Ein mißlungenes Bubenstück

Die Bezüge des Gewerkschaftsführers Leipart- 4000,, Mark " Monatseinkommen- Im Jahre 1921

Das halbamtliche Conti- Büro verbreitet folgenden Brief des Gewerkschaftsführers Leipart , den es mit hämischen Glossen über die mangelhafte Opferbereitschaft der Ge­werkschaftsbonzen begleitet:

An den

Stuttgart , den 4. Januar 1921.

Vorstand des Allg. Deutschen Gewerkschaftsbundes

Berlin .

Leider bin ich genötigt, auf die materiellen Bedingungen meiner neuen Stelle dasselbst mehr Gewicht zu legen, als ich dies sonst in meinem Leben bisher getan habe. Nach Mit­teilung des Genossen.... würde ich bei der Uebernahme des Amtes in ein Monatsgehalt von 2540 Reichsmark ein­treten. Das wäre eine erhebliche finanzielle Verschlechte­rung für mich-- und für meine Frau.

Ich habe hier jetzt folgendes Einkommen:

vom Holzarbeiterverband Nuhegehalt als Minister a. D.

2120 Rmf. 1320 Rmf. zusammen: monatlich 3440 Rmf. Hinzu kommt noch meine Aufwandsentschädigung als Landtagsabgeordneter, die im Monat 450 RM. zuzüglich 25 RM. für einen Sizungstag ausmacht. Die Gewährung des Ruhegehalts besteht noch auf altem Gesetz; das in der jetzigen württembergischen Verfassung vorgesehene neue Gesez für die Pensionsansprüche der parlamentarischen Minister ist noch nicht gemacht. Der Pensionsanspruch nach dem Recht, ist mir bei Uebernahme des Ministerpostens im Sommer 1919 zugesagt worden, ich habe daraufhin aus diesem und auch aus allgemeinen Gründen meine Ansprüche an die An­gestellten- und Invalidenversicherung an die Unterstüßungs­vereinigung und auch an die Krankenversicherung damals aufgegeben. Rechtlich bin ich nun zwar nicht verpflichtet, bei meinem Wegzug aus Württemberg auf das Ruhegehalt zu verzichten. Das käme nur in Frage, wenn mein Gehalt in der neuen Stelle mit dem Ruhegehalt zusammen mein frühe­res Ministergehalt übersteigen würde. Aber moralisch würde nach meiner Auffassung das Ansehen des Vorsitzenden des Gewerkschaftsbundes beeinträchtigt sein, wenn ich in Berlin neben dem Gehalt noch die württembergische Ministerpension beziehen wollte. Diese Meinung werdet auch Ihr teilen.

Juden raus!"

Massenentlassungen im Kaufhaus Joseph

Von den rund 500 Angestellten des Kaufhauses W. Jofeph in Berlin- Neukölln waren etwa hundert Juden. Auf An­ordnung der NSBO. des Betriebes wurden im Mai sämt­liche jüdischen Angestellten fristlos entlassen. Als der In­haber der Firma Wilhelm Joseph sich weigerte, dieser Anordnung nachzukommen, wurde SA. in das Geschäft ge­holt, die die Entlassung erzwang. Herr Joseph bemühte sich vergebens, die Wiedereinstellung des jüdischen Personals zu erreichen. Nur bei fünf Abteilungsleitern, die für die Weiterführung des Unternehmens unentbehrlich waren, ge= lang ihm dies. In den übrigen Fällen war bisher ein Er­folg unmöglich, weil zwei Mitglieder der Nazibetriebs­zellen ihre Unterschrift verweigerten. Und recht bezeichnend für die Situation ist es, daß einer von diesen beiden ein 17jähriger Lehrling der Firma Wilhelm Joseph ist.

Hilfe für unsere Berfolgten!

Das Verbot unserer Partei durch die Faschisten wird eine neue Terrorwelle über unsere bisher noch tätigen Funktionäre hervorrufen. Um dem Blutterror dieser Ver­brecher zu entgehen, wird mancher seinem Vaterland den Rücken fehren müssen.

An diesen Kämpfern aus unsern Reihen muß werktätige Solidarität geübt werden.

Jeder, der es noch einigermaßen fann, wird gebeten, sein

Scherflein für diese Hilfe zur Verfügung zu stellen.

Geldspenden sind nur auf das Posticheckfonto Nr. 796

Daraus ergibt sich dann aber, daß sich meine Haushalts rechnung von jezt über 4000 RM. zukünftig auf 2540 RM. monatlich verringert, wozu die immerhin noch etwas teuere Lebenshaltung in Berlin obendrein mit in Kauf genommen werden muß.

Ich sehe nun wohl ein, daß ich neben dem großen Opfer des Wegzugs von Stuttgart auch noch ein finanzielles Opfer bringen muß, wenn ich Eurem Rufe folgen will. Und für meine Person bin ich, nachdem ich einmal Ja gesagt habe, auch hierzu bereit. Ob es aber möglich sein wird, meinen Haushalt zufünftig mit dem gebotenen Gehalt im Gleich­gewicht zu halten, erweckt angesichts der heutigen Preisver hältnisse auch bei mir einige Zweifel.

Es würde meiner Frau und mir der Abschied von Stutt­ gart etwas erleichtert, wenn es Euch möglich wäre, hier noch einen Ausgleich zu finden. Jedenfalls wäre ich Euch dankbar, wenn Ihr zu der Frage in einer der nächsten Sizungen Stellung nehmen und mir die Ansicht des Vor­standes mitteilen würdet.

Frdl. Grüße! gez. Th. Leipart.

In einem Brief vom 30. 1. 1921 schreibt er: ,, Auf meine Frage, wie es mit einer Berufung in den Reichswirtschaftsrat steht, habe ich noch keine Antwort. Es wäre doch erwünscht, daß ich den Freifahrschein nach hier her( Stuttgart D. B.) zugesandt erhielt, um ihn gleich für die Reise nach Berlin benutzen zu können.

Im Vertrauen auf die Allzuvielen, zumal sehr jungen Leute, die nichts mehr von der Inflation wissen, wird verschwiegen, daß aus diesem Brief aus dem Jahre 1921 von Papiermark die Rede ist.

Am 3. Januar 1921 stand der Dollar auf 74,50 Papier mark. Legt man aber beispielsweise die amtliche Goldumrechnungs- Tabelle zugrunde( welche den Markwert nach dem arithmetischen Mittel von Dollar­index und Großhandelsinder bemißt), so waren in der Zeit vom 1. bis 10. Januar 1921 100 Papiermark gleich 6,05 Goldmark; ein Einkommen von 4000 Mark monat­lich hätte nach dieser Tabelle damals also einen Wert von 242 Goldmark gehabt.

An alle Selbstmörderkandidaten Die Nazis organisieren Selbstmörder, um nationale Helden zu schaffen

Die österreichische Regierung veröffentlicht ein national­sozialistisches Geheimdokument, das nicht nur zu Sabotage­akten auffordert, sondern den bisher wohl noch von keiner politischen Partei aufgestellten folgenden Punkt enthält: ,, Aufforderung an alle Selbstmörder, sie sollen sich doch, wenn sie schon abfahren wollen, einen Heldentod suchen und immer ein paar Schuldige ihrer Not mitnehmen. Bei geschickter Auf­machung dieser Propaganda fann man die Personen, die daran kommen sollen, schon richtig in den Vordergrund

rücken."

Daß dieses Vorgehen Methode hat, kann man kaum ab­streiten, und nennt man es Wahnsinn, so täuscht man sich über die Organisationsfähigkeit der Nazis. Selbstmörder aller Länder, vereinigt euch zum Ruhme Hitlers , ist die neue Devise.

Verantwortlich: für die Redaktion Joh. Piz; Inserate Hubert Jüttner. beide in Saarbrücken . Druck und Verlag: ..Volksstimme" G. m. b H., Saarbrücken , Schüßenstraße 5.

Die

,, Deutschfie Freiheit"

der Spds. Saarbrüden oder bei den nachstehenden An muß man regelmäßig lesen

nahmestellen einzuzahlen:

Bezirksbüro der Arbeiterwohlfahrt,

Saarbrücken 1, Hohenzollernstraße 45;

Buchhandlung der Volksstimme", Saarbrücken 3, Bahnhofstr.;

Buchhandlung des Neunkircher Echo",

Neunkirchen , Hüttenbergstraße 43;

Abonnieren Sie sofort!

Expedition der Volksstimme", Saarbrücken 3, Schüßenstr. 5; Besteffschein:

Parteisekretariat der SPDS., Saarbrücken 3. Brauerstr. 6–8; Bezirksbüro des Bergbauindustriearbeiterverbandes. Saarbrücken 2, Sophienstraße 23;

Büro des Bergbauindustriearbeiterverbandes in Fraulautern, Saarbrücker Straße 47: Büro des Bergbauindustriearbeiterverbandes in Jllingen, Heusweiler Straße 22; Büro des Bergbauindustriearbeiterverbandes in Neunkirchen , Hüttenbergstraße 43; Büro des Bergbauindustriearbeiterverbandes in St. Wendel, Karlstraße 14;

Büro des Bergbauindustriearbeiterverbandes

in Sulzbach , Hammersberg 1.

Helft nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten. Auch Bekleidungsgegenstände, Bettwäsche niw. werden ents gegengenommen, sind aber nur bei der Annahmestelle der Arbeiterwohlfahrt, Saarbrücken 1, Hohenzollernstraße 45, abzugeben.

Trotz Verbot geht der Kampf für den Sozialismus weiter. Erst die restlose Vernichtung des Faschismus bedeutet Sieg für den Sozialismus.

Tue jeder in diesem Stampf seine Pflicht!

Freiheit!

Für die Flüchtlingsfürsorge:

Ich ersuche um regelmäßige Zusendung der ,, Deutsche Freiheit"

Genaue Adresse:

Unterschrift:

Die einzige unabhängige Sageszeitung Deutschlands

Ein Brief

Folgender Brief aus Frankfurt a. M. wird uns zur Verfügung gestellt. Der Schreiber ist uns als zuverlässig bekannt:

Mal wieder ein Lebenszeichen! Wie es hier geht? Beschis­sen von oben bis unten. Politisch seid Ihr ja im Bilde. Am Freitag sind nunmehr alle Gewerkschaftler entlassen wor­den. Grund: Antinationale Gesinnung, Betrug und andere schöne Dinge. Der Betrug wird darin erblickt, daß bei wohl einem kleinen Teil der Gewerkschaftler das Gehalt nicht in voller Höhe ausbezahlt worden ist als solches, son­dern ein Teil als Aufwandsentschädigung, die nicht ver­steuert worden ist. Untersuchung durch das Finanzamt, des= sen Beauftragte tagelang sich im Gewerkschaftshause zu schaffen machen. Auch wird noch wie folgt argumentiert: Der Teil, der von der Organisation zur Unterstüßungsver­einigung entrichtet wurde, mußte versteuert werden, was nicht geschehen ist, ergo Steuerhinterziehung, ergo Betrug, ergo fristlose Entlassung. Aus! Die Geschäftsführer der so= zialen Baubetriebe( Bauhütte usw.) sind ebenfalls fristlos entlassen worden. Jetzt kommen die Genossenschaften dran. 51 Prozent Nazis sollen hinein. Es macht sich eine Aus­trittsbewegung bemerkbar. Wir waren jetzt alle in Schutz­haft.

Und als wir wieder entlassen wurden, mußten wir unters schreiben, daß wir uns jeder Zeit wieder freiwillig(!!!) in Schuhhaft begeben können. Herrlich diese Besorgnis um unser Wohlergehen.

Gestern war wieder eine große Aftion in einer Arbeiter­Wohnsiedlung. Mit Trompetensignalen der SA. wurde an­gekündigt, daß in der Siedlung noch Munition versteckt sein müsse, die herausgegeben werden müsse, andernfalls kämen alle kommunistischen und sozialdemokratischen Funktionäre ins Konzentrationslager. Ich will hier gleich noch einschal­ten, daß ein angestellter Funktionär eines Verbandes( folgt Namen) offen mit dem Hakenkreuz umherstolziert, er glaubte sich damit retten zu können. Aber auch er mußte gehen. Geschieht ihm recht! Auch ein früherer Genosse, der Bürgermeister( folgt Name) in einem benachbarten Orte, der seine Funktion retten zu können glaubte, indem er be= reits vor den Wahlen zur NSDAP . übertrat, wurde hinaus­geschmissen. Recht so! Einige Gewerkschaftsangestellte sizzen noch in Schutzhaft. Währenddem eine ganze Reihe nach mehrmaliger Verhaftung wieder frei ist. In H. sind gleich an die 250 Verhaftungen vorgenommen worden. Ins Ge­fängnis hat man dann aber doch nur 8-10 gesteckt. In dem Vorort N. war ein Jammern. Sämtliche Frauen auf den Straßen. Einige ehemalige Gewerkschaftssekretäre klagen zuerst auf dem Arbeitsgericht wegen der fristlosen Entlas­sung. Ob etwas dabei herauskommt, ist abzuwarten.

Einem derselben hat man Totschlag angedroht, wenn er die Klage nicht zurückzieht. Er hat bei der Staatsanwalt­schaft Anzeige wegen Nötigung erstattet.

Der Konkurs unserer Druckerei( In dem das Organ der

Sozialdemokratischen Partei bergestellt wurde) iſt einge­ſchlagnahme nicht vorhanden ist. Der Genosse M. verkauft Seifen, Bohnerwachs, Persil und Aehnliches. Der Genosse K. macht eine Kneipe auf und R. einen Zigarrenladen. M. be­müht sich mit Versicherungen ab. Jezt müssen auch unsere Funktionäre bis zu 51 Prozent aus den Betrieben hinaus, dafür müssen Nazis eingestellt werden. Der Genosse H. hat den Gashahn aufgemacht. Wir waren alle in Schußhaft, als die Beerdigung erfolgte. Die Wanderungen der Emigranten und der Flüchtlinge nimmt von Tag zu Tag mehr zu. Un­freiwillige Kuriere, man erfährt da haarsträubende Dinge. Die Nazi sind jetzt im Stadtparlament unter sich, nachdem sich die Christen und die paar anderen den Nazi als Hospi­tanten angeschlossen haben. Unsere Liste war bereits auf­gebraucht.

stellt, da eine den Kosten entsprechende Masse wegen der Be­

Wer auch nur erklärt, daß das Fett teuerer geworden sei, tommt in Schuzhaft. Keiner traut dem anderen. Selbst in den Familien findet eine offene Aussprache nicht mehr statt.

Selbst der großen bürgerlichen Zeitung, prophezeit man, daß sie nicht mehr lange leben werde. Auf der anderen Seite wächst die Unzufriedenheit von Tag zu Tag. Mit uns waren auch Deutschnationale und Nazi in Schuh­haft. Es sind dieses solche, die sich über das hohe Gehalt des Herrn Statthalters entrüstet haben. Jetzt wird um den Kopf des Nazi- Polizeipräsidenten gewürfelt. Der angeblich nicht scharf genug sein soll, dessen SA.- Leute aber dieser Tage wieder einen Oesterreicher erschossen haben. In den Zei­tungen stand nichts davon. Der Erschossene soll angeblich Rot Front " gerufen haben.

Aus fommunistischen und sozialdemokratischen Funktio nären, die bis zum Kopf in die Erde eingegraben worden find, wurden Geständnisse erpreßt.

Nach einigen Wochen der Ruhe, scheint der Kampf jetzt von

neuem anzugehen. Dadurch, daß wir nicht erkannt haben,

daß nach einer Revolution eine Konterrevolution erfolgt, dadurch, daß wir nichts Besseres mußten, als uns gegensei­

tig die Köpfe einzuschlagen, ist unser Schicksal einigermaßen

verdient. Hoffentlich wird jetzt der Volfstribun geboren, ein Führer, der nicht nur schwazzt, sondern handelt. Der blutige Rache nimmt. Der mit der Humanitätsduselei Schluß macht. Der nicht bloß den Kampf predigt, sondern ihn auch führt. Mit jener Grausamkeit, wie es uns jetzt von den Nazis vordemonstriert worden ist.

Ich grüße Euch recht herzlich und bleibe in treuer Rame= radschaft mit Euch verbunden.

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