von Amerika  , Asien  , Afrika  , Australien   und der­jenigen Gebiete Europas  , die nicht zu Bayern   gehören.

Außerdem war er einmal in Wien   und ein paarmal in Berlin  .

Er leidet an Plaßfurcht, Erwartungsneurose, Angstzu­ständen. Außerdem ist er Hypochonder en gros; er müßte ja fein großer Komiker sein.

Reisen ist darum nicht seine Sache. Diesmal ist es der ver­einigten Ueberredungsgabe von Kurt Robitschek   und Paul Morgan   gelungen, ihm die Reise nach Berlin   plausibel zu

machen.

Am Schalter des Münchener   Hauptbahnhofs verlangt er die Fahrkarten für sich und Liesl Karlstadt  .

Für den Nachtzug?" fragt der Beamte. Naa, naa," antwortet entsetzt Karl Valentin  , für den Tag.  - Bei der Nacht fahr i net! I muaß doch sehn, wo der hinfährt!"

Nochmal: Valentin

Karl Valentin, Münchens Lokalphilosoph, ist schwer aus der bayrischen Ruhe zu bringen. Einmal aber, als ein Kabarettgewaltiger die Gagendruckschraube gar zu mächtig ansetzte, geriet Valentin außer Atem, gelangte mühselig wieder zu demselben und brüllte den Direktor an:

Und dees merkens Ihna  , Herr: Sie sind nicht von mir

abhängig, sonder ich von Ihnen!! Hams verstanden?!...

Widerruf

In Nr. 206 vom 7. September 1980 des Oberbayrischen Gebirgsboten" findet sich folgende reizende Anzeige: Widerruf: Da man sich nachts täuschen kann, nehme ich die Behauptung gegen Frau Maria Celling zurück und erkläre hiermit, daß es möglich ist, daß es nicht der Weiß­steiner Sepp, sondern ein anderer gewesen sein kann. Therese Did