Pr cls: 60 1. cts.
Pantare
Frethel
Nummer 22-1. Jahrgang
Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands
Saarbrücken, Samstag, den 15. Juli 1933
Chefredakteur: M. Braun
Laßt die Toten ihre Toten begraben und beklagen. Dagegen ist es beneidenswert, die Ersten zu sein, die lebendig ins neue Leben eingehen; dies soll unser Los sein. Karl Marx
Blutnacht
Der Bericht eines Verschleppten aus Köpenick - Tatsachen und Namen!
Ein uns seit Jahren wohlbekannter, zuverlässiger Mann, dem es durch geiftesgegenwärtige Ausnutzung eines glücklichen Zufalls gelungen ist, der Ermordung zu entgehen, übermittelt uns folgende Schilderung der Mordnacht von Köpenick . Es handelt sich um den Ueberfall auf die Siedlung, in der auch der verschleppte und dann ermordete Abgeordnete Stelling wohnte. Es sind die Banden, auf die der junge Sozialdemokrat Schmaus in der Verzweiflung zum Schuße seiner Mutter und Schwester schoß. Die von Schmaus in Notwehr niedergeschossenen Verbrecher wurden in feierlichem Staatsbegräbnis unter heuchlerischen Reden von geistlichen Hitler - Knechten beerdigt.
Diesmal sind wir nicht daran gehindert, die Namen der Beteiligten zu nennen. Wir hoffen, damit auch die Zentrumspresse zufrieden zu stellen, die sich mit ihrem Christentum schützend vor solche Banditen stelit. Ich wohnte mit meiner Frau in einem kleinen Holzhans bei Köpenid. Am 22. Juni, 4 Uhr morgens, wurden wir burch heftige Schläge aus Fenster gewedt. Das Haus war von SA.- Leuten umstellt, die ihre Revolver in der Hand hielten. Als ich im Nachthemd heraustam, wurde ich sofort mit dem Erschießen bedroht und aufgefordert, mitzukom men. Schließlich gestattete man mir, mich anzukleiden. Ich erkannte unter den SA.- Leuten einen gewissen Kantels wig. In einem bereitstehenden Auto saß mein Genoffse Franz Kaiser aus Köpenid, den man ebenfalls geholt hatte. Das Auto brachte uns zum Köpenider Gerichtsges fängnis. Der Platz vor dem Amtsgericht war voll von SA.s Leuten, die sich sofort auf uns stürzen wollten. Der Sturm führer brüllte jedoch:" Halt, auf der Straße nicht schlagen!". Kaum hatten wir jedoch das Gebände betres ten, so ging es los. Wir wurden die Treppe hinauf und einen langen Gang entlang getrieben. In einer großen Belle standen 10 Genossen mit dem Gesicht zur Wand. Fußboden und Wand waren mit Blut befleckt.
In der Mörderkaserne
Eine alte Frau, blutend aus Mund und Rafe, mit blutbefledtem kleibe, muße ben Fußboden scheuern. Der SA.- Mann Lobse fragte mich:„ Kennst Du dieſe Sure?" 36 Ich fah genauer hin und erkannte mit Entfegen die Mutter meiner Frau. Run wurde Genosse Kaiser von Lohse aufgefordert, einem anderen Genossen mit der Faust ins Gesicht zu schlagen. Als Kaiser zögerte, erhielt er selber von Lohse einen Fauftschlag, so daß er mit dem Kopf an die Wand flog. Dann wurden die Genossen mit Stöden angetrieben, sich gegen seitig zu schlagen, bis sie bluteten. Ich wurde von Lohse mit den Worten empfangen:„ Endlich haben wir
300 Zeitungen verboten!
bich, du Marristenschwein". Darauf schlug er mir ins Ges sicht und seine Kumpane folgten seinem Beispiel.
Allen wurden Haare und Bart abgeschnits ten, mir wurde ein Hakenkreuz zurechtges schnitten. Einem Kommunisten schnitt man absichtlich mit der Schere in die Nase, wobei der Führer brüllte:„ Schadet nichts, wenn Haut mitgeht, haben Danach SA.- Leuten,
Zwei Arbeiter vom Blitz crschlagen!
Templin , 14. Juli. Zwei Arbeiter, die bei einem Gewitter unter Sträuchern Schutz vor dem Regen gesucht hatten, wurden vom Bliz getötet. Ein weiterer Blitzstrahl schlug in die Arbeiterwohnung des Gutes Mattheshöhe und lähmte die in der Stube anwesenden Personen. Sie mußten in das Krankenhaus Prenzlau gebracht werden.
Le quatorze juillet!
Jede Bastille erlebt
mußten wir etwa 10mal burch Spaliere on eten, ihren Bastillensturm!
die mit Stöcken und Knüppeln bewaffnet waren, Spießruten laufen. Einige ältere Lente brachen dabei zusammen. Ins rige Genoise Paul von Effen herbeigefchleppt zwischen war unter ungeheuerem Siegesgehenl der 55jäh=
worden. Er war seit langer Zeit erwerbslos,
eben erst aus dem Krankenhaus gekommen und auf einem Auge blind, Vater von vier Rindern und Kriegsteilnehmer.
Man schlug ihn erst ins Gesicht, dann riß man ihm die Hosen herunter und schlug ihn mit geradezu rasender wut mit Stöden und Knütteln auf den entblößten Körper,
bis er die Besinnung verlor. Ein SA.- Führer sagte dann:
" So, das Schwein wäre fertig!" Genoffe von Essen ist inzwischen den furchtbaren Verlegungen, die ihm seine Peis niger zufügten, erlegen. Die blutige Orgie wurde jedoch durch diesen Zwischenfall keineswegs gestört.
Gefangene, die noch stehen konnten, mußten unter Kommando Lohses stundenlang mits einander bogen.
Erlahmten sie dabei, so wurden fie mit Gummifnüppeln und Stöden zu größerem Eifer angetrieben. Ich wurde dabei einem Mann zum Boren gegenübergestellt, den ich nicht ers kennen konnte, weil sein Gesicht eine geschwol lene, blutige Masse war. Dann wurden wir jeder einzeln in eine Zelle geprügelt. Auch dort wiederholten sich mit stündlicher Regelmäßigkeit die körperlichen Mißhandlungen. Schließlich wurde ich dem Sturmbannführer Ges ride vorgeführt. In meiner Verzweiflung bestritt ich, ein Marrist zu sein. Gerite ordnete darauf an, daß ich einfts weilen weiter nicht zu schlagen sei, hätte ich aber die Uns wahrheit gesagt, so würde ich erschossen werden. Nach kurs zer Zeit wurde die Tür meiner Zelle aufgerissen, der Sturmführer Kobold aus Köpenick , Dahlwiger Plaz wohns haft, stürzte mit einigen SA.- Leuten herein, schlug auf mich los und brüllte:
„ Du Lump
Wirst heute fertiggemacht!"
Man zerrte mich den Gang entlang zur Zelle meiner Schwiegermutter; während mich zwei SA.- Leute fefthielten, wurde die 53jährige Frau von Kobold und anderen mit Stöcken geschlagen, bis sie am Boden lag. Sie ist jetzt gei: stesgestört und befindet sich in einer Anstalt. Ich sah auch noch, wie die mir bekannten Brüder Sasche, zwei ganz junge Leute, grauenhaft geschlagen wurden. Diese Mißhands Inngen dauerten den ganzen Tag. Zur Ablösung tamen ims mer wieder nene Schlägerkolonnen. Um 4 Uhr nachmittags wurde ich aus der Zelle geholt mit dem Befehl, sofort nach Hause zu gehen. Der Truppenführer Kobold fuhr mit drei SA.- Lenten auf Motorrädern voran. Ein SA.- Mann, der mit mir Mitleid hatte, rannte mir zu, ich sollte ermordet werden. Mein Weg führte durch den Wald, dort gelang es mir, zu entkommen.
Den Genoffen Johannes Stelling habe ich im Amtss gericht Köpenick nicht gesehen. Meines Wissens war er
schon am Vormittag des 21. Juni aus seiner Wohnung ge= holt worden, die er gerade an jenem Tage unglücklicherweise
wieder aufgesucht hatte.
Wie die„ Boffische Zeitung" berichtet, hat der preußische Innenminister ein neues Verzeichnis sämtlicher verbotenen ausländischen Druckschriften bekanntgegeben. Am ,, Nicht wieder zu erkennen" 1. Juni waren 252 Zeitungen und Zeitschriften, nach dem Stand vom 1. Juli find 291 Druckschriften in Preußen vers boten, die sich auf 21 verschiedene ausländische Staaten vers teilen. An der Spitze steht wiederum die Tschechoslowakei , diesmal mit 74( vorher 66) Schriften. An zweiter Stelle fteht Desterreich mit 48( 37) Drudschriften, von denen 37 aus Wien stammen. Es folgt Frankreich mit 38( 31) Zeitungen; unter den im Juli verbotenen befinden sich die Humanite" und drei neue deutsche, neuerdings in Paris erscheinende Zeitungen, während die übrigen Verbote meist elsaß- loth ringische Blätter betreffen. Die Schweiz betreffen 26( 24), die Vereinigten Staaten 12, Rußland 11( 9), Holland 9, das Saargebiet 8, Spanien , England und Luxemburg je 5, Danzig , Rumänien , Schweden je 8, Argentinien , Kanada und Estland je 2 Verbote.
Es ist möglich, daß ich nicht alle Gefangenen, ich glaube es waren vierzig, zu sehen be kommen habe. Manche waren, wie schon ges jagt, auch nicht mehr wiederauertennen, da ihr Gesicht völlig entstellt war.
Möglicherweise ist Stelling schon bei der Gefangennahme am Vormittag getötet worden. In welcher Weise die Ermor: dung erfolgte, darüber kann nach meinen eigenen Erleb=
quantenaireringe Reifen bestehen, deren getan wurde, wird für alle Zeiten ein Schandfleck der deuts schen Geschichte bleiben....
Die neuen Machthaber in Deutschland , die diese Macht
nie erobert, sondern denen sie intrigenreich in poden der großen französischen Revolution, deren die Hände gespielt wurde, fühlen sich als die AntiTag ihres Bastillensturms als der Natio. nalfeiertag Frankreichs in die Geschichte einging.
Woher sollte dieser Rebellion des braunen Unter
menschentums wohl auch die Erkenntnis kommen, daß sie nicht der Aufbruch einer neuen Epoche der Weltgeschichte, sondern nur das letzte Aufflackern aller reaktionären Widerstände aus atavistischen Untergründen gegen das neue Helden und Menschentum der Freis heit, Gleichheit und Brüderlichkeit ist?!
Wie kann man erwarten, daß diese„ Erhebung" der nationalen Minderwertigkeit begreifen soll, welch mittelalterliche Rolle sie gegenüber dem Ber freiungswerk der französischen Revolution, gegeben für die ganze Menschheit, und welch vorübergehende Krankheit sie ihm gegenüber darstellt?!
Man vergleiche ihren totalen Staat mit dem der Menschenrechte- welch ein Abstieg in die Barbarei! Sie gaben vor, den Parteienstaat der Demokratie abzuschaffen und schufen dafür die korruptionsreiche Regierung einer einzigen Partei.
-
Sie schufen angeblich die wahre Volksgemeinschaft die indessen allein darin besteht, daß sie der Großbourgoisie ihren Besitz und der Armut ihre Armut garantiert.
-
Sie schufen angeblich das einige Volk im einigen und einzigen Glauben aber es war nur ein Konzentrationslager, in dem das von der französischen Revolution befreite Denken nach den Gesetzen der Vernunft und der Logik unter Strafe gestellt und in besonders schwierigen Intelligenzfällen mit der„ totalen" Erledigung des India viduums geahndet wurde und wird!
Sie priesen ihren totalen Staat mit hunderttausend Rundfunkzungen als den überlegenen aber die Durchschlagskraft ihrer Argumente beschränkte sich durchweg nur auf die Korrektur der individualistischen Denkirrtümer mit dem Gummiknüppel und der darauf folgenden totalen Gleichschaltung vom lieben Gott bis zum Stammtisch!
Sie sprechen dauernd von den Rechten des Staates ihrer Partei- aber von den Rechten, die mit uns geboren wurden und die unverlierbar in den ewigen Sternen hängen und die die französische Revolution herunterholte, wissen sie nur insoweit, als sie sie restlos gleich, das heißt aus schalteten!
Sie haben den Staat geschaffen, der keinen Widerspruch findet, weil er keinen duldet und erträgt- aber dafür den Widerspruch aller und den Abscheu der Welt rund um seine Grenzen erzeugt hat.
Zum großen Befreiungswerk der großen französischen Revolution haben die Völker aller Zonen und Nationen
aufgejubelt und haben andächtig, verehrend und be
=
geisternd seine europäische und Weltbedeutung ebenso ge feiert, wie sie die neue Hitler Bastille im unglücklichen Deutschland verachten! Aber jede Bastille erlebt ihren Bastillen sturm!
Das Werk der französischen Revolution ast noch nicht bes endet. Die Jdee der Freiheit, der Gleichberechtigung, der brüderlichen Liebe und Eintracht und des höchsten Gutes der Menschenrechte wartet noch auf ihren Bastillensturm
gegen das Menschenschlachthaus des Hitlerkäfigs: Wir wollen seine Barrikadenkämpfer sein an unserem 14. Julil
M.B