Land der sieben Gendarmen
Aber auf zehn Einwohner eine Aktien- Gesellschaft/ Das Paradies der Kapitalf.üchtlinge
Vaduz, 10. Juli.
Drunten im Rheintal, knapp hingebaut an die Hänge des Schloßberges der eigentliche Ort, an den höher gelegenen, baumbestandenen Lagen neue prächtige Landhäuser, über dem Ganzen das trußige Schloß das ist Vaduz , die " Hauptstadt" des kleinen Fürstentums Liechtenstein , der letzten deutschsprachigen Monarchie.
Die Liechtensteiner Untertanen müssen freilich in der Regel ohne Landesvater auskommen. Der Fürst kommt nur wenig ins Land, das fürstliche Absteigquartier, wie das liechtensteinische Telefonverzeichnis die Gelegenheitsunterkunft des liechtensteinischen Regenten nennt, steht meistens leer und die Liechtensteiner behelfen sich, mehr recht als schlecht, ohne Landesvater. Ein Regierungschef leitet die Staatsgeschäfte und ein fünfzehngliedriger Landtag lenkt die Geschicke des kleinen Landes, das auf 157 Quadratkilometer etwas über 10 000 Einwohner zählt. Sieben Gendarmen in der Uniform der österreichischen Gendarmerie sorgen dafür, daß die Ordnung und Ruhe im Lande nicht gestört werde. Daß die sieben Landjäger" manchmal nicht verhindern können, daß doch etwas Programmwidriges geschieht, beweist der Ueberfall auf die Gebrüder Rotter in der liechtensteinischen Sommerfrische Gaflei.
Das Land Liechtenstein besitzt vor allem zwei Merkwürdig keiten: unheimlich viele Advokaten und rund tausend Aktiengesellschaften. Auf zehn Einwohner eine Aktiengesellschaft, auf hundert Liechtensteiner zwei oder drei Rechtsanwälte. Dabei sind die Liechtensteiner ein friedliebendes Völklein, das mit dem liechtensteinischen Landgericht nicht viel zu tun hat. Und trotz der tausend Aktiengesellschaften sind nur fünf Prozent der Bevölkerung in der Industrie beschäftigt.
Die Sache wird sofort weniger rätselhaft, wenn man erfährt, daß die vielen Aktiengesellschaften nur ein Schein
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dasein führen, im Fürstentum nicht einen einzigen Arbeiter beschäftigen, bloß ihren„ Siz" in Liechtenstein , und als Vertreter irgendwo in einem der dreizehn Orte des Landes einen Rechtsanwalt sizen haben. Und die Ursache der Vorliebe der ausländischen Kapitalisten für Liechtenstein ? Der liechtensteinische Landtag die Abgeordneten sind durchweg Bür gerliche beschloß im Februar 1926, daß ausländische Unternehmungen, sofern sie sich in das liechtensteinische Firmenregister eintragen lassen, in Liechtenstein ein Büro und einen Vertreter etablieren, weitestgehende Steuererleichterungen genießen. Das ließen sich die kapitalistischen Patrioten in Deutschland , Oesterreich, der Schweiz , Frankreich , Spanien , England und Amerika nicht zweimal sagen. Zahlreiche Unternehmungen verlegten ihren Siz nach Liechtenstein , allwo man bloß ein Prozent Einkommensteuer und dreiviertel Promille Vermögenssteuer zu bezahlen hat. Wenn man will! Man kann sich nämlich die Steuer auch pauschalieren lassen- und dann zahlt man noch weniger. Wobei man, wenn man es wünscht, den Pauschalbetrag auf dreißig Jahre festlegen fann. Eine Unternehmung, die nicht pauschaliert, zahlt bet einem Reingewinn von 500 000 Franken pro Jahr 16 000 Franken Steuer gegen 33 000 in der Schweiz . Die Angabe der Reingewinnhöhe ist aber dem Unternehmen überlassen. Eine Kontrolle in dieser Richtung gibt es nicht.
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Der liechtensteinische Staatshaushalt ist bei der Geschichte nicht schlecht gefahren, sieht man von der moralischen Seite der Angelegenheit ab. Jm letzten Jahre sind auf diese Weise etwa fünf Millionen Schweizer Franken Liechtenstein hat schweizerische Währung in die Steuerkaffen geflossen. Dazu kommt noch, daß sich Ausländer in Liechtenstein mit Vorliebe einbürgern lassen, um ihren Mammon vor dem Zugriff des eigentlichen Heimatlandes zu schützen.
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Eine Einbürgerung in Liechtenstein ist eine höchst einfache Sache- sofern man 25 000 bis 30 000 Franken auf den Altar des künftigen Vaterlandes zu opfern bereit ist. Auf den ersten Blick ein teurer Spaß, der sich aber, ist man einmal liechtensteinischer Staatsbürger, durchaus rentiert. Wie die vielen wundervollen Villen und Landhäuser beweisen, die in den letzten Jahren von liechtensteinischen Neubürgern aus allen Herren Ländern erbaut wurden. Die Vaduzer etwa zweitausend Einwohner hat die Hauptstadt" bauen gegenwärtig ein großes, prachtvolles Rathaus, größer als das Regierungsgebäude. Außerdem ist auch ein großes Bürohaus im Bau; nachdem sich gezeigt hat, daß bei allem guten Willen nicht so viele Büros vorhanden sind, um alle Unternehmungen unterzubringen, die ihren„ Sig" in Liechtenſtein haben wollen.
Dem liechtensteinischen Staatsfädel also geht es gut. Die liechtensteinischen Arbeitslosen aber können das gleiche leider nicht von sich behaupten. Den lichtensteinischen Volksvertretern scheint nämlich bisher die Tatsache entgangen zu sein, daß es in der übrigen Welt so etwas wie Arbeitslosenunterstü= Bung gibt. Und so besitzt denn das Fürstentum Liechtenstein nichts, was einer Arbeitslosenunterstützung nur entfernt ähnlich sähe. Wahrscheinlich deshalb, weil es in Liechtenstein auch keine wirkliche Arbeiterbewegung gibt, sondern bloß einen liechtensteinischen Arbeiterverband, ein recht harmloses Gebilde auf christlichsozialen Grundlagen. Trotz aller Lammfrommheit dieser Arbeiterbewegung ist dessen Organ, die„ Liechtensteinische Arbeiter- Zeitung" fürzlich auf Grund eines Ermächtigungsgesetzes" beschlagnahmt worden, weil sie ihre Unzufriedenheit mit den bürgerlichen Regierungsmethoden Ausdruck gab.
Mit einem Worte: auch in Liechtenstein ist nicht alles Gold was glänzt!
Eine traurige Bilanz
Die Isolierung Deutschlands im ausländischen Urteil
Die„ National- Zeitung" in Basel , die sich sehr um Objektivität gegenüber dem Dritten Reich bemüht, veröffentlicht in ihrer Nr. 319, einen sehr beachtenswerten Aufsatz " Deutsche provisorische Bilanz". Das Blatt erkennt klar den Schwindel, der behauptet, die Erwerbslosigkeit in Deutschland gehe stark zurück:
Aber eine deutsche Besonderheit bleiben die Hunderttausende, welche in die Wehrverbände und zur Arbeitsdienstpflicht hineingeschoben werden ebenso wie jene anderen Hunderttausende, ob Sozialisten und Juden, Katholifen und Pazifisten, die feine Unterstüßung erhalten, aber deshalb nicht etwa Arbeit gefunden haben, sondern dem Elend preisgegeben sind. Rechnet man diese Posten zu fammen und nimmt dazu, wieviel an Notstandsarbeiten in versteckter Inflation zum Schaden der Gläubiger Deutschlands ausgegeben wird, so wird man unschwer das " Wunder" der von den Nazi' teilweise besiegten Arbeitslosigkeit rationalistisch, aber zuverlässig erklärt haben. Allerdings nicht mit Glauben", sondern mit der heute bei allen Faschisten so übel beleumundeten Vernunft.
Buchhandel in Not
Um über die wirtschaftliche Situation in Deutschland ge naue und wahre Informationen zu erhalten, muß man jetzt die Fachblätter lesen. Der katastrophale Rückgang des deutschen Buchhandels, eines der stärksten wirtschaftlichen und nicht bloß moralischen Aktivposten des Reiches, wurde dadurch offenbar, daß im„ Börsenblatt" treibung von Schulden bei den Sortiment ern, die jetzt mitunter nicht einmal Summen unter fünfzig Mark aufbrin gen können, nicht unbarmherzig zu sein. Eine zweite Mitteilung in einer der letzten Nummern des Buchhändlerbörsenblattes gibt dazu nähere Daten.
ständigung der beiden lateinischen Staaten und Selbständig eine Mahnung an die Verleger erging, doch in der Einteit Desterreichs.
Viertens:
Rußland. In Rapallo hatte Rathenau die Jfolierung Deutschlands durchbrochen und es Sowjetrußland an= genähert. Heute spricht Litwinow als lieber Gast in Paris wie ein zaristischer Minister, Rußland steht in der gleichen Front mit Polen , der Kleinen Entente und Frankreich . Die Hakenkreuzler fonnten Rathenau ermorden und auf das Grab seiner Mörder kürzlich offizielle Blumen legen, aber dies ändert nichts daran, daß ihre fanatische und furzsichtige Außenpolitik Deutschland ebenso großen Schaden zufügte wie jene des klugen Rathenau ihm genügt hatte. Die Sowjets fürchten die Weltallianz gegen den Bolschewismus, als dessen Landsknecht der Nationalsozialismus sich anbietet, ohne Werber zu finden, und die deutsche Kolonisierung ihres Landes, die niemand wünscht, in der London , Paris und Rom gemeinsam mit Warschau und Moskau eine Weltgefahr sehen. Also ist auch dieses Spiel verloren.
Hier helfen keine Friedensbeteuerungen, die Menschen halten sich nicht an Worte, sondern an Taten. Selbstver=
Außenpolitisch aber zieht das Blatt die folgende nicht gottung, Herrschsucht, Unduldsamkeit im Innern müssen sich zu erschütternde Bilanz:
Erstens:
Aus der Isolierung Frankreichs ist fene Deutschlands geworden. Die Entente mit England ist nicht politisch und schriftlich wiederhergestellt, wohl aber schon gefühlsmäßig dank dem tiefen Argwohn eines großen Teiles der englischen
Preffe und des englischen Boltes gegen das jetzige deutide Regierungssystem. Die Auffassung, daß Recht eine Parteisache sei, wie sie die deutschen Juristen verkündigen, daß es eine höhere Rasse gebe, welche die anderen nicht bloß entrechten dürfe, sondern sogar müsse, daß Selbstregierung und Demokratie Entartung seien, widerspricht durchaus dem englischen Sinn. Er kann sich nicht vorstellen, daß ein solches System nicht in konflikt mit der übrigen Welt gerät, er betrachtet also Aufrüstungswünsche der jetzigen Regierung ganz anders als die Forderung der deutschen Republik nach Gleichberechtigung. Die letzte Erklärung von Sir John Simon im Unterhaus, begleitet von den Reden von Austen Chamberlain und Churchill , unterstrich dies unbarmherzig. In Deutschland beklagte man sich, formal nicht zu Unrecht, über Einmischung in innere deutsche Angelegenheiten. Aber diese Angelegenheiten sind eben zwar innere, jedoch nicht bloß innere, sondern sie sammeln Zündstoff an. Ergebnis: England wird sich möglichst jeder deutschen Aufrüstung widersetzen, und versteht heute besser das französische Nein auf der Genfer Konferenz.
3weitens:
Desterreich stand lange im Zeichen eines gefühlsmäßigen Anschlusses. Dies hat sich völlig geändert. Seit 1866 war der Graben zwischen Wien und Berlin nicht so tief, und heute ist er sogar viel tiefer. Jede Aussicht auch nur auf ein Zusammengehen der beiden deutschsprechenden Staaten scheint verschwunden, Desterreich verteidigt zugleich mit seiner Selbständigkeit auch die früheren Staats- und Lebensformen des deutschen Volkes vor der Gleichschaltung. Alles läßt vermuten, daß jetzt in Wien ein Sonderabkommen mit Budapest vorbereitet wird, das später in irgendeiner Form ( Vorzugszölle, Kontingente, Abbau der bisherigen Schranfen) zur Kleinen Entente erweitert wird. Damit ist Deutsch lands Mitteleuropatraum vorläufig ausgeträumt und es auf seinem Wege nach dem Balkan und Asien aufgehalten, weiterhin zu jener Autarfie verurteilt, die es als Tugend preist, während sie bloß seine Not ist.
Drittens:
auch nach außen auswirken, und so stellt sich die ganze nicht deutsche Welt auf Mißtrauen ein. Das Dritte Reich wird nicht bei seinen Versuchen gestört werden, wenn es 65 Millionen Menschen aufs Experimentierbrett legt. Aber es wird dabei nirgends Helfer finden.
Sinkt die Erwerbslosigkeit? Wie sehr künstlich nachgeholfen wird
Die Stadtverwaltung Köln gibt bekannt, daß in Zukunft ,, aus arbeitsfürsorgerischen Gründen" teine Wohlfahrts unterstüßung mehr gezahlt wird, wenn nicht der zu Unterstüßende als Gegenleistung arbeitet. In nächster Zeit sollen etwa 13 000 Wohlfahrtsunterstüßte, wenn auch nur in geringer Wochenstundenzahl, in den verschiedenen städtischen Betrieben beschäftigt werden.
Auf diese einfache Art ist dann die Erwerbslosigkeit in Köln wiederum um 13 000 gesunken". Es ist die Methode, mißliebige Menschen von den Unterstützungen auszuschließen und sie verhungern zu lassen. Die Erwerbslosigkeit finkt und die Sterblichkeit und die Auswanderung steigen.
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4 Bd. Exemans.
Italien fühlt sich zwangsläufig von Deutschland abgedrängt, und die Begegnung Daladier - Mussolini , welche als Strönung einer Verständigung gedacht ist, scheint heute schon mehr als bloße Hoffnung der Franzosen . Es wird sehr schwierig sein, ein dauerndes Abkommen zu erreichen, aber bonniert die heute werden die Italtener, die den Frieden und fein an geschlossenes Desterreich wollen, billiger sein als früher und heute werden die Franzosen auch Mussolini mehr anbieten. Ergebnis auch hier jenes Mephistoschicksal: das Böse zu wollen und das Gute zu schaffen. Keine Einkreisung Frank reichs , kein deutsch - italienisches Bündnis, wohl aber Ver
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,, Deutsche Freiheit"
Bedauerlicherweise, so heißt es da, ist auch die Ausfuhr weiter starf zurückgegangen. Sie betrug in der Zeit vom Januar bis Mai 1932 in Büchern und Musiknoten noch 34,724 Doppelzentner( Doppelzentner ist gleich hundert Kilogramm) im Werte von 21 547 000 Reichsmark, dagegen in der gleichen Zeit dieses Jahres nur 27.535 Doppelzentner im Werte von 13,246 000 Reichsmart. Hier spielt zweifelsohne die deutschfeindliche Propaganda im Ausland eine Rolle. Man wird guttun, diese Vorgänge, soweit sie den Buchhändler betreffen, aufmerksam zu beobachten und rechtzeitig für Abwehrmaẞ-= nahmen Sorge zu tragen.
Ob mit diesen Abwehrmaßnahmen die zweite, offizielle Kundmachung des Börsenblattes in Zusammenhang steht, in der die Mitglieder nachdrücklichst darauf hingewiesen werden, bei Neueinstellung von Personal in erster Linie männliche erwerbslose Gehilfen, insbesondere solche, die Angehörige der SA., SS. und ST. sind, zu be rücksichtigen? Es ist eher zu erwarten, daß das bedenkenlose Eingehen des deutschen Buchhandels auf die Intentionen seiner Gleichschalter seinen Ruin beschleunigen wird.
Der anstößige Aron
Helio- Wattwerke
Die Aron- Werke, Elektrizitäts AG. In Berlin , haben in der Generalversammlung beschlossen, den Namen der Gesellschaft in Helio- Watt- Werke, Elektrizitäts- AG. umzuändern. Der Aufsichtsratsvorsitzende Manfred Aron wurde aus dem Unternehmen ausgeschieden. Ferner mußten zwei Aufsichtsräte zurücktreten, die die anstößigen Namen„ Blumental" und„ Vogelstein" tragen.
Verantwortlich: für die Redaktion Joh. Piz; Inserate Hubert Jüttner, beide in Saarbrücken . Druck und Verlag: ,, Volksstimme" G. m. b. H., Saarbrücken , Schützenstraße 5.
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