Die große Nazi- Korruption

Rund um Lahusen

,, Fall Nordwolle"

Am 10. Juni 1981 las man in dem Handelsteil der deutschen Presse eine kurze Notiz: Die Norddeutsche Woll­tämmerei und Kammgarnspinneret in Bremen habe im ver­gangenen Geschäftsjahr schlecht abgeschnitten. Ein Drittel ihrer Reserven, rund 15 Millionen Mart, sei verloren. Für den Zeitungsleser war das nicht weiter interessant, es war eine Krisenmeldung unter vielen andern. Er wußte nicht, daß das Bremer Unternehmen die Spizengesellschaft des Nordwollekonzerns, des größten fontinentalen Textilunternehmens, war, und ihm war darum auch kaum bekannt, daß der Bremer Konzern von einer einzigen Familie, den Lahusens; beherrscht wurde. Knapp einen Monat später war der Fall Nordwolle" schon eine Welt­sensation geworden, die die Spalten der Zeitungen in Ber­ lin und in London , in Amsterdam und in Tokio füllte: Die Nordwolle" ist pleite! Die Gebrüder Lahusen hatten durch eine größenwahnsinnige Hochstaplerwirtschaft, durch leicht finnige Rohstoffipekulationen, durch einen gewalttätigen Konzernzentralismus und durch schwindelhafte Bilanzierung ihren Gläubigern einen Verlust von rund zweihundert Mil­lionen Mart zugefügt.

Die Größe des zusammengebrochenen Unternehmens, der Weltruf des Konzerns, der Umfang der Verluste für die deutschen , englischen und holländischen Banken, all das wäre noch nicht imstande gewesen, den Fall Nordwolle" zum An­laß für die folgenschwere deutsche und mitteleuropäische tere ditkrise vom Sommer 1931 werden zu lassen, wenn nicht nähere Umstände darüber bekannt geworden wären, wie es den Lahusens möglich war, von 1926 bis 1981 plumpe Schwindelmanöver durchzuführen, ohne daß der Aufsichtsrat und di kreditgewährenden Bantinstitute etwas bemerkt hatten.

Bankrotteure

Es stellte sich nämlich heraus, daß sowohl der Aufsichtsrat als auch die deutschen Großbanken in der leichtsinnigsten, fahrlässigsten und verantwortungslosesten Weise ihre Pflichten versäumt hatten: Die Kontrollen fanden im Vorübergehen, zwischen einem familiären Jagdfrühstück und einer gemütlichen Runde Golf auf dem Hohehorster Schloß der Lahusens statt. Die Banten wiederum gaben die Kre­dite, ohne sich erst umständlich für Unterlagen und Sicher­beiten zu interessieren es ging ja immer nur" um Be­träge von zehn oder zwanzig Millionen Mart. Die Wirkung auf das Ausland war verheerend. Man fragte sich: Wenn schon die königlichen Kaufleute der Hansestädte dreiste Be­trüger und gewissenlose Bankrotteure find, wenn schon die seriösen Berliner Großbanten ihre Kontrollpflicht so wenig ernst nehmen wie sieht es dann erst in der übrigen Wirt­schaft aus?

Der Judenboykott

Gönner der Hitlerei

Doch der Zusammenbruch des Lahusen- Konzerns führte nicht nur zu einer wirtschaftlichen Vertrauenskrise, er zwang auch, zu untersuchen, warum die Gebrüder Lahusen ein solches Ansehen genießen konnten, daß man ihnen blind­lings hunderte Millionen Mark anvertraute? Dabei er­gaben sich politische Zusammenhänge: Karl Lahusen hatte es als Präsident der angesehenen Bremer Handelskammer ver­standen, den Einfluß, den ihm sein damals nur mittelmäßig großes Unternehmen gab, zu vervielfachen durch eine enge Bundesgenossenschaft mit der aufstrebenden nationalen Be­wegung. Neben Thyssen war er wohl der erste deutsche Ka­pitalist, der der Hitler - Bewegung nicht nur Geld, sondern auch Ansehen unter seinesgleichen durch seinen Namen gab. Den Beherrschern der Nordwolle gelang es, sich den Bremer Senat durch ihre Beziehungen zu den nationalen Parteien hörig zu machen, sie gaben aber auch den zwar nicht rassen­reinen, aber mit dem arbeiterfeindlichen Faschismus sym­pathifierenden Berliner Großbankdirektoren die Gewißheit, in eine Sache Geld zu stecken, die durch das Bündnis zwischen Kapital und politischer Reaktion geadelt war.

In ihren Betrieben stellten die Lahusen viele Dußend ehemalige Offiziere und SA.- Führer mit riesenhaften Ge­halten an. In ihren Fabriken führten sie gegen die Gewerk­schaften und für die nationalsozialistischen Zellen und Werkvereine einen kostspieligen Kampf. In ihrem mit einem Gesamtaufwand von fünfzehn Millionen Mark errichteten Verwaltungsgebäude in Bremen stellten sie der NSDAP .

-

-

völlig umsonst prachtvolle Büroräume zur Verfügung und in ihrem für den Betrag von drei Millionen Mark er­bauten" Forsthaus" tafelten sie mit den Führern des Nationalsozialismus. Für jedermann war flar, jedermann wurde es aufdringlich mitgeteilt: Die Lahusen und die Hitler - Partei sind eins und gehören zueinander.

Jüdische Mache"

Als der Nordwolle - Konzern zusammenbrach, stellte das der Völkische Beobachter" als jüdische Mache" hin. Auch als sich herausstellte, daß die Lahusens eine holländische Gesellschaft zur Bilanzfälschung benützt hatten, die in guten Zeiten der Konzern- ,, Verschiebebahnhof" für Kapitalflucht und Steuerhinterziehungsgelder war, rückte die national sozialistische Bewegung nicht im mindesten von ihnen ab. Sie stellte im Gegenteil ihren Propagandaapparat zu An­griffen gegen den Konkursverwalter und die Gutachter zur Verfügung. Sogar seinen Hausanwalt, den jezigen Neichs. Verfügung. Sogar seinen Hausanwalt, den jezigen Reichs­justiskommissar Frank, borgte Adolf Hitler Karl Lahusen in verehrungsvoller Dankbarkeit. Als das agitatorisch von Nachteil war, legte Frank die Vertretung nieder, an seine Stelle kommandierte der nationalsozialistische Führer seinen

geheimen Staatspolizei zurückgefordert worden. Seitdem weiß kein Mensch mehr, wo sich die Aften befinden.

hat aufgehört!" Und einige Tatsachen Dortmund

Hannover

In dem bekannten Raufhaus 3entrum in Bannover wurden anläßlich der Neueröffnung die neuausgestatteten 38 Schaufenster zerstört und ausgeplündert.

Duisburg

Der Gauobmann der nationalsozialistischen Juristenschaft, Rechtsanwalt Schroers, erläßt ein Rundschreiben an die nationalsozialistischen und gleichgeschalteten Kollegen mit der Aufforderung, unverzüglich ihm Mitteilung zu machen über Prozeßparteien( Name des Klägers, Name des Be­tlagten, Terminstag, Zuständiges Gericht), die sich heute noch durch jüdische zugelassene Rechtsanwälte vertreten laffen. Das Unterlassen der Mitteilung hat Ausschluß zur

Folge.

Barmen

Die Aften des ermordeten jüdischen Zahnarztes Dr. Meyer, die nach langem Hin und her von der Polizei an bie Staatsanwaltschaft abgegangen waren, sind von der

..In ticiste Barbarel zurückversetzt"

Ein Brief aus Deutschland

Unter Weglassung einiger Einzelheiten, die auf die Spur des Schreibers führen könnten, ver­öffentlichen wir folgenden Brief, der uns dieser Tage aus dem Reich zuging.

Ich habe mich nun wieder erholt und arbeite fröhlich in Haus und Hof, wenn das Wetter nur nicht so elend und wechselnd wäre; heute schüttet es den ganzen Tag wieder wie mit Kannen. Endlich ist der Maulkorbzwang für ein paar Monate gelöst und kann ich wie ein Mensch sprechen. benken und schreiben und Ihnen von allen Freunden be­richten, aber setzen Sie sich hin, es folgen tolle Dinge.

Ein mir bekannter jüdischer tüchtiger Junge kaufte eine chemische Fabrik, steckte nach und nach vierzigtausend Mark hinein, es ging auch ganz flott, bis plötzlich das Ge­schäft wie abgeschnitten war, und er bei einem großen Spesenapparat nicht einmal das Porto einnahm für täg­liche Briefe, eine ganz rätselhafte Erscheinung, die ihn und uns verrückt machte. Endlich nach bösen Wochen durch Zufall die Erklärung: Er war durch Irrtum auf eine jüdische Boykottliste gesetzt worden! Die Aufklärung konnte nichts mehr retten; da auch das Ausland den deutschen Produkten in weitem Bogen aus bem Wege geht, mußte der brave Junge am 1. Juli feinen Betriebschließen,

Seit Wochen herrscht ein neuer, mit aller Konsequenz durchgeführter Boykott der jüdischen Geschäfte. Die betrof­fenen Firmen haben alle Lieferungsverträge annulliert.

Sparkassenräuber

Hoffnungsvolle Hitler- Jugend

Einen frechen Raubüberfall auf die Kreissparkasse in Darfehmen verübten zwei Schüler des Insterburger Gym­nasiums, die beide der Hitlerjugend angehören. Es gelang ihnen, zweitausenddreihundertundzweiunddreißig Mark in die Hände zu bekommen. In einem Mietsauto fuhren diese hoffnungsvollen Sprößlinge zweier angesehener Inster­burger Bürger nach Darkehmen . Unterwegs zwangen sie den Chauffeur mit vorgehaltenem Revolver, das Auto zu ver­lassen. An der Darkehmer Kreissparkasse angekommen, hielten sie die Sparkassenbeamten ebenfalls mit vor­gehaltenem Revolver in Schach und raubten Papier - und Silbergeld, so viel ihnen in die Hände fiel. Die alarmierte

Frau X. hungert, da ihre Mieterinnen Berufsdamen maren, die man hinauswarf und die Loge, welche bisher immer Miete schickte, hilft nicht mehr, da jetzt Rechtsan­wälte und Aerzte berücksichtigt werden, die abvermieten müssen.

Y. mußte Berlin verlassen, da er mit dem Verlag So­und so einen Vertrag hatte, eine neue Serie der Bücher­schau in Berlin herauszugeben und nicht ein einzi ger der bereits engagierten Vertasser mehrim Lande ist. Er war so anständig, dem Verlag sein ganzes bereits gefaßtes Gehalt zurüàzugeben und hängt wieder einmal in der Luft, um so schlimmer, als Toch­ter und Schwiegersohn nach Paris mußten und seine Un­terstützung brauchen für einen neuen Anfang; der Schwie­gersohn ist ein talentierter junger Kapellmeister aus Frankfurt a. M., seine ganze Familie ist ruiniert und aus­

gewandert.

Aber die Bestien wüten gegen die Katholiken genau so. Die Bäder Kudowa , Reinerz und Althaide zum Beispiel sind am Verderben, weil man alle verdienstvollen

alteingesessenen katholischen Bürgermeister, Beamten, Badebirektoren bis zum letzten Mann beurlaubte" und größenwahnsinnige Jdioten hinseẞte in prunkvollen Uni­

formen.

Dr. F. hat leere Sprechstunden, denn die Patien ten, welche noch kommen konnten, trauen sich einfach nicht hin bei diesem Spitzelsystem, er ist ganz verzweifelt und tut mir furchtbar leid. Seine Frau wollte absolut ins Ausland gehen und hätte in Italien eine Assistentenstelle

anderen intimen Berater, Rechtsanwalt Dr. Luetgebrune, in die Advokatengarde der Nordwolle- Betrüger. Wie vertuscht man?

Dann kam das Dritte Reich. Mehrmals wurde der Prozeß vertagt, weil die Anwälte Lahusens in hohe Staats­stellungen aufgerückt und immer wieder unabkömmlich waren. Offenbar ist der Prozeß für die nationale Bewegung nicht minder unbequem wie für die Angeklagten. Die La­husens und ein Teil ihrer Freunde wollten die Angelegen­heit durch eine- politische Amnestie aus der Welt schaffen. Sie sollte mit der einfachen Erklärung begründet werden, die Nordwolle - Beherrscher hätten sich nur im Kampf gegen das wirtschaftliche Novembersystem" schuldig gemacht und müßten genau so einer Amnestie teilhaftig werden wie etwa ein SA.- Mann, der einen Kommunisten niedergeschossen hat.

Aller Wahrscheinlichkeit nach hätte Hitler Skrupellosigkeit genug besessen, diesen neuen Nordwolle- Betrug zu decken, wenn nicht die Rücksicht auf ausländische Bankinstitute, die auf Bestrafung ihrer betrügerischen Schuldner drängten, maßgebend gewesen wäre.

Deswegen scheint es nun zu Differenzen zwischen den an dem Fall am stärksten interessierten Bremer Nazi und der nationalsozialistischen Führung gekommen zu sein- man ist sich über die Art der Vertuschung nicht einig. Es folgte der Versuch, einen Hauptzeugen, den ehemaligen Danat - Direktor Jakob Goldschmidt , der sich im Aus­land aufhält, von der Rückkunft zum Prozeß abzuhalten, um damit die weitere Vertagung zu begründen. Eine mysteriöse Brandstiftung im Büro des Nordwolle- Konkursverwalters, eines Hauptbelastungszeugen, schloß sich an, und jetzt sind die Brüder Karl und Heinz Lahusen von der Bremer Poli­ihnen gelungen ist, durch fortwährendes Bearbeiten maß­zeidirektion in Schuhhaft genommen worden, weil es ihnen gelungen ist, durch fortwährendes Bearbeiten maß­gebender Stellen den Eindruck zu erwecken, daß auch der Bremer Senat gegen die Durchführung des Strafverfahrens Stellung genommen habe". Den beiden Brüdern wird der Vorwurf gemacht, Regierung und Wirtschaft auf unge= wöhnlichen Wegen durch falsche Sachdarstellung zu be­einflussen, um eine Durchführung des schwebenden Straf­verfahrens zu verhindern".

Die scheinbar so energische Maßnahme der Jnhaftierung soll dazu dienen, den Verdacht zu verwischen, der für jeden Informierten zur Gewißheit geworden ist: das Dritte Reich wird mit allen Mitteln verhindern, daß der Prozeß um den Nordwolle - Zusammenbruch die Wahrheit an den Tag bringt: das System Lahusen und das des Nationalsozialismus ge­hören zueinander und sind für einander verantwortlich.

Polizei ließ sofort die Feuerfirene ertönen, was zur Folge hatte, daß eine große Menschenmenge zusammenlief. Als die Täter dadurch am Fliehen behindert waren, schossen sie blindlings in die Menge, verlegten eine Person, fuhren zwei Kinderwagen um und entfernten sich dann mit dem Auto in Richtung Insterburg . Die Polizei nahm mit Kraftwagen die Verfolgung auf und fand den verlassenen Wagen in der Nähe des Bahnhofs Spiroken, wo man die beiden Schüler aus dem Zuge heraus verhaftete. Sie gaben an, daß sie mit dem erbeuteten Gelde. die Insterburger Ortsgruppe der Hitlerjugend finanzieren wollten.

Der gestörte Kurbetrieb Bayerische Kurorte vor dem Bankrott

München , 11. Juli. Der Versuch, Bayern durch die Grenz­sperre nach Desterreich mit Fremden zu überschwemmen, ist vollkommen gescheitert. Da es bekannt geworden ist, daß die bayerischen Gastwirte in Erwartung einer Konjunktur ihre Preise schamlos gesteigert haben, da die Reiselust im Lande infolge der allgemeinen Unsicherheit gesunken ist und da überhaupt keine Ausländer nach Deutschland kommen, stehen die größten Kurorte vor dem Bankrott.

bekommen, bei ihren Fähigkeiten sich auch hinaufgear­beitet, aber F. fehlt dazu die Spannkraft und so ist sie anständigerweise bei ihm geblieben; ganz ohne Aussichten auf eine Badesaison; zugleich verlieren sie Kopf und Kragen bei dem Geschäftshaus in Breslau , wo er sein Vermögen im Familienbesitz hatte.

Dem Sohn von Onkel M... wurde bei seiner Verhaf tung( Kommunistenverdacht) ein Auge ausgeschla. gen, er ist bildhübsch, Maler, 24 Jahre alt, liegt operiert in der Charitee, das zweite Auge scheint ver. loren. Der andere Sohn, Komponist, wurde von einer Freundin rechtzeitig über die Grenze gebracht.

Direktor H... mein Freund und Helfer eröffnet in Haifa eine Holzindustrie, Jakob 2... geht wahrschein­

lich mit.

So lichtet sich meine Garde und ich verliere treueste Menschen. Meine Krankenkasse habe ich gekündigt, ich lasse mich von den Schweinen nicht für mein teueres Geld zu einer Arztwahl zwingen.

Die ganze entsegliche Katastrophenzeit, in tiefste Bar­barei zurückversetzt, hat nur ein Gutes gebracht: Seit dem schmachvollen Boykottsamstag halten die besseren Ele­mente von Juden und Christen eng zusammen in einer selbstverständlichen Abwehr und zugegen seitiger Hilfe. Davon könnte ich Ihnen laufend rührige Beispiele erzählen, während in den Nachkriegs­jahren jeder nur brutal an sich und seinen Vorteil dachte. Für heute genug, solche unverdaulichen Dinge muß man mit Maß servieren,