Dr. G. Warburg
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Mit Begeisterung hat die gleichgeschaltete deutsche Presse den Artikel des englischen Presselords Rothermere wiedergegeben die„ Deutsche Freiheit" hat darüber schon berichtet, der in seiner„ Daily Mail" eine Lanze für Hitler zu brechen versuchte. Daß die„ Daily Mail" eines der wenigen englischen Blätter ist, das auch heute noch ganz allgemein deutschfeindlich ist, daß Lord Rother mere während des Krieges zu den ärgsten Hezern gegen Deutschland gehörte, stört bei Hitler - ,, Patrioten" nicht im geringsten. Sie denken natürlich auch nicht daran, zu berichten, daß die„ Daily Mail" megen ihrer sensationellen unpolitischen Aufmachung zwar viel gelesen politisch eine der einflußlosesten englischen Zeitungen ist. In der Not frißt der Teufel eben Fliegen, und da aus anderen englischen Zeitungen nichts Günstiges zu berichten ist. so müssen eben die„ Daily Mail" und der deutschfeindliche Lord herhalten.
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Vergebens wird man aber gewiß in der GöbbelsPresse etwas über einen anderen Artikel lesen, der we nige Tage nach Rothermeres Erguß in einer der bedeutausendsten englischen Zeitungen stand, offenbar als Antwort an Rothermere gedacht. Der konservative„ Daily Telegraph ", neben der„ Times" das der Regierung am nächsten stehende Blatt, brachte am 13. Juli in großer Aufmachung an der auffälligsten Stelle des Blattes einen Artikel über Deutschland , der von einem in Deutschland wohnenden Engländer geschrieben war. Aus dem Artikel selbst geht hervor, daß es sich um einen Mann in hervor ragender Stellung mit engen Beziehungen zu politischen Kreisen handeln muß. Daß gerade der„ Daily Tele graph ", der sich längere Zeit bemühte, die Ereignisse in Deutschland mit dem Mantel der Liebe zu bedecken, diesen Artikel bringt, ist besonders kennzeichnend für die Entwicklung der Stimmung in England. Wir geben die wesentlichsten Teile dieses Artikels, über den man in deutschen Blättern gewiß vergebens etwas suchen wird, im Folgenden wieder:
Die Welt muß Deutschland im Auge behalten. Die Zukunft des Friedens und der europäischen Zivilisation werden dort entschieden. Der Reisende, der aus Deutschland zurückommt nicht als Tourist, sondern als Mann, der dort lebt, ist überrascht, wie verhältnismäßig leicht das britische Publikum den Umsturz dort nimmt.
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Denn Deutschland bereitet die Wiederaufrüstung vor und rüstet bereits jetzt auf mit einer konzentrierten zweckbestimmtheit, wie man sie bisher in Friedenszeiten in feinem europäischen Lande kannte. Ich sage das nicht etwa leichthin oder auf Grund oberflächlicher Eindrücke. Das ganze Land ist ein einziges Feldlager. Die Deutschen exerzieren von Aachen bis Königsberg , von Kiel bis Fried richshafen . Während alle anderen Industrien darnieder, liegen, ist eine Hausse in der Rüstungsindustrie.
Die Propaganda, die täglich jedes Individuum in der ganzen Nation zu beeinflussen sucht, stellt Forderungen
an Deutschlands Nachbarvölker, die nur um den Preis
eines Konfliktes erfüllt werden können.
Gibt es eine Opposition? Nein. Alle, die nicht mit der regierenden Partei übereinstimmen, werden terrorisiert in einem Grade, der bisher in Westeuropa in moderner Zeit
unbekannt war. Der gegenwärtige Zustand in Westeuropa
ist der einer Kaserne oder eines Gefängnisses. Aus Deutsch land herauszukommen, heißt heute, aus der Tyrannei in die Freiheit zu kommen.
Ein Aufsatz im deutschfreundlichen„ Daily Telegraph "
andere Gebiete in den deutschen Kreis einbezogen werden. Die Hitleranhänger sind besonders erfreut über die Ausbreitung der Nazibewegung in Zürich . Es mag erstaunlich erscheinen, aber es ist Tatsache, daß trotz 1914-1918 die Deutschen von der alldeutschen Idee( noch ein Mythos) betört sind, die nicht nur das ganze deutschsprechende Europa umfassen soll, sondern auch solche quasi- teutonischen Länder wie Holland und Dänemark .
Aber wird der Hitlerismus Erfolg haben? Ich habe gesagt, daß es keine Opposition gibt, aber das heißt nicht etwa, daß das ganze Volk Nazi ist. Es ist möglich, daß eine freie Wahl heute nur eine ganze knappe Mehrheit, wenn überhaupt eine Mehrheit für Hitler zeigen würde. Aber es wird in der heutigen Zeit niemals eine freie Wahl in Deutschland geben. Dazu ist das neue Tammany HitIerismus ist wie Leninismus eine Tammanyhall in ganz großem Umfang zu fest im Sattel.
Aber die Wirtschaft ist das Krenz. Wenn Hitler in Deutschland die Wirtschaftsblüte wieder herstellen kann, wird er gefiegt haben; aber das ist eine schwere Aufgabe. Wenn er fläglichen Mißerfolg haben wird und es einen harten Winter gibt, mag es zum Bürgerkrieg kommen nicht mit der unterdrückten Opposition, aber zwischen den verschiedenen Nazigruppen untereinander.
Ich will nicht den wirtschaftlichen Zusammenbruch prophezeien. Deutschland ist gegenwärtig sehr übel dran, aber die Lebenshaltungskosten und die Not könnten noch ein gut Teil weiter steigen, und doch könnte das alles unter der Gegenwirkung der gewaltigen Propagandamaschine verschwinden. Aber die Arbeitslosigkeit darf nicht steigen.
Was ich vorhersage, ist eine Spaltung unter den Nazis. Schon haben verantwortliche Industrieführer gegen das Nazi- Rowdytum protestiert. Ich sehe einen Kampf um die Macht voraus zwischen den Rowdys in der Partei und den im Vergleich zu ihnen ausgeglichenen Köpfen.
Wenn der Konflikt akut wird, werden die letzteren einen großen Zustrom von seiten aller anständigen Leute haben, während die Kommunisten die erstere Gruppe unterstützen werden. Es mag dann zum Bürgerkrieg fommen und das Resultat mag dann entweder Kommunismus oder die Wiederherstellung der Monarchie sein.
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Inzwischen ist Hitler mehr und mehr nur eine Puppe. Seine Reden werden ihm gemacht. In der sachlichen Ar: beit ist er unwissend und nachgiebig, ernsthaft aber ein: fältig.
Seine wahrscheinliche Rolle ist es. Hindenburgs Nachfolger als Präsident zu werden. Seine Rednergabe wird weit überschätzt. Sein Ruf in dieser Hinsicht beruht einfach auf der Tatsache, daß in der Vergangenheit alle politischen
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Was ist die Grundursache hiervon? Deutschland hat beschlossen, daß es trotz allem den Krieg von 1914-1918 nicht verloren hat. Deutschlands Selbstbewußtsein war so groß, Besteffschein: daß der Zusammenbruch von 1918 niemals als Wirklichkeit angesehen wurde- mindestens nicht als endgültig. Der gegenwärtigen Jugend Deutschlands hat man den Glauben eingeflößt, daß die Niederlage gar keine Niederlage war, und daß Deutschlands Waffen unbesieglich sind.
Die Deutschen find groß im Glauben an Mythen. Haben fie sich einmal einem Mythos in die Arme geworfen, dann mißachten sie alle Tatsachen und glauben nur das, was fie wünschen. Die deutsche Auffassung von Hindenburg ist ein Mythos, und ebenso die von Hitler . Zu den wirks lichen Männern hat sie gar keine Beziehung.
Die ganze Presse Deutschlands ist eine große Grammophonplatte, die immer wieder die Geschichte von der deutschen Jugend und von den deutschen Irrtümern spielt. Kein Zweig des nationalen Lebens ist frei von dieser kranthaften Selbstbeweihräucherung. Geistliche schließen sich dem leidenschaftlich an und erklären vom Altar herunter, daß die Hitlerbewegung die Zeichen des Gründers des Christentums trage.
Englische Freunde fragen mich erstaunt, wie es kommt, daß die Kirche keinen Versuch gemacht hat, ihre Unab
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hängigkeit zu wahren. Die Antwort ist, daß die deutsche Tageszeitung Deutschlands
evangelische Kirche schon längst geistig tot war. Unter der Monarchie war sie kaum mehr als eine Abteilung des Staates, ohne Beziehungen zu dem Volke.
Es gibt keine Opposition gegen den Hitlerismus. Sie ist ebenso unmöglich wie eine Opposition gegen die Kriegsführung während des Krieges.
Die Möglichkeit des Erfolges des Hitlerismus ist eine Bedrohung Europas . Erfolg bedeutet, daß Oesterreich und
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Redner in Deutschland Sozialisten waren. Es war etwas Neues, daß ein Nationalist auch nur eine bescheidene Rednergabe hatte.
Freunde, die Juden sind oder jüdische Freunde in Deutschland haben, fragen mich aus über den wütenden Antisemitismus der Nazis. Das Motiv für diesen Antisemitismus war teilweise sehr niedrig: es war reine, neis dische Habgier. Juden wurden entfernt, so daß andere in ihre Pläge treten konnten. Aber der Haß, der aufgerührt wurde, ist derart, daß es Generationen dauern wird, um ihn wieder zu besänftigen.
Es kann versichert werden, daß Deutschland sich entschie den hat, die Juden los zu werden. Im Gegensatz zu manchen Berichten werden ihnen keine Schwierigkeiten gemacht, wenn sie das Land verlassen wollen. Juden, die in Deutschland bleiben wollen, müssen bereit sein, ein sehr eingeschränktes Leben in einer Atmosphäre mittelalterlicher Feindseligkeit zu führen.
Noch mehr sollten die zahlreichen Personen Gegenstand unserer Sympathie sein, die nur wegen ihrer politischen Einstellung in der Vergangenheit ruiniert wurden und stellungslos sind. Das Elend unter der militärischen und selbstsicheren Oberfläche in Deutschland ist nicht so dramatisch wie das der Opfer des Bolschewismus, aber es ist derart, daß die Geschichte einmal die deutsche Erziehung, Kultur und Religion deshalb vor Gericht stellen wird.
Dieses düstere Bild enthält viele bittere Wahrheiten. Manches sieht der Artikelschreiber vielleicht falsch, so zum Beispiel wenn er den Gegensatz im Nazilager auf die Formel Rowdys gegen anständige Menschen zurückführt, anstatt ihn dort zu sehen, wo er wirklich liegt, Sozialismus gegen Kapitalismus , wobei ein erheblicher Teil der Rowdys gegen entsprechende Bezahlung sich für die Kapitalisten schlagen wird. Aber im wesentlichen trifft der offenbar gut informierte Artikelschreiber ins Schwarze.
Die Stimmung dieses Artikels gegenüber Deutschland entspricht durchaus der allgemeinen Stimmung in Eng land. Es wird für ein freieres, besseres Deutschland später eine schwere Aufgabe sein, den angesammelten Haß, die Verachtung und das Mißtrauen wieder zu be feitigen.
Mit Behagen bringen übrigens Blätter wie' ,, Times" und„ Daily Telegraph ", die aller Sensationsmarche abgeneigt sind, die Berichte über die jüdische Großmutter Hitlers , sie geben dafür eine halbe Spalte ihres kostbaren Raumes her, wie überhaupt die Rassenschnüffelei - der Arierparagraph in Schachklubs, Regelklubs und Kaninchenzüchtervereinen immer wieder den Anlaß zu boshaften Bemerkungen gibt.
Weltwirtschaftskrise
Radikale Bekämpfung
Die Londoner Wirtschaftskonferenz hat ein pofitives Ergebnis aufzuweisen: sie hat zur Förderung des Weinbaues die Abhaltung von internationalen Traubenfesten empfohlen.
Da werden wieder Stimmen laut: ,, Kapitalismus ? Ganz knock- out!" Pardon, verzeihn, erlauben- Er fand ein rettendes Wunderkraut: Die Trauben.
Die Krise wächst? Rezept: man preßt Fachmännisch, gründlich, gut und fest Mit Pressen aus, mit Schrauben Bis auf des Inhalts letzten Rest Die Trauben.
Genügt das nicht? Nach Vätersitt'
Zerstampft man dann sie, um damit
Das Blut ihnen zu rauben,
Mit Füßen zertrampelt man, Tritt für Tritt, Die Trauben.
Das Elend schwillt? Ach was, man läßt
Nicht stören sich das Erntefest,
Sie müssen daran glauben!
Los, immer weiter stramm ausgepreßt Die Trauben!
Doch achtsam sein: voll ist das Maß. Start gärt der Wein im morschen Faß. Hoch wogt das Blut der Trauben. Es sprengt eines Tages in jähem Haß Die Dauben...
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Jura..