Die Torheit des deutschen Volkes H
,, Die schwelende Glut wird einmal hervorbrechen" IT,
Lord Arthur Ponsonby , das bekannte Mitglied des bri tischen Oberhauses, hat an die in Prag erscheinende„ Wahrheit" folgenden Brief gerichtet:
Sie fragen mich, sehr geehrte Herren, was ich über die Ereignisse der letzten Zeit in Deutschland denke und was ich darüber zu sagen habe. Ich hegte für das deutsche Volk stets große Bewunderung, die nicht einmal der Krieg zerstören fonnte. Denn die Deutschen waren schließlich damals, wie viele andere Nationen, auch der Ansicht, aus reinstem Patriotismus ihr Vaterland verteidigen zu müssen. Tapfer kämpften sie gegen eine große Zahl von Feinden. Uns hatte man verpflichtet, die Deutschen anzugreifen. Sie wiederum fühlten sich verpflichtet, ihre Feinde zu schlagen.
Doch all das war vorbei, als man den Krieg beendet hatte. Von neuem bekannte ich mich zu der Ansicht, daß es wertvoll fei, die deutsche Kultur zu studieren, die durch hervorragende soziale Fortschritte gekennzeichnet war.
Was ich jedoch jetzt zu den letzten deutschen Ereignissen zu sagen habe? Nur das eine: daß meinem Empfinden nach die ganze Nation dem Wahnsinn verfallen sein muß.
Ich gebe zu: das deutsche Volk hatte Grund zur Entrüstung und Verzweiflung. Dazu bot nicht nur der Versailler„ Straffrieden", sondern auch die unsympathische Stellungnahme aller Regierungen im Völkerbund Anlaß.
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sache, sich zu beklagen. Denn die anderen Nationen verzichteten nicht auf Sanktionen und verzögerten die Abrüstung. Jedoch dies alles zusammen durfte nicht zum Anlaß genommen werden, um die Grundlagen des eigenen Volks lebens zu zerstören und sich sowohl die Verachtung wie die Verurteilung der gesamten zivilisierten Welt zuzuziehen. Ich denke nicht allein an die barbarische Grausamkeit gegen Unschuldige. Ich denke nicht allein an die widernatürliche Rassenverfolgung, wie sie sich in dem Verhalten gegen die Juden zeigt. Ich denke auch nicht nur an die Ungerechtigkeit, an die bösartige Unterdrückung von Sozialisten und Pazifisten- was mich am meisten bedrückt: das ist die Torheit des deutschen Volkes! Niemals wird man Ideen durch Gewalt ausrotten, niemals wird man auf Revolvern und Bajonetten eine Herrschaft der Vernunft aufbauen können.
Man soll nicht sagen, daß die deutschen Methoden mittelalterlich seien. Sie sind Methoden des Wahnsinns, des Jrrenhauses. Je mehr sie das Volk durchdringen, ein um so grökeres Chaos steht dem Deutschland der Zukunft bevor. Man tann Juden töten, Sozialisten gefangen setzen, Pazifisten verhungern lassen, man kann die Grausamkeit ermutigen und Wüstlingen hohe Aemter zuteilen. Man kann das Recht der freien Meinungsäußerung einschränken und Vagabunden regieren lassen. Was aber dann, wenn dies alles geschehen ist?
Es wird möglich sein, den Geift der Zivilisation in Deutschland zu unterdrüden- endgültig vernichten wird
,, Rache für Stelling! Freiheit!"
Bei der Beerdigung des in der Haft ermordeten sozialdemofratischen Führers Johannes Stelling spielten sich bezeich= nende Vorgänge ab. Obwohl die Todesanzeige mit der Angabe der Beisetzungszeit nur in der„ Bossischen Zeitung" ers scheinen konnte, also in einem Blatte, das an die Arbeiter freise nicht herankommt, war die Beteiligung außerordentlich ftart. Die große Halle des Krematoriums in der Gerichtss Straße war lange vor Beginn der Feierlichkeiten überfüllt. Man zählte 1200 Teilnehmer.
Als sich der Sarg in die Tiefe senkte, ging plötzlich ein Naunen durch die Versammlung. Dann erscholl aus einer Ede der Ruf:„ Rache für Stelling!", aus einer anderen Ede
wurde„ Freiheit" gerufen. Wie ein Mann erhob sich die riesige Trauerversammlung und rief:„ Rache für Stelling! Der Tag der Rache kommt! Freiheit!" Die anwesende Kriminalpolizei ließ sofort die Türen schließen und meldete telephonisch „ Höchste Alarmstufe!" Da aber bereits die Teilnehmer der nächsten Beerdigung erschienen, hielt es die Polizei doch für zweckmäßiger, fein weiteres Aufheben in der so peinlichen Angelegenheit zu machen. Die Türen wurden daher nach reichlich zehn Minuten wieder geöffnet und die Teilnehmer an der Beerdigung Stellings fonnten sich ungehindert ents fernen.
Angesichts des in Deutschland herrschenden furchtbaren Drudes muß dieser Verlauf der Beerdigung als eine wuchs tige und erfreuliche Demonstration bezeichnet werden.
Der verbotene Bauernaufmarsch
Unruhe auch in der SS.
Aus Berlin wird uns geschrieben: Am 11. Juli erschien in der deutschen Presse ein Aufruf des neuen Reichsernährungsministers Darre, in dem gesagt wurde, ein für den 12. Juli in Berlin geplanter Bauernaufmarsch müsse in Anbetracht der bevorstehenden Ernte verschoben werden. Dieser Aufruf erregte sofort allgemeines Aufsehen und ließ vermuten, daß andere Zusammenhänge hier verborgen werden sollten. Wir sind heute in der Lage, Näheres über die Vorgänge hinter den Rulissen mitzuteilen.
Vor kurzem sagte der ostpreußische SS. - Führer Kaul, die Bauern hätten nun genug vom Feiern; vor September fänden keine Versammlungen oder Demonstrationen mehr statt. Auf Grund dieser Aeußerungen, die eindeutig als Kritik an der Regierung und ihrem ganzen Rummel gemeint waren, wurde Kaul verhaftet. Das war der Funke ins Pulverfaß. Zwölf Stunden später war in Berlin eine Abordnung aus Königsberg mit 200 Unterschriften von SS. - Funktionären,
Man flüffert...
3eitungsmeldung: Am Freitag haben sich die neuernannten Reichsminister Darre und Schmidt zu ihrer Bereidigung nach Neudeck zum Herrn Reichspräsidenten begeben.
Frage eines Neugierigen: Worauf werden die Herren eigentlich vereidigt?
Antwort eines Wissenden: Auf Widerruf! Hitler hat in Westfalen einen Dr. Klein zum„ Treuhänder der Arbeit" eingesetzt. Dieser hat seine Tätigkeit mit der Anordnung aufgenommen, daß Streiks und AusSperrungen jeglicher Art verboten sind. Für jede Neureglung des Arbeitsvertrages ist die Entscheidung des Treuhänders erforderlich.
Früher sang das Proletariat das Kampflied Georg Hermeghs mit der Strophe:„ Alle Räder stehen still, wenn dein starter Arm es will." Jezt heißt es:„ Räder stehen nicht mehr still, weil der Treuhänder nicht will!" Aber wird der Treuhänder auch genug Hände haben, um im Ernstfall seinen Willen durchzusetzen?!
Nach der gleichgeschalteten Berliner Presse erklärte der Reichslandbundpräsident von Hitlers Gnaden Meinberg auf einem Bauerntag zu Lüßen:„ Führertum hat mit Wissen nichts zu tun."
Wer hätte soviel Selbsterkenntnis bei den Nazis erwartet?! Hitler wird von seiner Lakaienpresse wieder einmal beweihräuchert: Er hat auf seinem bayerischen Landgut ein neues Gästehaus errichten lassen( daher das Wort„ Gehaltsverzicht") und dabei, obwohl der Bauunternehmer eine Betonmaschine hatte, angeordnet, daß alle Arbeit mit der and gemacht werden müsse.
Wir können dazu noch viel mehr verraten: den umliegenden zwölf Dorfschmieden hat Hitler den Auftrag auf ein nächstes 100pferdiges, achtfißiges Sechszylinderauto gegeben. Jeder von den 12 Schmieden stellt einen Teil des Wagens mit der Hand her. Man hofft, schon im Jahre 1940 mit der Zusammensetzung des Chassis zu beginnen.
Ein 21jähriger Schuhmacher in Frankfurt a. M. wurde au 1 Monat Gefängnis verurteilt, weil er, ohne Mitglied der NSDAP . zu sein, ein Braunhemd mit SA.- Lize
die ultimativ die sofortige Freilassung von Kaul forderten. Wegen des Ernstes der Situation begab sich der stellvertre= tende Parteiführer Heß sofort im Flugzeug nach Königsberg .
Dort erklärte er den SS - Führern, es ständen der national sozialistischen Regierung unendlich schwere Monate bevor, alles verloren. Im übrigen verfügte er die Freilassung des und wenn jetzt auch noch die SS. unzuverlässig werde, sei Verhafteten. Gleichzeitig mußte er sich aber über die Stimmung der erbitterten Bauern informieren lassen. Da auch aus anderen Teilen des Reiches ähnliche Stimmungsberichte vorlagen, wurde der Bauernaufmarsch in letzter Minute ab= geblasen
Diese Nachrichten sind vor allem deshalb interessant, weil sie uns von der ersten Rebellion im Lager der SS. Kunde geben. Auch diese zuverlässigste Kerntruppe der Regierung ist also bereits angefressen von der allgemeinen Enttäuschung und Zersezung.
man ihn nicht. Es ist Betrug, wenn vorgegeben wird, daß bas vergewaltigte Volt die Barbarei billige. Ideale sind ebenso wenig auszulöschen wie das Fener echter Humanis tät. Die schwelende Glut wird einmal hervorbrechen und jene Peiniger vernichten.
Ich glaube, daß Deutschland zur Zeit ein außerordentlich unglückliches Land ist. Troßdem halte ich diesen Zustand für vorübergehend. Es liegt im Wesen der Diktatur, daß sie nicht anderen als provisorischen Charakter tragen kann, mag sie sich auch noch so lärmend gebärden. Neue Pläne zu umfassenden Aenderungen in der Verwaltung der Staaten fönntent manchem Land der Welt heute dienlich sein. Doch ich bezweifle, daß die Pläne und Methoden des Hitler - Regimes zu etwas anderem führen werden als zum völligen 3u= sammenbruch und zum Bürgerkrieg. Die Lage in Deutschland scheint mir den internationalen Frieden zu bedrohen. Denn die Haltung der deutschen Staatsmänner erzeugt weit über die Grenzen des„ germanischen Vaterlanbittere Feindschaften. Aus manchen Briefen, des" hinaus die mir zugegangen sind, schöpfte ich die Ueberzeugung, daß die Deutschen selbst nicht wissen, was eigentlich in hrem Lande vorgeht.
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..Ich bin cin Saujude"
Ein Augenzeuge berichtet uns:
Ihr Bonsonby.
Am Donnerstag, dem 13. Juli, abends 9.30 Uhr, wurde der jüdische Fabrikant N. in Göppingen aus dem Auto gezogen. Es wurde ihm ein Strick um den Hals gelegt und dann wurde er mit großem Geschrei durch die Straßen von Göppingen geführt. Vor jedem Hause, in dem Juden wohnen, machte man Halt und N. mußte dann laut rufen:„ Ich bin ein Sau: jude, ich habe ein deutsches Mädchen geschändet." Außerdem trug er zwei Plakate um den Hals, das eine auf der Brust, das andere auf dem Rücken mit dem gleichen Inhalt. Schließ= lich wurde N. fürchterlich verprügelt, sodaß er einen Bluts erguß erlitt. Es wurden ihm zwei Zähne eingeschlagen. Seine Augen find gefährdet. Die Mißhandlungen wurden von einem Sprechchor begleitet und die Szenen wurden mit Pfeifen unterstrichen. Schließlich, als die Mißhandlungen zu bunt wurden, hat die Polizei eingegriffen. Aber was tat sie? Nahm sie etwa die Anführer und Anstifter, den Kreisleiter Defterreicher von der NSDAP . fest? Nein, sie inhaftierte den Fabrikanten N.
Es steht einwandfrei fest, daß N. durchaus falsch beschuldigt worden ist. Schon vor einigen Jahren hatte er einen Prozeß gegen seine Verleumder geführt und ihn gewonnen. Dies ist nun die Nache derer, die damals verurteilt wurden.
Sahm
muß gehen? Auch Oberbürgermeister Sahm von Berlin
Die Stellung des Berliner Oberbürgermeisters Dr. Sahm gilt als erschüttert. Da eine Reihe hoher nationalsozialistischer Funktionäre auf diesen gut bezahlten Posten aspirieren, hat der Innenminister Göring bereits in einem Runderlaẞ festgestellt, daß nach der Entfernung der Sozialdemokraten aus den Kommunen auch solche Personen, die nur mit Hilfe sozialdemokratischer Stimmen in ihre Aemter gekommen sind, zu entfernen sind.
Da Dr. Sahm mit Hilfe der Sozialdemokraten zum Oberbürgermeister gemacht wurde, schwebt das Schwert Damokles über seinem Haupte.
getragen hatte. Das Gericht erkannte an, daß der junge Der Blitz kommt aus der Höhe
Mann nur aus Begeisterung", nicht aus unlauteren Motiven gehandelt habe, sonst wäre die Strafe noch viel höher ausgefallen.
Ferdinand Lassalle meinte einst, Begeisterung sei keine Heringsware. Welch ein Irrtum! In Frankfurt wird sie
auf einen vollen Monat eingepökelt!
Das„ Gemeinschaftsleben" der Referendare in Preußen beginnt. Sturmbannführer Dr. Spieler, mit der Leitung des ersten Gemeinschaftslagers beauftragt, teilte mit, daß bereits demnächst der erste derartige Lagerkurs auf dem Truppenübungsplay in Jüterbog beginnen
werde.
" Da gehörste hin!", sagt der Berliner . Wäre es nicht ganz gut, wenn bei dieser Gelegenheit die fünftigen Herren Richter auch gleich im Scharfrichtern im Köpfen, Hängen, Füsilieren usw. mitausgebildet würden? Man würde auf diese Weise die Scharfrichterstelle ersparen und zugleich würde der Gang des Verfahrens ganz außerordentlich vereinfacht werden, wenn nach gefälltem Todesurteil der Herr Schwurgerichtsvorsitzende das Beil unter seiner Robe hervorzöge und, während die Herren Beisitzer den Delinquenten anpackten und in entsprechende Lage brächten, gleich das Urteil vollstrecken würde.- Na, Herr Staatssekretär Roland Freisler , Sie russischer Bolschewistenkommissar von 1918, wie wärs?!
Ein neuer preußischer Staatsrat, bestehend aus den Nazi- Gauleitern, ist gebildet worden. Die Mitglieder genießen auf der Eisenbahn freie Fahrt und haben unverzichtbaren Anspruch auf Aufwandaentschädigung. Dagegen darf der Staatsrat keine Beschlüsse fassen! Die Mitglieder des Staatsrats singen die Preußenhymne mit folgender Zusatzstrophe: Ich bin ein Preuße, kennt Ihr die Moneten Die mir der Staatsratsposten eingebracht? Ich habe Anspruch täglich auf Diäten, Umsonst werd ich zur Sigung hingebracht. Zwar hab ich nichts zu sagen. Soll ich mich darum beklagen? Solang es mir Diäten nur bringt ein, Will ich in Nazi- Preußen Staatsrat sein!
Nietzsche über Rüstung und Abrüstung
Reine Regierung gibt zu, daß sie das Heer unterhalte, um gelegentliche Eroberungsgelüfte zu befriedigen, sondern der Verteidigung soll es dienen. Jene Moral, welche die Notwehr billigt, wird als ihre Fürsprecherin angerufen. Das heißt aber: sich die Moralität und dem Nachbar die Immoralität vorbehalten, weil er angriffs- und eroberungsluftig gedacht werden muß, wenn unser Staat notwendig an die Mittel der Notwehr denken soll; überdies erklärt man ihn, der genau ebenso wie unser Staat die Angriffslust leugnet und auch seinerseits das Heer vorgeblich nur aus Notwehrgründen unterhält, durch unsere Erklärung, weshalb wir ein Heer brauchen, für einen Heuchler und listigen Verbrecher, welcher zu gern ein harmloses und ungeschicktes Opfer ohne allen Kampf überfallen möchte. So stehen jetzt alle Staaten gegeneinander: fie setzen die schlechte Gesinnung des Nach bars und die gute Gesinnung bei sich voraus. Diese Voraussezung ist aber eine Inhumanität, so schlimm und schlimmer als der Krieg: ja, im Grunde ist sie schon die Aufforderung und Ursache zu Kriegen, weil sie, wie gesagt, dem Nachbar die Immoralität unterschiebt und dadurch die feindselige Gesinnung und Tat zu provozieren scheint. Der Lehre von dem Heer als einem Mittel der Notwehr muß man ebenso gründlich abschwören als den Eroberungsgelüften
.... Unseren liberalen Volksvertretern fehlt es, wie betannt, an Zeit zum Nachdenken über die Natur des Menschen: sonst würden sie für eine allmähliche Herabminderung der Militärlast" arbeiten. Vielmehr: erst wenn diese Art Not am größten ist, wird auch die Art Gott am nächsten sein, die hier allein helfen kann. Der Kriegsglorien- Baum kann nur mit einem Male, durch einen Blitzschlag zerstört werden: der Blig aber kommt, ihr wißt es ja, aus der ( 1880.) Joe. Höhe