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Freiheil

Nummer 31-1. Jahrgang

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Mittwoch, den 26. Juli 1933

Chefredakteur: M. Braun

Erst gewahrten wir vergnüglich

Wilden Wesens irren Lauf,

Unerwartet, unverzüglich

Trat ein neuer Kaiser auf.

Und auf vorgeschriebenen Bahnen

Zieht die Menge durch die Flur, Den entrollten Lügenfahnen

Folgen alle.

-

Schafsnatur!

Goethe, Faust.

Wilhelm II. : 700 Millionen Mark

Der Nazi- Wirtschaftsdiktator Fritz Thyssen : 120 Millionen

Jeden Tag wird in Deutschland enteignet, aber nur das Eigentum der Arbeiter, ihrer Führer oder ihrer Organi: fationen. Auch Juden müssen daran glauben, soweit sie als Angestellte, Gewerbetreibende, Aerzte, Rechtsanwälte, Ges lehrte usw. eine unbequeme Konkurrenz der Nazis darstellen. Vor der Gefahr der Enteignung geschützt sind die großen Kapitalisten. Deutschland hat 2300 Menschen, die über ein Bermögen von mehr als je t Million Mart verfügen. Die reichsten find:

Wilhelm II. ,

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Fürst Albert von Thurn- Taxis

die Familie Krupp

Großindustrieller Frizz Thyssen

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700 Millionen Mark 240 200 120

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Eiſenindustrieller Otto Wolf, Köln 110 Millionen Mark Finanziers von Adolf Hitler erwiesen. Zum

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sein Kompagnon Ottomar Strauß.. 60 Fürst Joh. zu Hohenlohe - Dehringen. 120 Bankier Mendelssohn Fürst Fürstenberg

Fürst Hendel von Donnersmard

Graf von Henckel Großherzog von Sachsen- Weimar Herzog Albrecht von Württemberg Fürst Ernst von Hohenzollern. Geheimrat Dr. Karl Bosch Karl Friedrich von Siemens

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Dank dafür garantiert ihnen Hitler den ungestörten Besitz ihrer Riesenvermögen.

Einer der Reichsten unter diesen Reichen Frizz Thyssen ist in den Preußischen Staatsrat berufen und von Hitler zum Wirtschaftsdiktator über Rheinland und Westfalen ernannt worden. Die westdeutschen Gauleiter der Nationalsozialisten haben in Briefen an Herrn Friz Thyssen diesem strengen Gehorsam gelobt. Siemens, Krupp und einige andere sind im wirtschaftlichen Generalrat Hitlers .

Für diese Gesellschaft, diese Kriegshezer und Rüstungs­politiker haben SA. - Lente gekämpft und tausende und aber

Die meisten dieser Herren haben sich als gebefreudige tausende Arbeiter verwundet oder totgeschlagen.

22 SA.- Leute vergiftet! Die Diäten steigen

Massenerkrankungen

Berlin , 25. Juli. Die Zahl der SA.- Leute, die in der Charlottenburger SA. - Kaserne durch den Genuß vergifteter Speisen gestorben sind, hat sich um weitere fünf auf zwei­undzwanzig erhöht. Der Zustand von weiteren etwa 30 Mann gibt zu schwersten Besorgnissen Anlaß.- Die Ers mittlungen nach dem bzw. den Tätern haben bisher nichts ergeben; in den Kreisen der SA. behauptet sich das Gerücht, daß es sich um einen Anschlag der SS. handelt. Die Polizei lehnt jedoch ab, die Untersuchung in dieser Richtung zu be= treiben.

3 SA.- Leute erschossen

In einer dichten Schonung des bei Berlin gelegenen Grunewaldes entdeckten gestern Spaziergänger die Leichen von drei bisher unbekannten männlichen Personen, die, so= weit sich nach der Kleidung schließen läßt, der SS. angehört haben. Ausweispapiere waren nicht vorhanden. Alle drei find durch Kopfschüsse getötet worden. Die Leichen, die schon start in Verwesung übergegangen und deren Gefichtszüge nicht mehr zu erkennen sind, müssen schon drei bis vier Wochen an der Fundstelle liegen. Die Feststellung der Pers sonalien dürfte große Schwierigkeiten verursachen, zumal von den Uniformen alle Standort- und Rang- Abzeichen sorgs fältig abgetrennt worden sind.

Hysterische Tobsucht"

Sir Austen Chamberlain : Kein Zugeständnis an Hitler- Deutschland"

Paris , 24. Juli. Sie Austen Chamberlain , der Ronservative Außenpolitiker, schreibt in den heutigen Actualites" über die Frage der Stellung Englands gegenüber dem Deutschland Hitlers unter anderem folgendes:

Deutschland wird uns durch die von Herrn Hitler beliebte

Politik der Drohungen und der Gewalttaten nicht zur Nachgiebigkeit zu bringen imstande sein. Im Gegenteil: wir werden ihm jedes Zugeständnis, und sei es noch so flein, zu versagen haben.

Zunächst einmal hat Deutschland die Aufgabe, eindeutige Beweise dafür zu liefern, daß es wieder vernünftig ge­worden und bereit ist, den Geist der Friedensverträge zu achten.

Wer aber dem heutigen Deutschland vorerzählt und der

Welt glauben machen will, daß die Revision der Verträge eine auch nur diskutabele Sache sei, der ist in Wahrheit gar kein Freund des Friedens und will den Interessen des Friedens nicht dienen.

Im übrigen bestimmen wir den Zeitpunkt und den Um­fang der Konzessionen, die wir vielleicht einmal Deutsch­ land einräumen können. Das alles hängt einzig und allein von dem zukünftigen Verhalten Deutschlands ab. Herr Hitler wird sich ohne allzu große Mühe vorstellen können, daß er die Erfüllung seiner Wünsche außerordentlich in die Ferne schiebt, wenn nicht für alle Seiten unmöglich macht etwa durch seine flammenden Aufrufe an ein Volt, das vor kurzem im tiefsten Elend und in der Verzweiflung lag und heute dank der amtlichen Propaganda in einem Zustand hysterischer Tobsucht sich befindet. Ebenso wird er begreifen können, daß die wütenden Hezreden gewisser Deutscher und das ständige Kriegsgeschrei gegenüber den Nachbarn des Dritten Reichs" es jedem Volt verbieten,

den deutschen Forderungen, und mögen sie noch so be­rechtigt sein, auch nur die kleinste und leiseste Unter­stützung zu gewähren.

Hendersons

hoffnungslos

Der deutsci- französische Gegensatz

unüberbrückbar

Veröffentlichungen in englischen Zeitungen zeigen, daß Herr Henderson, der am Samstagabend wieder in London eintraf, in ziemlich pessimistischer Stims mung zurückgekehrt ist. Nach Aeußerungen, die der Präfis dent der Abrüstungskonferenz getan hat, scheint seiner Meinung nach die Hauptschwierigkeit der Konferenz

gegenwärtig in den Meinungsverschiedenheiten zwischen Deutschland und Frankreich zu liegen. Die frans zösische Regierung zögere mehr als je, in einen Vers zicht auf Aggressiv waffen einzuwilligen. Sie fei höchstens bereit, ihren Verzicht von einer verhältnismäßig langen Zeitspanne abhängig zu machen, während welcher eine wirksame Ueberwachung die Gewähr für eine wirkliche Abrüstung Deutschlands erbringe müsse. Ferner seien die Franzosen immer noch gegen eine Zerstörung der bestehen den Bestände der zu verbietenden Waffen; sie wünschten nach wie vor, daß diese unter Kontrolle des Völkerbundes ges lagert und zum Gebrauch gegen einen eventuellen Angreifer zur Verfügung stehen sollten. Demgegenüber beständen die Deutschen auf der völligen Zerstörung der Angriffswaffen innerhalb einer kurzen Frist; nur unter dieser Bedingung würden sie in die Ums wandlung der Reichswehr mit ihrer langen Dienstpflicht in eine Miliz einwilligen.

Ein Gebiet, auf dem es wirklich aufwärts geht.. Die preußischen Staatsräte bekommen jetzt 1000 Mark monatlich Schweigegeld, denn zu sagen haben sie nichts. Die Nazipresse bringt das ihren Lesern so bei:

Die bisherigen Gehälter der preußischen Staatsräte find um 60 Prozent heruntergesetzt worden, so daß denselben nunmehr nur noch 1000 RM. verbleiben, ein Betrag, der unseres Erachtens noch hoch genug ist.

Natürlich ist das Schwindel, um die kritischen Gemüter zu beruhigen. Tatsache ist, daß die preußischen Staats­ratsmitglieder bisher überhaupt kein monatliches Pauschale erhielten, sondern nur jeweils für die Sitzungs­tage entschädigt wurden. Sie blieben alle weit unter 1000 Mark im Monat. Nicht einmal der Präsident erhielt eine so hohe Entschädigung.

In den Berliner Arbeiterbezirken find massenweise Flugzettel verbreitet worden, in denen die Erwerbslosen gefragt werden, wieviel sie an Unterstützung bekommen und ob sie mit den 1000 Mark auskommen würden, welche ein Staatsrat dafür erhält, daß er nichts tut. Die Polizei behauptet, die Zettel seien von Flugzeugen abge worfen worden.

Nicht nur in Preußen, auch in Sachsen geht es mit den Diäten aufwärts.

Vor der Wahl find in Dresden die Stadtverordnetens biäten auf 40,- RM. pro Monat herabgesetzt worden. Nach der Wahl war eine der ersten Taten der Nazis, die Diäten auf 60,- RM. zu erhöhen.

Seit dem Verbot der SPD . haben die Braunen für fich

die Diäten auf 100,- NM. pro Monat erhöht,

Spaniens Alarm!

Barcelona ( Südspanien), 25. Juli( Savas). Auf Ans ordnung des Junenministeriums haben die Behörden gestern umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen gegen jeden Versuch, das republikanische Regime zu stürzen, ergriffen. Die Armee stand bis zum späten Abend alarmbereit. 150 bes tannte Syndikalisten und extrem rechts gerichtete Elemente sind verhaftet worden.

Ministerpräsident Azana bezeichnete die Umsturzbewegung, die die Regierung aufgedeckt zu haben erklärt, als rein ziviler, Art; Militärpersonen seien nicht beteiligt. Nach den bisherigen Meldungen sollen nicht weniger als 500 Personen in Saft bzw. in Schutzhaft genommen worden sein.

Paris , 25. Juli. Journal meldet aus Madrid , daß die Regierung der Generalitad von Katalonien vor einer Krise stehe. Sie set zurückzuführen auf die immer stärker wers denden Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens . Die nationalistische Presse Barcelonas greife die Generalitad scharf an, weil sie zu zögernd vorgehe. Angesichts der immer stärker zum Ausdrud kommenden separatistischen Tendenzen könnte die Krise, die mit dem Rücktritt des Präsidenten der katalonischen Regierung beginnen werde, die endgültige Orientierung Kataloniens im Sinne der Unabhängigkeit einleiten.

Aus Marokko wird gemeldet, daß der Sohn des französ ichen Kolonialheros und Eroberers General Mangin, der als Leutnant in Marokko stand, bei der lezten Bors marschbewegung der französischen Truppen in der Gegend von Marrakesch einer Eingeborenenkugel zum Opfer ges fallen sei,