Zivilisierte gegen Wilde

Aus der Rede Sir Austen Chamberlains im Unterhause

Rothermere

Der englische Lobredner des Dritten Reichs

Dem Hitler- Regime ist endlich das lang ersehnte Heil widerfahren: eine große englische Zeitung spricht mit An­erkennung, ja Bewunderung vom Dritten Reich. Aber- o Pech!. es ist die Daily Mail", und der Verfasser des Artikels Lord Rothermere , ihr Besizer. Die deutschen Blät=

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führungen des Lords auf der ersten Seite zu ver­öffentlichen. Wer lacht da nicht? In England nimmt man den politischen Dilettantismus Rothermeres seit jeher nicht ernst. Man fennt den Ehrgeiz des Zeitungsmagnaten, eine Rolle in der internationalen Politik spielen zu wollen und wie soll man ihn denn ernst nehmen, da er geglaubt hat­die Ahnungslosigkeit, mit der er es immer wieder tut. ungarischer König werden zu können, wenn er Ungarns

Zum zweiten Male innerhalb drei Monaten hat sich das englische Unterhaus ohne Unterschied der Partei ter betamen Montag den Utas von höherer Stelle, die Aus­zu einem einmütigen Protest gegen die Hitlerbarbarei in Deutschland zusammengefunden. Wir drucken nach­stehend die Rede des Liberalen Sir Austen Chamberlain ab. Seinen Worten kommt besondere Be­deutung zu, weil er als einer der Kandidaten für den Premierminister bei einem Rücktritt oder einem Sturz Macdonald gilt. Chamberlain spricht in seiner Rede immer von Deutschland ". Als Deutsche nehmen wir diese Verallgemeinerung nicht ohne Widerspruch hin. Es gibt in Deutschland viele Millionen Menschen, die mit der Hitlerbarbarei nichts zu tun haben und sich ihrer als Kulturmenschen schämen. Chamberlain identifiziert sich weitgehend mit dem Standpunkt des Arbeiterparteilers Lansbury und fuhr dann fort über Deutschland zu sprechen:

Es ist für dieses Land schwierig, in wahrhaft freund Ichaftlichen Beziehungen zu einer Nation zu stehen, die aus ihrer Politik jeglichen Gedanken verbannt, der für alle bri tischen Parteien grundlegend ist. Können wir wirklich gut Freund sein mit einem Volte, das eine Rasse aus Rassen: gründen innerhalb seiner eigenen Grenzen proffribiert und es ablehnt, seine eigenen Bürger als Gleiche und Mitmen schen zu behandeln? Ist es möglich, wenn Deutschland un= sere Mitarbeit und Hilfe wünscht, daß es erwarten könnte, fie zu erhalten, während es jedes Gefühl belei: digt, das in unseren Herzen seit den Uran= fängen unserer Geschichte eingepflanzt ist- Gefühle, die allen Parteien gemeinsam sind und die, welche Unterschiede zwischen uns auch bestehen mögen, uns in Augenblicken der Krise und der Gefahr vereinen? Es ist schwierig, ein Bolt als wahren Freund zu behandeln, das eine internationale Politik verfolgt, die unseren Traditio= nen so verabscheuenswert erscheint. Der Geist, der in Deutschland den Deutschen gegenüber bes wiesen wird, ist eine Gefahr für jede Nation außerhalb seiner Grenzen und für jede an= bere Raise, über die es ihr ie gelingen * önnte, die Oberherrschaft zu erreichen.... Wenn Deutschland die Revision der Verträge und die Ab­rüftung wünscht, dann muß es die Welt erst von zwei Dins gen überzeugen."

Diese beiden Dinge, führt Sir Austen Chamberlain aus,

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sind, daß jegliche Konzession, die Deutschland gemacht wer den könnte, endgültig und nicht nur eine Vorstufe für wei: tere Forderungen sein wird; und daß die Abrüstung nicht lediglich als Mittel der Schwächung anderer Nationen ge= fordert wird, um Deutschland in die Lage zu vers segen, sie besser angreifen zu können. Ich bitte unsere Regierung," schloß Sir Auften Chamberlain, fich das vor zu hüten, die Verantwortung auf sich zu nehmen, andere Nationen gedrängt zu haben die der Gefahrenzone näher find als wir selbst ihre Rüstungen herabzumindern, sos lange wir nicht zumindest dessen sicher sein können, daß wir ihre Sicherheit nicht gefährden und dadurch eine moralische Verpflichtung auf uns nehmen, die schwerer lastet als eine geschriebene Verpflichtung, ihnen zu Hilfe zu eilen, falls sie angegriffen würden. Niemand ist ein Freund des Friedens, niemand hilft der Sache des Friedens, wenn er Deutschland auch nur einen Augenblick lang zu glauben gestattet, daß irgend eine Revision unter den gegens wärtigen Bedingungen möglich wäre."

Indem er dieser Warnung Ausdruck gab, sprach Sir Auften Chamberlain die feststehende Ansicht der großen Mehrheit des britischen Volkes ans. Er würde dies nicht getan haben, wenn er es nicht als notwendig empfunden hätte. Ramsay MacDonald und so mancher andere werden gut daran tun, seine Worte zu beachten.

Hindenburgs christliches Gemüt

,, Die Treue Ist das Mark der Ehre"

Weit verbreitet ist die Ansicht, Hindenburg sei nicht mehr imstande, die Rolle, die er spielt, zu begreifen, zumal der Schurke Meißner ihm alles falsch darstelle. Ueber Meißner steht das Urteil fest, aber kann das über Hindenburg noch schwanken? Kann Altersschwäche jede Treulosigkeit und jeden Verrat entschuldigen? Zu gegeben, daß Hindenburg komplizierte politische Zu­fammenhänge nicht begreift das hat er nie! so gibt es doch Tatbestände, die so einfach sind, daß jedes vierjährige Kind und jeder hundertjährige Greis sie verstehen muß und die so beschaffen sind, daß ein an= ständiger Mensch sie nicht stillschweigend hinnehmen

könnte.

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Beispielsweise kannte Hindenburg seinen Amtsvor­gänger Ebert, er kannte dessen Familie, er weiß, daß

alle vier Söhne im Felde waren und zwei von ihnen ge­fallen sind. Er kennt das herbe Los der Witwe des ersten Reichspräsidenten, Luise Ebert. Als bei Beginn des

moralischen Zusammenbruchs, den man in Deutschland

,, die nationale Erhebung" nennen muß, ein paar Burschen in die Wohnung der Frau Ebert eindrangen und sich unanständig aufführten, hatte Hindenburg immer noch Anstand genug, der beleidigten Frau durch seinen Meißner ein Wort des Bedauerns zukommen zu lassen. Jetzt aber hat die Regierung des Herrn v. Hindenburg ben ältesten Sohn des ersten Reichspräsi

denten, wie so viele Tausende sonst auch, gefangen ge nommen und in ein Konzentrationslager gesperrt. Wenn Hindenburg sonst nichts mehr begreift, so müßte er doch an diesem ihm leicht verständlichen Fall begreifen, wie im neunten Jahr seiner Regierung in Deutschland mit Verfassung und Gesetz, Recht und Menschlichkeit Schind luder getrieben wird. Aber offenbar stört ihn auch der Gedanke nicht, daß der Witwe Luise Ebert, die zwei Söhne im Felde verlor, in verbrecherischer Weise noch ein dritter genommen wird.

welche Rolle er im Dritten Reiche spielt, dann will er Wenn Hindenburg jetzt noch immer nicht begreift, eben nicht begreifen. Sicherem Vernehmen nach hat er sich kürzlich mit unbestrittenem Erfolg für die Großgrund besitzer eingesetzt, als das unwahrscheinliche Gerücht umging, die Hitlerregierung wollte sie an ihrem Ver­mögen kränken. Es ist merkwürdig, wie leicht der Guts herr von Neudeck aufwacht, wenn seine Kollegen eine

Revisionswünsche unterſtüßte? Es gab eine Zeit, in der

maßgebende deutsche Politiker zum Himmel beteten, Lord Rothermere möchte nicht etwa auf die Idee verfallen, auch dem Deutschen Reich seine Silfe" angedeihen zu lassen. Sie wußten, daß die Begeisterung dieses Helfers verheerend sein tann und außerdem, daß er ein ausgesprochener Pechvogel ist. Er hat nämlich einen sicheren Instinkt, sich nur für Dinge zu begeistern, die früher oder später schief gehen. Damit ſet dem Hitler - Regime feine Prognose gestellt, aber es könnte ihm geradezu zur Warnung dienen.

Eine englische Stimme

Ueber die Aussichten der Hitlerbewegung und die Kriegsgefahr

,, Daily Telegraph " warnt in einem ausführlichen Artikel, die Verhältnisse in Deutschland und die Aussichten der Hit­Ierregierung sowie die Kriegsgefahr, die durch Hitler bren­nend werde.

Der Korrespondent, ein guter Deutschlandkenner, stellt fest, ganz Deutschland sei ein Waffenlager, nur die Rüstungs­industrie arbeite. Käme man aus Deutschland heraus, so habe man den Eindruck, einem Gefängnis entkommen zu sein. Die gesamte deutsche Presse sei eine einzige Grammophon­platte, die immer nur das Märchen von der deutschen Tugend und den Leiden, die man den Deutschen aufbündet, abplärrt. Hitler selbst sei ein Ignorant und ein Schwächling, aufrichtig aber einfältig. Auch seine Begabung als Redner sei über­schätzt. Sein Ruf als Redner stamme daher, daß in der Ver­gangenheit alle deutschen politischen Redner Sozialisten waren, so daß es etwas neues war, wenn ein selbst mittel­mäßig begabter Mann als nationalistischer Redner auftrat. Der englische Beobachter hält einen Bürgerkrieg zwischen den nationalsozialistischen Raudielementen und den verhält­nismäßig Gemäßigten für wahrscheinlich.

Auf jeden Fall sei ein Erfolg des Hitlerregimes eine Riesengefahr für Europa und bedeute den Krieg.

Botschaft in Nöten

Von Polizei beschützt

Die deutsche Botschaft in Paris wird von vers stärkten Polizeiposten bewacht. Einer der zahlreichen Bes sucher der Botschaft teilte uns mit, der Botschaftssekretär habe ihm gesagt, es lägen tausende von Protesten vor und hunderte von Besuchern versuchten, solche Proteste der Bot: schaft persönlich vorzutragen. Das sei zweifellos sehr unan: genehm, da die Botschaft ja nicht alle solchen Proteste gegen ja amtlich oft genug festgestellt worden, daß in Deutschland angebliche Grenel in Deutschland annehmen könne. Es sei Ruhe und Gesezmäßigkeit herrsche, aber immer wieder kämen sehr aufgeregte Herrschaften aus allen Lagern, die das Ge genteil behaupten. Deshalb habe man die Pariser Polizei bitten müssen, die Deutsche Botschaft unter verstärkten Schutz zu stellen.

unbegründete Beschwerde vorbringen, und wie ruhig ber Thyssen reglert

Reichspräsident schläft, wenn die Schreie unschuldig ge­marterter deutscher Volksgenossen seiner Wähler vom vorigen Jahr um den ganzen Erdball gellen.

Es ist also nicht so, daß es beim Verstande liegt. Man muß schon sagen: Dieser alte Mann hat ein gol. denes Gemüt!

Es wird offiziell und offiziös Der Vogel nur gelogen

In einer Rede in Chemnitz Anfang Juli hat der Sächsische Minister des Innern, Dr. Fritsch, u. a. gesagt:

Das große Ziel der Totalisierung des Nationalsozialis: mus wird nicht aus den Augen gelassen. Was für das Reich gilt, hat für Sachsen volle Gültigkeit. Wir sind sogar dem Reiche weit voran. So haben wir allein über das Dop: pelte an Schughäftlingen als das viel größere Preußen." Alle deutschen Untertanen" in Schußbaft, dann ist das Dritte Reich vollkommen.

Doch wie stimmen diese Angaben des Herrn Dr Fritsch über die Zahl der Schußhäftlinge in Sachsen und Preußen

Göring braucht Blitz und Schwert

Der preußische Ministerpräsident Goering hat angeordnet, daß der preußische Adler, das Wappentier des Goeringschen Königreiches, nicht mehr nackt und fahl bleibe, sondern mit Blizz und Schwert bewehrt" werde. Die wichtige Umwand­lung des Vogels hat das Kultusministerium des Herrn Rust in seine bewährte Hand genommen.

Die Schwerindustrie ist mit Hitler zufrieden

Ein Rundschreiben des Reichsverbandes der deutschen In dustrie stellt mit Befriedigung fest, daß mit Wirtschaftskom­missionen, Organisationen. Konstruktionen und Theorien" die Arbeitslosigkeit nicht beseitigt werden wird. Die Kon­junktur dieses Plänemachens und Theorienreitens ist nun vorbei". Es ist auch jede Vorarbeit zur Schaffung eines Reichsstandes der Industrie" eingestellt worden. Die Schwerindustrie ist mit Hitler zufrieden.

Geeigneter Beruf

Die Deutschen sind geborene Polizisten

Das Polizeifachblatt Die Polizei" berichtet mit großem Stolz, der Polizeipräsident von Neuyork habe erklärt, die deutschstämmigen Beamten hätten sich für den Polizeiberuf als besonders geeignet erwiesen",

Die verratene Ostgrenze

überein mit der Mitteilung des amtlichen preußischen Preffe Der Danziger Naziführer gibt die Stadt und den Korridor preis

Presse­

dienstes vom 11. Juli, wonach in ganz Deutschland nur 18 000 Personen in Schußhaft seien, darunter in Preußen 12 000. Wenn Sachsen nach den Angaben seines Innen­ministers und der muß es doch wissen- doppelt soviel Schutzhäftlinge hat wie Preußen, so machte das für Sachsen 24 000; Sachsen und Preußen zusammen also mindestens also mindestens 36 000. Mit dem von 12 000 bis 18 000 bleibendem Rest für die übrigen deutschen Länder in Zahl von 6000 wären es ausammen 42 000. Da aber die Gesamtangaben sowenig stimmen werden, wie die Einzelziffern, wird die im Ausland angenommene 3ahl von 100 000 in Deutschland in Schutzhaft ihrer Freiheit beraubten und sch I tmmst en Mißhandlungen ausgesetzten Personen schon der Wirklichkeit näher kommen als die offiziellen Angaben.

Wie sagte doch Bismard einmal. als man eine offizielle Regierungsnachricht bezweifelte? Offiziell wird niemals gelogen". Jm Dritten Reich ists so: Es wird offiziell und offiziös nur gelogen",

Es gibt keine Partei, die außenpolitisch je soviel Nach­giebigkeit und so unbegrenzte Wandlungsfähigkeit gezeigt hätte, wie die NSDAP . Daneben erscheint nachträglich die ehemalige Volkspartei, die Erbin der alten liberalen Frak­tion Drehscheibe, geradezu von Zement. Auf den Verrat an Südtirol , auf die Preisgabe Elsaß - Lothringens und den Verzicht auf Widerruf der sogenannten Schuldlüge folgt jetzt die Anerkennung des polnischen Korridors. Noch im Februar erklärten Naziagitatoren weitaufgerissenen Maules die Polen als Erbfeinde", solange Danzig und der Korridor nicht wieder zu Deutschland gehörten. Diese Maul­aufreißerei war einmal. Am 8. Juli stattete der national­sozialistische Präsident des Danziger Senats, Dr. Rausch­ning, mit seinem Naz'stabe der polnischen Regierung in Warschau eine Besuch ab, bat in zwei offiziösen Reden um Verständnis für die nationalsozialistische Umwälzung, trug den Polen die Freundschaft Hitlerdeutschlands an und sagte:

Der Warschauer Besuch solle gleichsam eine allgemeine Vorbereitung der Atmosphäre für die Verhandlungen sein, die nach einem Gegenbesuch ter polnischen Regierungsvers treter in Danzig in kürzester Zeit aufgenommen werden würden, um dadurch eine neue Epoche in den Beziehungen zwischen Danzig und Polen einzuleiten.

Bei ernstem Willen beider Parteien, und wenn beide Teile vom Boden der bestehenden Verträge aus bereit seien, gegenseitig die Rechte und Pflichten zum gemein­jamen Besten zu achten, sei die Möglichkeit zur baldigen Berständigung vorhanden.

Die bestehenden Verträge" trennen Danzig durch den Korridor von Deutschland . Die Danziger Nazis unter­stehen dem Führer Hitler . Rauschning sprach also im Namen des deutschen Kanzlers, der mithin auf die Wiedervereini­gung der beiden deutschen Gebiete mit dem Mutterlande ver­sichtet. So freigebig hat seit 1918 kein deutscher Minister deutsches Land verschenkt!