Kulissenkämpfe in Berlin  

Schacht beinahe verhaftet

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Schwerkapital und Reichswehrgeneräle haben Hitler   an der Strippe

Voller Sieg des Hochkapitalismus

London  , 18. Juli 1933.

Der Daily Herald berichtet sensationelle Dinge über die Hintergründe des Gegensatzes im Nazilager. In dem Bericht heißt es:

« Hitlers   jüngst erfolgte entschiedene Warnung an seine Gefolgschaft, wonach von einer 3 weifen Revolution keine Rede sein könne, hat einen sensationellen Hintergrund. Revolutionäre Ele­mente unter den Sturmtruppen haften bereits beschlossen, den Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht zu verhaften, den sie als den Hauptverantwortlichen für den Verrat der soziali­ stischen   Seite des Hitler  - Programms durch die Nazi- Regierung betrachten.

Dr. Schacht ist nach wie vor ein entschiedener Gegner einer Jnflationspolitik. Die Inflationsgruppe besteht vor allem aus Gofffr. Feder, Wagemann, Wagner und Darre. Diese Inflationsgruppe beschuldigt Schacht, daß er den Goldstandard nur aufrechterhält im Interesse der Bankiers und Kapitalisten und daß er die soziale Revolution verrät. Die extremistischen Elemente in der Nazipartei haben deshalb in enger Verbindung mit diesen Männern beschlossen, Hitlers   Hände zu binden, indem sie Schacht verhafteten erst in der lezten minute wurde ihr Plan entdeckt."

Paris  , 18. Juli.  ( Inpreß.)

Der Berliner   Korrespondent einer großen Londoner Zeis tung, der uns aus bestimmten Gründen gebeten hat, von der Nennung feines Namens vorläufig abzusehen, teilt uns aus bester Quelle mit, daß einige rominente Naziführer, die von Göbbels   geschickt wurden, die Verhaftung Schachts gefordert haben. Hitler   mußte nicht nur seine eigene Autorität, sondern auch die von Göring  , des erbitterten Feindes Göbbels  , aufbieten, um die Verhaftung des den fozialistischen" Elementen der NSDAP  , verhaßten Schacht, der als Vertreter des großen Kapitals betrachtet wird, zu verhindern.

London  , 18, Juli.  ( Inpreß.)

Ein deutschnationaler Industrieller teilte hier mit, die Hitlersche Schwenkung der legten Tage fei durch den ver einigten Druck führender Schwerindustriels ler und hoher Offiziere der Reichswehr  , welche dem General Blomberg nahestehen, erzwungen worden. Von der Generalität sei eine Art Ultimatum an Hitler   gerichtet worden. Die Initiative sei von diesen Kreisen deshalb ergriffen worden, weil Hindenburg durch gewiffe Vorkommnisse der letzten Zeit, die ihn und seine Familie kompromittieren, völlig willenlos und widerstands: unfähig geworden sei.

Dabei handelt es sich um den von uns bereits mitgeteilten nachstehenden Fall: Bei einer Haussuchung in der Billa   des Banfiers Sobernheim von der Commerz- und Privat: bank wurde ein Register der von diesem Bankier mit reichen Dotationen versehenen politischen Persönlichkeiten gefunden. Unter ihnen war nicht nur der Staatssekretär des Reichs: prafidenten Meißner, sondern auch Hindenburgs Sohn, der Oberst Oskar von Hindenburg  , vermerkt. Diese Kundenliste ist ein starkes Druckmittel gegen den Reichspräsidenten  , dem von den Nationalsozialisten immer wieder Enthüllungen in Aussicht gestellt werden.

Generalrat

So sehen des Reichskanzlers wirtschaftliche Berater aus

Der Reichswirtschaftsminister gibt folgendes bekannt:

glieder die Aufgabe haben, der Reichsregierung zur Bes ratung in allen wirtschaftlichen Fragen zur Verfügung zu stehen.

Der Generalrat der Wirtschaft tritt jeweils auf besons dere Einladung zusammen.

Die bisher ernannten Mitglieder

Berlin  , 17. Juli. Der Reichskanzler hat zunächst in den Generalrat der Wirtschaft folgende Herren berufen: Herbert Bade, Domänenpächter( Berlin  ), Prof. Dr. Karl Bosch  ( Heidelberg  ), Geh. Landesbaurat Diplomingenieur Eugen 855­ringer, Direktor der Maximilian- Hütte( Rosenberg, Ober­ pfalz  ),

Generaldirektor August Diehm, Deutsches Kalisyndikat ( Berlin  ),

Bankier August von Find( München  ),

Dr. Otto Chr. Fischer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes( Berlin  ), Dr. Dr. Albert Hadelsberger, Fabrikbesitzer( Def­lingen- Baden),

Regierender Bürgermeister Krogmann( Hamburg  ), Dr. G. Krupp von Bohlen und Halbach( Essen  ), Preußischer Staatsrat Dr. Robert Ley  , Führer der Deutschen Arbeitsfront  ( Berlin  ),

Dr. Karl Luer, Handelskammerpräsident, Treuhänder der Arbeit( Frankfurt  - Main  ),

Preußischer Staatsrat Friedrich Reinhart  , Bant­direktor( Berlin  ),

Dr. Hermann Reischle  , Führer des Landhandels und der Landwirtschaftlichen Genossenschaft( Berlin  ),

Kurt Freiherr von Schröder  , Handelskammerpräsident ( Köln  ),

Karl Friedrich von Siemens( Berlin  ), Preußischer Staatsrat Dr. Friz Thyssen( Mülheim­Ruhr),

Generaldirektor Dr. Albert Vögler  ( Dortmund  ).

Lauter Hochkapitalisten! Dr. Ben, der so lange Verbin dungsmann zwischen der rheinischen Schwerindustrie und

Johannes Stelling  

Mitglied des Reichstags

Mitglied des Vorstandes der SPD  .

Bon Parteigenossen des deutschen   Reichskanzlers schwer mißhandelt und dann nach der Entlassung aus dem Krankens haus abgeschlachtet und in einem Sad im Wasser versenkt.

..Schlagt ihn tot!"

Sorge um Dr. Schumachers Schicksal

Der sozialdemokratische württembergische Reichstagsabges ordnete Schumacher wurde im Wuppertal   verhaftet und ins Konzentrationslager in der Nähe von Stuttgart   gebracht. Das Organ der Nationalsozialisten von Stuttgart   erklärt, daß Doktor Schumacher nicht mehr erwarten kann als politischer Gegner, sondern nur noch kriminell bewertet z werden". Diese Zeitung des hitlerschen Statthalters kündigt dann ziemlich unverhüllt eine Morddrohung an: Wir Sprechen nur den Wunsch der breitesten Deffentlichkeit aus, wenn wir den Fall Schumacher der politischen Polizei einer Sonderbehandlung empfehlen, denn was dieser SPD.­Genosse auf dem Kerbholz hat, übersteigt die Grenzen alles Erträglichen, auch für die, die weit davon entfernt sind, mit Rachgefühlen belastet zu sein.

Das heißt in faum noch verhüllten Worten, daß Schus macher irgendwie erledigt" werden soll. Dr. Schumacher ift Kriegsbeschädigter. Er hat im Kriege einen Arm ver= loren. Unter seinen Kriegsauszeichnungen ist auch das E. St. II und I. Schumacher hat einen tapferen Kampf gegen die Nazis geführt. Nach der Machtergreifung Hitlers  , als der Terror immer stärker einsetzte, wurde ihm geraten, sich ins Ausland zu begeben. Er hat es nicht getan und nimmt nun sein schweres Schicksal auf sich. Wir hoffen, daß er aus: hält, was ihm bevorsteht, und in den kommenden Kämpfen ungebrochen und noch mehr gehärtet neben uns stehen wird.

Um bei den Arbeiten der Reichsregierung die Erfahrung Hitler   war, wird sich in dieser Geſellſchaft sehr wohl fühlen. Um Scheidemann  

der praktischen Wirtschaft zu verwerten, beruft der Reichskanzler einen Generalrat der Wirtschaft, dessen Mits

Von Sozialismus" ist in diesem Generalrat jedenfalls keine Spur!

Saar Terror wird organisiert!

Nach dem Beispiel Oesterreichs  ...

Berlin  , 18. Juli. Obgleich die Regierungskommiffion des Saargebietes e in Berbot der A. und deren Auflösung für das Saargebiet verfügt hatte, wird jetzt aus Anlaß einer amtlichen Bekanntmachung über die Nenorganis fation der SA.", die durch das offizielle Contin Büro unter dem 17. Juli verbreitet wird, bekannt,

daß die SA. an der Saar   nach wie vor ges tarnt weitergeführt und nach wie vor der Obergruppe V in Frankfurt   a. M. unter: stellt ist.

Nach dieser amtlichen Bekanntmachung der Naziregierung umfaßt die Obergruppe V n. a. die Westmark mit Koblenz­Trier, Pfalz   und Saar  , seffen und ganz Südwest. Obers gruppenführer ist Nazis Steinhoff in Frankfurt   a. M.

andern Städten in Extrazügen und Laftwagen nach Kufstein  befördert worden, wo eine Anzahl Nazi- Häuptlinge ans Deutschland   und Desterreich ihre Brandreden vom Stapel ließen.

Die österreichische Regierung hatte eine hermetische Schließung der Grenze angeordnet, um die österreichischen Hitlerianer daran zu hindern, nach Stufftein auszureisen. Es scheint immerhin einer kleinen Anzahl von österreichischen Nazioten gelungen zu sein, über die Grenze nach Kufstein  zu gelangen. Die österreichischen Grenzposten waren anges fichts der Gefahr von Grenzübergriffen durch Hitlerianer verstärkt worden.

Frage: Wie will die Regierungskommiffion des Saarges bietes gemäß dem ihr vom Völkerbund erteilten Auftrag einen solchen Schuß ihrer Grenzen vornehmen?

Berlin  , 18. Juli, Auch an der holländischen Grenze Amsterdam  , 18. Jult.( Eig. Ber.)

Gegen das Saargebiet wendet die Naziregierung legt die gleichen Methoden an wie gegen efters reich. Am 23. Juli tommt nach Leitersweiler, nn: mittelbar an der Saargrenze, der preußische Hohenzollern  : prinz Auguft Wilhelm, einer der Nazibonzen, und hält dicht an der Grenze eine Grenzlandkund gebung mit dem gleichen herausfordenden Charakter ab, wie sie am vergangenen Sonntag in Kufstein   in Bayern   an der österreichischen  Grenze stattfand, die gegen das Verbot der Nazi- Partei in Defterreich und gegen die Regierung Dollfuk gerichtet war. SA. und SS. waren aus München   und

Die Enttäuschung Spannung in den Betrieben

Der Berliner   Spezialforrespondent des Journal" melbet, daß die Fricksche Verordnung sich gegen äußerst starke Stimmungen der Enttäuschung in Deutschland   wendet, und vermutlich erfolglos. Man muß bei dieser Gelegenheit be­tonen, daß die Massen der Arbeiter, Handwerker und Klein­bürger, mit verdoppelter Kraft die vollständige Anwendung der 25 Punkte des von Hitler   selbst in den Wahlkampagnen so oft entwickelten Programms fordern. Es besteht kein 3weifel daran, daß das Verhältnis zwischen den Industri­ellen und den braunen Zellen äußerst gespannt ist und daß vor allem in Oberschlesien   die nationalsozialistischen Zellen in offenem Krieg mit den Unternehmern stehen."

In den holländischen Grenzbezirken, insbesondere in Limburg  , entfalten die Nazi- Agenten eine von Terrormaßnahmen gegen deutsche   Arbeiter begleitete fieberhafte Propagandatätigkeit. Von den Nazi- Agenten bes sonders verfolgt werden die etwa 25 000 deutschen  Bergarbeiter, die in den limburgischen Bergwerken beschäftigt sind. Der holländische Justizminister hat sich vers anlaßt gesehen, die zuständigen Polizeibehörden anzuweisen, gegen die Nazi- Agenten mit aller Strenge vorzugehen und diese unverzüglich des Landes zu verweisen.

1000 Mann

,, Faschistenmarsch" durch London London  

, 17. Juli. Ueber 1000 Mitglieder des bris tischen Faschistenverbandes aus London   und den Provinzen veranstalteten gestern unter ihrem Führer Sir Oswald Mosley   einen Demonstrationsmarsch durch das Londoner Westend. Der Marsch, der die Anwerbung neuer Mitglieder bezweckte, erregte großes Aufsehen. In einer Ansprache führte Mosley   aus: Auf diesen Marsch werden weitere Märsche in allen großen Städten Englands folgen. Sie wers den ein Sinnbild des faschistischen Marsches zur Macht sein. Obwohl die Bewegung erst vor zehn Monaten begonnen hat, ist ihr Wachstum schneller gewesen als das irgend einer faschistischen Bewegung in der Welt....

Die Engländer, in alter demokratischer Tradition erzogen, werden dem Hitler Mosley   etwas husten.

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Verhaftungen in Kassel   Alles aus Angst vor ,, Greueln", lies: Wahrheit

Raffel, 17. Juli. Auf Anordnung des Geheimen Po Iizeiamt& wurde von der hiesigen SS  .- Standarte eine Aktion durchgeführt, die sich gegen verschiedene bekannte Persönlichkeiten richtete, von denen man annimmt, daß sie noch Verbindungen mit dem früheren Reichstagsabgeordne ten Scheidemann unterhalten oder daß ihnen von Scheidemann   Vermögenswerte zur Aufbewahrung über­geben worden seien. Im Laufe der Aktion wurden zahlreiche Haussuchungen vorgenommen, auf Grund deren Ergebnis der frühere Direktor der staatlichen Kunstgewerbeschule, Pro­feffor Sautter, der Architekt Karl Wittrock   und der frühere Stadtverordnete Christian Wittrod in Schutz­hat genommen wurden. Der Rechtsanwalt 3inn wurde in Untersuchungshaft genommen, weil bei ihm Greuelpropa­gandamittel und Greuelphotographien gefunden wurden, wie sie in Auslandszeitungen erschienen sind. Ferner fand man bei dem Anwalt noch Vermögensteile des aufgelösten Reichs­banners Schwarz- Rot- Gold", mit deren Hilfe Zinn noch in letzter Zeit an verschiedene Personen Zahlungen geleistet haben soll.

Im heiligen Köln  

Hitlergruß dienstlich

Das städtische Presseamt teilt mit: 3um nochmaligen bes sonderen Hinweis auf die Verfügung des Herrn Regierungs­ präsidenten  , daß die Behörden als Vollstrecker des nationalen Willens und aufs tiefste verbunden mit dem Gedanken der nationalen Erneuerung und Erweckung den entstandenen Grußbrauch Rechnung zu tragen haben, hat Oberbürger­meister Dr. Riesen angeordnet, daß alle städtischen Beamten usw. den Hitlergruß nicht nur bei Teilnahme an Veranstal= tungen, sondern im dienstlichen Verkehr immer anzuwenden haben."

Dienstboten- umsonst

Zum Arbeitsbeschaffungsprogramm der Reichsregierung zählt die Einstellung von Hausgehilfinnen. In den lezten Jahren sind in Deutschland   etwa eine halbe Million Hausgehilfinnen weniger beschäftigt worden. Man will nun kinderreichen Familien insofern eine Erleichterung bieten, als ihnen auf der Grundlage eines Hauswirtschaftlichen  Dienst jahres eine weibliche Hilfskraft zugewiesen werden soll. Heuchlerisch heißt es, daß so viele deutsche Mäd­chen die richtige Führung eines Haushaltes praktisch er­lernen werden. In Wahrheit werden eben auf diese Weise Gratisdienstboten geliefert. Denn daß nur Proletarierinnen für dieſes hauswirtschaftliche Dienstjahr" in Betracht tommen wer wollte in Nazideutschland daran zweifeln?